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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2018-12-12


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Gesellschaftliche Konsequenzen der Digitalisierung

Termin: 12. Dezember 2018, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-11

Thema 1: Denise Streubel: Digitales Erbe

Thema 2: Lukas Neumann: Digitaler Wandel im Finanzsektor

Ankündigung

Thema 1: Digitales Erbe

„Die wenigstens regeln ihren digitalen Nachlass“, zu diesem Ergebnis kam die zweite Bitkom- Umfrage zum digitalen Nachlass. Nur 20 Prozent der Internetnutzer haben demnach ihren digitalen Nachlass bereits geregelt. 59 Prozent ist die Dringlichkeit und Bedeutung der Nachlassregelung durchaus bewusst, doch sie sagen: „Ich weiß, dass ich etwas unternehmen müsste, habe es aber bisher nicht gemacht.“ (Bitkom, Pressemitteilung 10.08.2017)

Der Vortrag wird zunächst den Begriff und Umfang des digitalen Nachlasses gegenüber dem „analogen“ Nachlass abgrenzen. Hierbei wird zudem auf die Interessenlagen verschiedener Personengruppen im Bezug auf die Thematik eingegangen. Zudem werden zwei Sichtweisen auf die Höchstpersönlichkeit als Grenze der Vererbbarkeit vorgestellt, um anschließend weitere Datenschutzaspekte bezüglich des digitalen Nachlasses zu thematisieren. Hierbei findet zunächst eine Vorbetrachtung der Regelungen vor der Reform des Bundesdatenschutzgesetzes am 24.05.2018 statt, sodass anschließend die Veränderungen durch Inkrafttreten der DSGVO diskutiert werden können. In diesem Zusammenhang wird auf ein wegweisendes Urteil des BGH bezüglich des Zugangs zu Accounts von Verstorbenen durch die Erben besprochen. Abschließend werden Vorsorgemöglichkeiten bezüglich des digitalen Nachlasses anhand von möglichen Vor- und Nachteilen gegenübergestellt.

Denise Streubel, 05.12.2018

Thema 2: Digitaler Wandel im Finanzsektor

„Früher war alles besser“. Bevor die Digitalisierung die Banken erreichte, kam der Bankberater zu einer Tasse Kaffee zum Kunden nach Hause, um Verträge abzuschließen. Mit dem fortlaufenden Ausbau beziehungsweise der Entwicklung des Internets entstanden und entstehen immer noch, in einem rasanten Tempo, Unternehmen und Firmen, die versuchen, den „Global Playern“ in allen Bereichen des Finanz- und Versicherungssektors Marktanteile abzujagen. Bill Gates erkannte bereits 1994, dass keine Bankfilialen nötig sind, um Banking zu betreiben. Wozu gibt es denn das Internet? Mit Hilfe einer Vielzahl von Portalen können unter anderem Transaktionen vorgenommen werden, Unternehmen können Kredite ohne Banken aufnehmen, Endverbraucher können ohne Bankberater ihr Geld mit Hilfe von „Robotern“ verwalten lassen und in interessante und vielversprechende Startups und Projekte investieren. In diesem Vortrag werden einige „FinTech-Unternehmen“ vorgestellt und deren Vor- beziehungsweise Nachteile erörtert. Bevor über die Notwendigkeit von Banken diskutiert wird, wird ein Einblick in interessante Studien gegeben.

Lukas Neumann, 04.12.2018

Anmerkungen

Menschen sind sterblich. Ihr Ableben tritt mehr oder weniger erwartet ein und hinterlässt nicht nur eine emotionale Leerstelle, sondern auch ein Loch im sozialen Gefüge, mit dem die Hinterbliebenen und die Gesellschaft als Ganzes angemessen umgehen muss. Um derartige Fragen ging es im ersten Vortrag.

