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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2015-11-10


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Software als Institution und ihre Gestaltbarkeit

Termin: 10. November 2015, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-12

Thema: Software als Institution und ihre Gestaltbarkeit.

Vortrag und Diskussion mit Felix Albroscheit und Falk Müller.

Ankündigung

Zu den Institutionen zählen so unterschiedliche Dinge wie Märkte, Gesetze, Bräuche, Zahlungsmittel oder Standardverträge. Der Duden definiert Institutionen als eine "bestimmten stabilen Mustern folgende Form menschlichen Zusammenslebens".

Software greift regelnd, beschränkend und beeinflussend in unser Handeln ein und kann als Institution betrachtet werden. Was hierbei die Besonderheiten von Software-Institutionen sind, ob und wie gezielte Steuerung möglich und wie dies zu legitimieren ist, werden Themen des Vortrages sein. Unter anderem wird auch auf DRM und Community-Software eingegangen.

Felix Albroscheit, Falk Müller, 3.11.2015

Anmerkungen

Die Verbindung der beiden Begriffe "Software" und "Institution" erwies sich nicht unerwartet als schwierig, da im Zusammentreffen einer technischen und eher soziologischen Sichtweise nicht nur Verständigungsschwierigkeiten auf rein begrifflicher Ebene zu erwarten waren, sondern sich auch zwei Wissenschaftskulturen begegnen.

Am Anfang stand eine längere Explikation des Begriffs "Institution", von dem im Weiteren vor allem auf ein Verständnis "als soziale Spielregeln, die begrenzend wirken," zurückgegriffen wurde. Eine derartige Sicht auf das Leben als Spiel, in dem unabhängige, rational agierende Akteure längs solcher vorgegebener Spielregeln sich so verhalten, dass gewisse Nutzenfunktionale maximiert werden, ist eine weit verbreitete Betrachtungsweise bürgerlicher Verhältnisse und damit selbst Institution. Der Bezug auf die "neue Institutionenökonomik" und deren Transaktionskostenkonzepte im Vortrag verstärkte dieses Moment noch.

Institutionen sind allerdings mehr als Regelsysteme. Der formative Aspekt und damit Fragen einer gesellschaftlichen Durchsetzungsfähigkeit wurden allenfalls vorsichtig in der Unterscheidung zwischen "formellen" und "informellen" Institutionen als grobe Klassifizierung aufgenommen. Hier wäre neben der Reproduktion machtförmiger gesellschaftlicher Strukturen durch Institutionalisierung auch interessant gewesen, den Bogen zum Begriff "Fiktion" zu schlagen, der in der Vorlesung als "gesellschaftlich gestützter, garantierter und aufrecht erhaltener Konsens einer verkürzenden Sprechweise über eine gesellschaftliche Normalität" gefasst wurde.

Diese Defizite hatten ihre Auswirkung auf den zweiten Teil des Vortrags, in dem "Software als Institution" genauer gefasst werden sollte. Der Softwarebegriff blieb dabei vage und undifferenziert vielschichtig – die Perspektiven Software als Werkzeug, Software als automatisiertes Regelsystem und Gestaltung des Software-Entwicklungsprozesses wechselten sich ab, wesentliche Wirkebenen wie die Unterscheidung zwischen Software und Softwareinstanzen, die Entwicklung von Software durch für den jeweiligen Anwendungskontext externe Dritte oder die dabei übliche Unterscheidung zwischen Spezifikation/Anforderungsanalyse einerseits und Implementieren/Ausrollen von Software andererseits wurden nicht weiter thematisiert.

Dabei ist das Implementieren von Regeln ein zentrales Moment von Institutionalisierung als Prozess, der durch konstruktive Vorgaben wie den verpflichtenden Einsatz von Konzepten, Techniken oder Werkzeugen auch jenseits des Software-Einsatzes in technikdurchdrungenen Anwendungskontexten eigene Spezifika entwickelt. Macht als Definitionsmacht über die Einführung technologischer Neuerungen spielt auf genau dieser Klaviatur. Welche neuen Perspektiven ergeben sich an dieser Stelle beim Einsatz von Software? Hier wäre (Lessig 1999) eine wichtige Referenz gewesen.

Ein ähnlich spannender, aber vollkommen disparater Punkt ist die Frage von Institutionalisierungsprozessen im Kontext von Software-Entwicklung selbst, wo neben der umfangreichen Frage nach der Institutionalisierung von Vorgehensweisen im Bereich von Open Source und Open Culture auch Institutionalisierungen in Form von Software-Architekturen oder – umfassender – von Frameworks stattfinden, in denen sich technische Bedingtheiten, technische Lösungen und soziale Prozesse treffen.

Im Selbstverständnis der Open Source Szene wird hierbei viel von Selbst in verschiedenen Zusammensetzungen wie Selbstentfaltung, Selbstverwirklichung, Selbstbestimmtheit usw. gesprochen. In welchem Umfang derartige "Selbst"-Prozesse kompatibel zu kapitalistischen Produktionsprozessen im Softwarebereich sind, zeigt die Erfolgsgeschichte agiler Entwicklungsmodelle wie z.B. Scrum. Der Ansatz Open Culture nimmt die Überlegungen aus den Selbstverständigungsprozessen der Open Source Szene auf, dass diese "Selbst"-Prozesse weiter reichende Potenziale insbesondere kultureller Bedeutung haben und Innerlichkeit – insbesondere auch in der Formung kooperativer Subjekte wie Software-Entwicklungsteams – kooperative Dynamiken triggert, die etwa in einem Transaktionskostenansatz vollkommen ausgeblendet bleiben.

Herr Kleemann betonte, dass die Institutionenforschung in Deutschland, besonders in der Fokussierung auf Personengruppen, eine lange Tradition habe. Zu erinnern sei hier etwa an die Kontroverse zwischen Habermas und Luhmann (Habermas/Luhmann 1971) Anfang der 1970er Jahre über Begriffe wie Gemeinschaft und Gesellschaft. Die zentrale Frage dabei war die nach einem Institutionenbegriff, der sich weder auf Regeln noch auf Community reduzieren lässt.

Das komplexe Wechselverhältnis zwischen beiden wird durch Technikeinsatz stark beeinflusst – die Durchsetzung neuer Technologielevel wie der "digitale Wandel" (was das auch immer sei) stoßen die Türen zu neuen Gestaltungsräumen auf, verfestigen aber zugleich vorhandene Regelsysteme und Institutionen, wenigstens in dem Maße, in dem diese alten Institutionen Voraussetzung für das Funktionieren des neuen Technologielevels sind. Gleichzeitig ist im Prozess eines solchen Wandels eine massive Verkürzung dieser alten Institutionen zu beobachten; (Bloch 1956) spricht hier vom "Verlust im Vorwärtsschreiten".

Software als Werkzeug und Technologielevel macht hier keine Ausnahme, allerdings lassen sich die komplexen Institutionalisierungsprozesse des digitalen Wandels kaum auf die Frage "Software als Institution" reduzieren, da rezente Institutionalisierungsprozesse kooperativen Handelns gerade Software als Werkzeug nutzen und damit bereits ein neues Technologielevel adressieren.

  • Ernst Bloch (1956): Differenzierung im Begriff Fortschritt. In: Sitzungsberichte der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
  • Habermas/Luhmann (1971): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie: Was leistet die Systemforschung?. Suhrkamp 1990.
  • Lawrence Lessig (1999): Code and other laws of cyberspace. 2. Auflage als "Code v.2" (2005)
Hans-Gert Gräbe, 01.12.2015


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