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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2016-05-10


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Open Culture, Open Access und Rechtsfragen in der bürgerlichen Gesellschaft.

Termin: 10. Mai 2016, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Open Culture, Open Access und Rechtsfragen in der bürgerlichen Gesellschaft.

Vortrag und Diskussion mit Philipp Horstmann und Nordewin Birke.

Ankündigung

Im Jahr 2010 musste die Harvard Library mehrere Abonnements von Fachzeitschriften und weitere Subskriptionen aus Budgetgründen kündigen. Dies ist eine Folge der immensen Preissteigerungen der Wissenschaftsverlage in den letzten Jahrzehnten. So sind die Preise von wissenschaftlichen Fachzeitschriften in den letzten Jahren doppelt so schnell angestiegen wie die Kosten der Gesundheitsversorgung. Jetzt sind wir schließlich an einem Punkt angekommen, an dem sich selbst die elitärsten und reichsten Universitäten der Welt Wissen nicht mehr leisten können.

Eine Antwort auf diese Misere soll Open Access sein. Doch was steckt hinter diesem Schlagwort? Was bedeutet diese Art der freien Publikation für Autoren, Verlage und Leser?

Neben der Beantwortung dieser Fragen werden wir ebenfalls ein Schwerpunkt auf den rechtlichen Rahmen von Open Access legen.

Nordewind Birke, Philipp Horstmann 03.05.2016

Anmerkungen

Matthias Käther (Käther, 2004) stellte schon 2004 fest:

Unsere Zeit bietet wie keine andere eine gewaltige Sammlung von Wissen in Textform dar. Die gesamte Geistesgeschichte der Menschheit wird auf CD-Roms, auf Internet-Seiten, in Antiquariaten und im Buchhandel dargeboten, alles ist gut vernetzt und so leicht zugänglich, daß es eine Schande wäre, dieses Material nicht wach und offenen Sinnes zu gebrauchen.

Um diese Ressourcen so nutzen zu können, müssen sie möglichst freizügig zugänglich sein. Dieses gesellschaftliche Bedürfnis steht im Konflikt mit dem Bedarf, ökonomische Aufwendungen, die zur Erstellung dieser Ressourcen erforderlich waren, angemessen zu vergüten. Dazu gehören - dies ist in der heutigen Zeit zunehmend wichtig - nicht nur die Aufwendungen für die Ressourcen selbst, sondern auch die für die Infrastruktur, in der diese Ressourcen entstehen. Das Urheberrecht kodifiziert diesen Abwägungstatbestand, indem es den Urhebern das Recht einräumt, ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte an den von ihnen erstellten Werken zu vergeben. So kann etwa einem großen Verlag das Recht zur ausschließlichen Verbreitung eines Werks eingeräumt werden. Erst nach Abschluss eines solchen Verlagsvertrags wird der Verlag eigene Aufwendungen starten, um das Werk etwa als gedrucktes Buch zu produzieren und so in Verkehr zu bringen, dass die Erlöse die Gesamtaufwendungen decken. Im digitalen Zeitalter werden solche Geschäftsmodelle zunehmend prekär, da digitale Werke leicht zu kopieren und digitale Kopierschutzmechanismen eine zweischneidige Angelegenheit sind.

Einem solchen Abwägungstatbestand trägt der Gesetzgeber durch Fristen- und Schrankenregelungen Rechnung, innerhalb derer diese Urheberrechte ausgeübt werden können, jenseits derer die Werke aber für gewisse Zwecke (etwa für die Lehre) oder auch allgemein frei genutzt werden können. In den letzten 200 Jahren wurden diese Fristen und Schranken immer weiter hinausgeschoben und damit die Balance zwischen freizügiger Zugänglichkeit und der Berücksichtigung ökonomischer Belange immer weiter zugunsten letzterer verschoben.

Unter dem Begriff Open Culture werden verschiedene Bewegungen zusammengefasst, die Gründe und Bedingungen für den freizügigeren Zugang zu den Wissensschätzen der Gesellschaft thematisieren, Strukturen entwickeln, in denen ein solcher freizügiger Zugang möglich ist, und damit die Perspektiven einer durchkommerzialisierten Wissenswelt aufbrechen. Die Motive, aus denen heraus dies geschieht, sind vielfältig; als Hauptmotiv tritt aber immer wieder das Verständnis Kreativer in Erscheinung, dass für eigene Arbeiten der freizügige Zugang zu bereits Vorhandenem in weiter verarbeitbarer Form grundlegende Voraussetzung ist, was durch eine enge Kopplung von Workflow und Cashflow massiv behindert wird. Dies gilt besonders im Bereich digitaler Kunst, wo Shuffle und Remix mit Blick auf die verfügbaren digitalen Werkzeuge (wieder) größere Bedeutung gewinnen.