In einer bürgerlichen Gesellschaft, die stark auf der individuellen Zuordnung von Vermögen, Verfügungsrechten, Eigentum und Verantwortung aufbaut, sind mit dem Ableben einer Person diese Zuordnungen neu zu ordnen, was (u.a.) im Erbrecht geregelt wird. Gegenstand entsprechender Regelungen sei "das hinterlassene Vermögen als Ganzes (Aktiva und Passiva), in welches die Erben in Gesamtnachfolge eintreten", hieß es dazu im Vortrag. Weniger geregelt sind in diesem Kontext weitere Rechtsverhältnisse des Erblassers – etwa die Frage, was mit dem Posten des Vereinsvorsitzenden wird, den die Person zu Lebzeiten inne hatte. Insoweit aus diesem Rechtsverhältnis vermögensrechtliche Forderungen offen sind, fallen diese unter die Passiva der Erbmasse, das weitere Funktionieren des Vereins selbst ist aber nicht Gegenstand öffentlicher Regelungen.

Überträgt man diese Differenzierungen auf das digitale Agieren, so greift eine Definition des digitalen Nachlasses als "Gesamtheit der Rechtsverhältnisse bzgl. Informationsverarbeitungssystemen" zu weit. Wir hatten gesehen, dass Handeln im digitalen Universum eng an digitale Identitäten gebunden ist, mit denen Authentifizierung und Autorisierung einhergehen. Insoweit eine solche Autorisierung auf das Vermögen des Erblassers im Sinne seiner Fähigkeiten und Kompetenzen gerichtet ist als Kern des Rollenbegriffs (nicht nur) in der Informatik, können entsprechende Rechte und Verpflichtungen nicht Gegenstand erbrechtlicher Regelungen sein. Eine solche klare Grenzziehung fehlte im Vortrag trotz der Unterscheidung zwischen "höchstpersönlichem" und "vermögensrechtlichem" Nachlass. Dass eine solche Grenzziehung praktisch schwierig ist, wurde in der Diskussion deutlich.

Derartigen Feinheiten wurde in der Diskussion noch weiter nachgespürt. Auch im "analogen Leben" besteht (im Gegensatz zur Steuererklärung) keine Pflicht zum Testament. Bei dessen Fehlen treten allgemeine Default-Regelungen in Kraft, die im Normalfall auch zu Ergebnissen führen, mit denen sowohl die Erben als auch die Gesellschaft leben kann. Ein Testament bedeutet allein, dass der Erblasser mit seinem "letzten Willen" auch post mortem Einfluss auf diesenRegelungsbedarf nehmen möchte.

Genauso könnte man auch im Fall eines digitalen Nachlasses verfahren und darauf vertrauen, dass sich bereits genügend leistungsfähige Default-Regelungen etabliert haben, mit denen auch der aktuelle Fall angemessen sozial oder auch rechtlich geregelt werden kann. Am Beispiel des Gedenkzustands eines Facebook-Kontos wurde in der Diskussion deutlich, dass mit einer solchen begrifflichen Konstruktion und praktischen Verfahrensweise im Normalfall ein angemessener Ausgleich der Interessen naher Familienangehöriger und einer "Fangemeinde" im sozialen Netz gefunden ist. Zugleich wird an diesem Beispiel deutlich, dass zunächst mit verschiedenen Formen der Lösung von derartigen Konflikten sozial experimentiert werden muss, ehe sich konkrete Verfahrensweisen etablieren und institutionalisieren, die später vielleicht auch in gesetzlichen Regelungen normativ verdichtet werden können.

Im zweiten Vortrag ging es um FinTechs, was das auch immer sei. Wikipedia hat dazu eine eigene Meinung:

Finanztechnologie (englisch financial technology, verkürzt zu Fintech bzw. FinTech) ist ein Sammelbegriff für technologisch weiterentwickelte Finanzinnovationen, die in neuen Finanzinstrumenten, -dienstleistungen oder -intermediären resultieren.

Auch in unserem Seminar wurden am 21.11.2017 und am 13.05.2014 schon Vorträge über Aspekte des digitalen Wandels in der Finanzsphäre gehalten. Am Ende der Diskussion waren wir uns zumindest einig in der Frage, dass der Vortragende für sich hätte klären sollen, ob er sich eher auf die Unternehmen und deren Geschäftsmodelle oder eher auf die Technologie konzentriert. Wikipedia legt zweiteres nahe, im Vortrag selbst lag der Fokus allerdings deutlich auf den Unternehmen, allerdings wenig auf deren Geschäftsmodellen oder gar Eigentümerstrukturen. Auch wenn durchaus mit Zahlen hantiert wurde, belastbare Zahlen zu Erträgen, Gewinnen und Verlusten oder gar deren kritische Betrachtung fehlten vollkommen. Was relative Wachstumsraten in derartigen hoch-volatilen Märkten überhaupt auszusagen vermögen, blieb das Geheimnis des Vortragenden und wurde auch in der Diskussion nicht weiter vertieft.

