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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2015-12-08


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Von Mustern zur künstlichen Intelligenz

Termin: 8. Dezember 2015, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-12

Thema: Von Mustern zur künstlichen Intelligenz. Selbstorganisation und Prozesse der Struktur- und Musterbildung.

Vortrag und Diskussion mit Jacob Wagner.

Ankündigung

Muster, Strukturen und selbstorganisierende Systeme durchziehen den gesamten Kosmos. Angefangen bei Mustern und Strukturen möchte ich über die Erklärung der Selbstorganisation von Systemen auf eine Definition von Intelligenz kommen, und hieraus schlussendlich zu der Frage nach künstlicher Intelligenz. Selbstorganisation beschreibt die unabhängige, eigenständige Bildung von Elementen zu einem System mit einer höheren strukturellen Ordnung. Diese Systeme weisen emergente Eigenschaften auf, also Eigenschaften, welche sich durch die einzelnen Elemente allein nicht beschreiben lassen, sondern nur durch ihr Zusammenspiel. Dabei spielt der Begriff der Komplexität eine entscheidende Rolle, mit dem versucht wird ein Maß anzugeben für eben diese höhere strukturelle Ordnung. Dem folgt die Betrachtung des Übergangs von einem chaotischen Zustand zu einem Zustand der Ordnung. Streiten lässt sich darüber, ab welchem Punkt ein System als intelligent eingestuft werden kann, was Intelligenz überhaupt ist und demzufolge, ob und wie künstliche Intelligenz möglich ist.

Jacob Wagner, 1.12.2015

Anmerkungen

Musterbildung in dynamischen Prozessen jenseits von klassischen Gleichgewichtskonzepten sind seit wenigstens den 1950er Jahren mit den Ansätzen einer aufstrebenden Kybernetik auch Gegenstand quantitativer Untersuchungen und Modelle. Entsprechende mathematische Theorien dynamischer Systeme haben sich seit jener Zeit stürmisch entwickelt und mit neuen Konzepten wie deterministisches Chaos, seltsame Attraktoren, Fuzzykonzepten oder der Bifurkationstheorie neue phänomenologische Einsichten über den Unterschied in der Komplexität von Beschreibungs- und Ablaufstrukturen gebracht. Viele dieser Phänomene haben kooperativen Charakter in hochdimensionalen Phasenräumen von Viel-Komponentensystemen und sind erst nach angemessener Komplexitätsreduktion einer mathematischen Beschreibung überhaupt zugänglich. In der Systemtheorie der "Hyperzykler" wird hierzu mit den Konzepten von Makro- und Mikroevolution gearbeitet, mit denen Phänomene der Komplexitätsreduktion auf verschiedenen zeitlichen Skalen zueinander relatiert werden.

Diese Einsichten in theoretische Zusammenhänge werfen ein neues Licht auf "natürliche" Musterbildungsprozesse, die bis dahin allein einer phänomenologisch-spekulativen Interpretation zugänglich waren. Der Vortrag beginnt mit einem solchen zunächst phänomenologischen Zugang zu "Mustern als gleichbleibender Struktur mit Wiederholungen und Symmetrie". Eine solche Beschreibung setzt das beschreibende Subjekt und dessen Fähigkeit zur Mustererkennung bereits voraus und zeigt die Schwierigkeit einer angemessenen Begriffsbildung Mustererkennung, was als Ausgangspunkt eines Reflexionsprozesses hier allerdings hingenommen werden kann, um nach Beziehungen zwischen derart phänomenologischen und anderen Beschreibungsformen zu suchen. In der Theorie der dynamischen Systeme sind dies zum Beispiel die Konzepte der Symmetriebrechung oder der dissipativen Strukturen, in denen sich komplexe dynamische Strukturen bei niedrigen Energieniveaus oder hohen Energiedichten "organisieren" in dem Sinne, dass sich die beobachteten Muster in jener Theorie als energetisch günstiger und damit als strukturell stabiler erweisen als homogene oder symmetrische Verteilungen.

Damit rückt das Konzept des Metabolismus als grundlegende Voraussetzung von Strukturbildungsprozessen im biologischen Kontext in die Reichweite mathematischer Beschreibbarkeit und zunächst phänomenologische Beschreibungskonzepte wie "gemeinsame höhere Ordnung durch Selbstorganisation" oder "Emergenz als kooperatives Phänomen des Ganzen, das mehr ist als die Summe seiner Teile" lassen sich mit allgemeineren Phänomenen einer mathematischen Beschreibung dynamischer Systeme korrelieren und werden damit logisch-induktiven Ansätzen einer "wirklich" wissenschaftlichen Beschreibung zugänglich. Dass hierbei ein spezifischer Begriff von Wissenschaftlichkeit aufgerufen wird, mag in Parenthese erwähnt werden, allerdings ist genau dies das Konzept einer rational-wissenschaftlichen Argumentation, welche den Rahmen rein phänomenologisch-struktureller Beschreibung überschreitet.

Qualitativ-phänomenologische Konzepte wie die im Vortrag entwickelten Begriffe Selbstreferentialität, Pfadabhängigkeit und Indeterminiertheit finden dabei ihre mathematischen Gegenstücke und werden damit auch quantitativen Beschreibungen zugänglich. Überraschende Einsichten, warum einfache quantitative Beschreibungsstrukturen (Regeln) zu sehr komplexen Ablaufstrukturen (Chaos) führen können, ergeben sich allerdings erst aus den mathematischen Modellbildungen der Theorie dynamischer Systeme und können erst auf dieser Ebene zu wissenschaftlich fundiertem Verfahrenswissen verdichtet werden.

Die These des Vortragenden, dass "Verhalten von (derartigen) Systemen nicht berechnet" und "emergente Eigenschaften nicht begründet" werden könnten, geht einerseits von einem wissenschaftspessimistischen Grundkonzept und andererseits von überzogenen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit der neuen mathematischen Beschreibungsmittel aus, die sich bereits in der Grundlegung einer Theorie der dynamischen Systeme dahingehend auflöst, dass jene Theorie die Grenzen ihrer eigenen Beschreibungsmöglichkeiten mit genau den Argumenten markiert, die hier ins Feld geführt werden, allerdings "nur" mit dem Anspruch, die Grenzen einer konkreten Theorie zu markieren.

Die Leistungsfähigkeit der Beschreibungsansätze von Musterbildungsprozessen in dieser Theorie dynamischer Systeme bewegt sich innerhalb der von der Theorie selbst markierten Grenzen und hat in den letzten 50 Jahren in jenen Grenzen eine Fülle von konzeptuellen Ansätzen entwickelt, mit denen sich Musterbildungsprozesse heute wesentlich genauer verstehen lassen als vor der "Erfindung" jenes theoretischen Ansatzes.

Hans-Gert Gräbe, 03.06.2016


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