Der freizügige Zugang zu bereits Bekanntem ist vor allem notwendige Voraussetzung der Funktionsfähigkeit von Wissenschaft (wenigstens im heutigen Verständnis). Im digitalen Zeitalter sind andere als die klassischen Wege der Zugänglichmachung über Druckerzeugnisse und Bibliotheken möglich. Offene Archive (etwa arXiv.org) existieren seit Anfang der 1990er Jahre. Die Entwicklung insbesondere der Zeitschriftenpreise zwingt dazu, auch die klassischen Verteilwege (und Geschäftsmodelle) zu überdenken. Wissenschaftliche Bibliotheken entwickeln sich vom Papiersilo zum (öffentlichen) Informationsdienstleister. In der Welt des klassischen Urheberrechtsverständnisses ist dabei ein umfassendes Lizenzmanagement aufzubauen, das mit der kleinteiligeren Zugänglichkeit zu digitalen Medien seitens der Verlage in den letzten Jahren auch immer kleinteilger geworden ist. Wesentliche Ressourcen fließen deshalb in die Weiterentwicklung dieser Lizenzmanagementsysteme.

Open Access ist eine Antwort auf dieses ausufernde Lizenzwesen. Wissenschaftliche Aufsätze und auch Daten sollen frei von Beschränkungen im Web zugänglich gemacht werden. Auf den Webseiten der Max-Planck-Gesellschaft heißt es dazu:

Open Access meint, dass wissenschaftliche Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind. Die Max-Planck-Gesellschaft ist Mitbegründerin der internationalen Open Access-Bewegung. Mit der Veröffentlichung der "Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen" vom 22. Oktober 2003 und den sich daran anschließenden jährlichen Konferenzen wurde ein Prozess eingeleitet, der weltweit das Bewusstsein für das Thema Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Informationen geschärft hat. ( Quelle)

Auf der "green road" geschieht dies durch die Wissenschaftler und deren Institutionen selbst, indem die Beiträge in lokalen Repositorien frei zur Verfügung gestellt werden. Da dies mit der Einräumung ausschließlicher Nutzungsrechte in Verlagsverträgen oft konfligiert, wird für diese Form der Veröffentlichung inzwischen ein "unabdingbares Zweitverwertungsrecht" gesetzlich festgeschrieben. Die "golden road" geht diesem Konflikt mit Open Access Zeitschriften aus dem Weg, in denen die Aufsätze im publizierten Original freizügig zugänglich sind. Diese Zeitschriften sind meist reine Online-Zeitschriften, d.h. die Verleger belasten sich nicht mehr mit teuren Printausgaben.

Gleichwohl sind auch Open Access Zeitschriften wie auch lokale Repositorien nicht zum Nulltarif zu haben. Lokale Repositorien, etwa an Universitäten, werden aus öffentlichen Mitteln, oft über die wissenschaftlichen Bibliotheken, finanziert. Ein größeres Gemeinschaftsprojekt der vier großen sächsischen Wissenschaftsbibliotheken ist Qucosa, der sächsische Dokumenten- und Publikationsserver.

Qucosa dient der kostenfreien Publikation, dem Nachweis und der langfristigen Archivierung von Dokumenten aus Wissenschaft und Wirtschaft.

heißt es auf der Einstiegsseite. Open Access Zeitschriften sind privatwirtschaftliche Aktivitäten, oft von Einzelpersonen oder speziellen Fachgesellschaften ins Leben gerufen, und müssen nach entsprechenden Finanzierungen suchen. Wenn die Leser nicht mehr bezahlen, dann kann nur der Autor belastet werden. Entsprechend finanzieren sich Open Access Zeitschriften über Autorenbeiträge, die ihrerseits heute in Forschungsprojekten oft mit "eingepreist" sind. Auf die damit entstehende Struktur eines neuen "digital divide" in all ihren Facetten soll hier wenigstens hingewiesen werden. Open Culture erweist sich praktisch nicht als Ausstieg aus einer kapitalistischen Gesellschaft, sondern als deren Umbau. Alte Geschäftsmodelle verlieren an Bedeutung, neue kommen hinzu. So hat Springer als einer der ganz großen kommerziellen Wissenschaftsverlage inzwischen nicht nur eine ausgefeilte Struktur der digitalen Zugänglichkeit zu den publizierten Werken aufgebaut, sondern mit Springer Open Access auch den kompletten Einstieg in die Open Access Welt bewältigt.

Links:

Hans-Gert Gräbe, 4.1.2017


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