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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
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Graphgestützte Visualisierungstechniken in den Digital Humanities.

Termin: 31. Mai 2016, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Graphgestützte Visualisierungstechniken in den Digital Humanities.

Vortrag und Diskussion mit Yaning Wu.

Ankündigung

Heutzutage gibt es zahlreiche Informationen, die als Daten repräsentiert werden. Diese Informationen schnell zu analysieren, zu verstehen und danach entsprechend Entscheidungen zu treffen, wird immer wichtiger. Visualisierung ist eine sehr nützliche Methode, die Menschen hilft, Informationen aufzunehmen.

Wir werden folgende Fragen der Visualisierung analysieren und diskutieren:

  • Wie kann der Begriff der Visualisierung bzw. graphgestützten Visualisierung gefasst werden?
  • Was sind Ziele und Anforderungen der Visualisierung?
  • Wie wird Visualisierung ausgeführt?
  • Das Konzept der Infographic und deren Anwendung auf Visualisierungsn in den Digital Humanities.
Yaning Wu, 27.05.2016

Anmerkungen

Visualisierung ist in den Natur- und Technikwissenschaften ein ebenso verbreitetes wie technisch anspruchsvolles Arbeitsmittel. Es gibt hierzu umfangreiche Vorlesungen mit mathematisch, informatisch und teilweise auch technisch (etwa bei der Nutzung von Graphik-Koprozessoren) anspruchsvollen Inhalten, die eine große Bandbreite von Verfahren und Einsatzgebieten abdecken.

Im Vortrag wurde der Versuch unternommen, in diese Vielfalt Struktur zu bringen. In den Fokus rückt dabei zunächst die hohe Ausdrucksfähigkeit von Bildern gegenüber textuellen Beschreibungen oder Mengen von Daten für menschliche Nutzer. Aus Computersicht stellt sich das Ganze anders dar – Rendern von Bildern ist eine aufwendige Sache, die Dateien mit Bildinformationen sind trotz ausgefeilter Kommpressionsverfahren sehr groß und die Beschreibungsverfahren (etwa Pixelgrafiken vs. Vektorgrafiken), mit denen der Zusammenhang zwischen Bilddaten und Bild hergestellt wird, teilweise grundverschieden.

Diese technischen Differenzen, die bereits am Beispiel eines einfachen Funktionsgraphen, dem ersten Beispiel im Vortrag, zu tage treten, wurden allerdings nicht besprochen, sondern auf die bekannte Beobachtung reduziert, dass ein Bild mehr sage als tausend Worte, um dann genauer zu analysieren, was denn Bilder "zu sagen" haben, zu welchen Zwecken also Visualisierungen eingesetzt werden.

Hierbei standen die beiden großen Einsatzszenarien von Visualisierungen zu Präsentationszwecken und als Mittel der Datenanalyse im Vordergrund. Der Schwerpunkt Infographic ist dabei eher dem ersten Einsatzgebiet zuzuordnen, das im Rahmen der Vermittlung wissenschaftlicher Ergebnisse in einer sehr weit ausdifferenzierten akademischen Welt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Wie kann ich auf knappe Weise einen komplexen akademischen Zusammenhang – meinen Forschungszusammenhang – für ein breiteres Fachpublikum (Postersession auf einer Fachtagung) oder vielleicht sogar populärwissenschaftlich (in einem Science Slam) darstellen? Derartige Fragen stehen im heutigen akademischen Betrieb vor Natur- und Geisteswissenschaftlern in ähnlicher Weise und zwingen, sich der Einbettung der eigenen Forschungsthematik in umfassendere Zusammenhänge immer wieder neu zu versichern. Jedes solche Bild erfordert eine stark reduktionistische Konzeptualisierung der eigenen Forschungspraxis und bringt damit neue Konzepte auf den Weg und in gesellschaftlichen Umlauf. Die Möglichkeit, einem solchen Bild im digitalen Universum eine URI zuzuordnen (etwa als Youtube-Video) und damit die konkrete Konzeptualisierung in ihrer präsentationstechnischen und inhaltlichen Dimension weiterer Beschreibung (etwa in Form von Youtube-Kommentaren) zugänglich zu machen, zeigt, dass derartige Konzeptualisierungen in keiner Weise flüchtig sind. Die Möglichkeit der "RDFisierung" solcher Präsentationen liegt damit ebenso auf der Hand wie die Gefahren einer derartigen Reduktion von Wissenschaft auf Bilder.

In der Diskussion stand die Frage "Nun was?" im Raum, denn all diese Beobachtungen sind wenig spezifisch für eine Digital Humanities, die sich selbst als neues "fächerübergreifendes Forschungsparadigma" ( DHd 2016) versteht. Als erstes wurde die Frage der Reduktion von Visualisierung auf Grafik thematisiert. Dabei wurde schnell deutlich, dass nicht nur ein Bild mehr sagt als tausend Worte, sondern auch ein Film, eine Animationen oder multimedial aufbereitete Inhalte, dass also eine wirkungsvolle akademische Präsentation heute immer auch Elemente einer künstlerischen Performance enthalten sollte und damit nicht ohne genaue Kenntnis und adäquate Anwendung von Präsentationstechniken praktisch zu erstellen ist. Akademisch-theoretische Reflexion von Präsentationswirkungen muss diesen (aufführungs-)technischen Aspekt also mit berücksichtigen.

Spannender aus der Sicht einer aufstrebenden Digital Humanities ist die Frage, in welchem Umfang Visualisierungstechniken (durchaus in dem gerade entwickelten umfassenden multimedialen Verständnis) für die konzeptionelle Durchdringung einer Forschungsfrage eingesetzt werden können und in welchem Umfang derartige Techniken die konzeptionelle Strukturierung des Forschungsgebiets selbst prägen. Visualisierungen – wenigstens umfangreicherer Datenmengen – sind ohne Computereinsatz nicht möglich; die entsprechenden Potenziale erschließen sich also erst mit dem Einsatz digitaler Werkzeuge. Der Untertitel "Modellierung, Vernetzung, Visualisierung" der Tagung DHd 2016 weist darauf hin, dass im Selbstverständnis einer Akademia, die sich den Digital Humanities zuordnet, derartige Visualisierungen als Forschungsmethodik eine sehr zentrale Rolle spielen.

Damit hält ein Erkenntnismittel Einzug in die Geisteswissenschaften, das in den Natur- und Technikwissenschaften bereits in den letzten 50 Jahren zu einer deutlichen Erweiterung des forschungsmethodischen Spektrums geführt hat – neben logisch-deduktive Ansätze und Empirie tritt die Simulation als Methode, ein Modell auf einem Computer "lauffähig" zu machen. Diese allgemeine Form einer "Visualisierung" hat allerdings selbst konzeptionellen und damit forschungsmethodisch prägenden Charakter.

Eine solche forschungsmethodisch prägende Wirkung der Wahl der Werkzeuge lässt sich in den stärker selbstreflexiv geprägten Traditionen der Geisteswissenschaften vielleicht einfacher thematisieren als in den "Strukturwissenschaften". Andererseits ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass mit der Übernahme von Forschungsmethodiken aus jenen "Strukturwissenschaften" auch Forschungspraxen und -paradigmen übernommen werden und die Geisteswissenschaften damit zunehmend unter Druck geraten, die eigenen Forschungspraxen denen der Natur- und Technikwissenschaften anzugleichen. Ein spannendes Feld voller Widersprüche.

Hans-Gert Gräbe, 01.06.2016


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