Ebenso blieb unklar, ob die drei Bereiche Vermögensverwaltung, Investmentbanking und Zahlungsverkehr wirklich so über einen Kamm geschoren werden können wie im Vortrag nahegelegt. Immerhin gibt es schon lange eine massive Debatte, ob im Zuge einer weiteren Regulierung des Finanzmarkts Investmentbanken und Geschäftsbanken strikter voneinander zu trennen seien. Gründe hierfür sind viele angeführt worden, auch wenn selbst ein führender Volkswirt wie Martin Hellwig davon ausgeht, dass das "Rätsel des Geldes noch nicht gelöst" sei.

Vollkommen außer Betracht blieb die Frage nach der Herkunft der Riesensummen, mit denen die Investmentbanken (Vermögensverwaltung, langfristige Kreditierung) an den Börsen zocken und ob hier in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vielleicht auch Veränderungen zu verzeichnen sind, die wenig mit dem "digitalen Wandel" zu tun haben, aber dennoch zu berücksichtigen wären. Solche Veränderungen reichen von der Aufkündigung des Goldstandards 1973 bis hin zur wachsenden Bedeutung von Renten- und Vorsorgefonds, deren Aufbau in den vergangenen 20 Jahren auch politisch extrem befördert wurde. In einem solchen Kontext stellt sich dann schnell die Frage, ob Crowd-Was-auch-immer wirklich mehr ist als eine neue Form, "Omas Spargroschen" für dieses spekulative Geldkasino zu aktivieren. Dass "Oma" hierbei schon immer am kürzeren Hebel saß und auch weiter sitzen wird, egal wie intensiv die Enkelin das Internet befragt, ergibt sich aus der Struktur der Prozesse selbst, wenn man darüber auch nur einen Moment unvoreingenommen nachdenkt. Vorhersagen seien schwierig, besonders wenn sie die Zukunft beträfen, wird Karl Valentin gern zitiert.

Die Diskussion konzentrierte sich deshalb auf den Bereich Zahlungsverkehr und damit ein wichtiges Element, dessen reibungsloses Funktionieren ein Grundpfeiler der ökonomischen Prozesse einer bürgerlichen Gesellschaft ist. Es handelt sich dabei vor allem um Prozesse der Kontenführung und des Clearings, die stark auf Reputationsstrukturen mit wie auch immer ausgestalteten Garantieversprechen gestützt sind. Geld als "Fiktion" im Sinne der Vorlesung – als "verkürzte Sprechweise über eine gesellschaftliche Normalität" – bleibt ohne Berücksichtigung dieser Bedingtheiten unverständlich, die in modernen bürgerlichen Gesellschaften in einem zweistufigen Bankensystem und konkreten Staatsgarantien ihre institutionelle Ausprägung erfahren. Erst auf diesem Hintergrund ist das unbestrittene Phänomen der zunehmenden Ablösung von bargeldgestützten Verrechnungen zu bargeldlosem Zahlungsverkehr auch im B2C-Bereich (darauf allein fokussierte der Vortrag in diesem Segment) verständlich, das im B2B-Bereich schon angle kaum noch eine Rolle spielt, von Mafia- und Spionage-Filmen abgesehen, in denen noch Geldkoffer durch die Lande getragen werden.

Meine Grundaussage, dass hier nichts Neues passiere, allein die technologische Form der Prozessabwicklung sich ändere, ist mit diesen Anmerkungen hinreichend untermauert. Die Frage, ob neue technologische Möglichkeiten Einfluss auf die Prozesse und ihre Gleichgewichte selbst haben, hätte an spektakuläreren Beispielen besprochen werden können, etwa

Hans-Gert Gräbe, 13.12.2018
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