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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2015-10-20


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Schöne neue Leonardowelt

Termin: 20.10.2015, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-12

Diskussion der Thesen von Jürgen Mittelstraß

Ankündigung

Mit seinen Thesen hat Jürgen Mittelstraß 2011 eine intensive Diskussion über Licht und Schatten einer hoch-technisierten Welt ausgelöst. In der Entfaltung konkreter Menschen als soziale Wesen spielt das Eindringen in den Kosmos des Wissens und insbesondere die Beherrschung von Technik(en) heute eine zentrale Rolle. Mittelstraß thematisiert vor allem die Ambivalenzen solcher Möglichkeitsräume als Spannungsfeld zwischen Technikpessimismus und Technikeuphorie, das jede neue Generation von Menschen erneut ausloten und für sich neu gewinnen muss. Das Pendel bewegt sich dabei regelmäßig zwischen diesen beiden Polen hin und her. Der Aufsatz von Jürgen Mittelstraß thematisiert diese Frage auf dem Hintergrund der technologischen Entwicklungen der heutigen Zeit in der Form von drei kommentierten Thesen:

  • These 1: Die moderne Welt ist das Produkt des wissenschaftlichen und des technischen Verstandes. Ihre artifiziellen Strukturen nehmen zu, ihre natürlichen Strukturen nehmen ab. Sie ist eine Leonardo-Welt, die auf die Leistungsfähigkeit von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung angewiesen ist und bleibt.
  • These 2: Eine über den Tagesbedarf und das berufliche Kerngeschäft hinausreichende Bildung war noch nie so unentbehrlich wie in einer Gesellschaft, die sich nicht nur als offene, sondern auch als beschleunigte Gesellschaft versteht und zu deren Credo permanente Innovation, schrankenlose Mobilität und chamäleongleiche Flexibilität gehören. Ohne Bildungselemente geht eine offene Gesellschaft an ihrer eigenen Wandelbarkeit zugrunde.
  • These 3: In einer Internetgesellschaft herrschen absolute Gegenwart und organisierte Gleichzeitigkeit; das Ferne und das Fremde lösen sich im Gegenwärtigen auf – um den Preis der Erfahrung und des Privaten.
werden dort näher begründet.

Im Seminar wollen wir die Argumente von Mittelstraß aufnehmen und uns auf diese Weise dem Thema des Seminars in einer ersten Diskussion nähern.

Literatur:

Hans-Gert Gräbe, 08.10.2015

Anmerkungen

In These 3 diagnostiziert Mittelstraß eine Gesellschaft, in der "absolute Gegenwart und organisierte Gleichzeitigkeit" herrschten – "um den Preis der Erfahrung". Erfahrung aber ist etwas dem ICH-Kern Äußerliches, das nur über Zeithorizonte hinweg und erst durch aktive intellektuelle Anstrengung jenem ICH-Kern zugänglich wird.

Es scheint, dass jene Thesen eines alten Mannes, im Jahre 2011 mit erhobenem Zeigefinger vorgebracht, vier Jahre später deutlich weniger Diskussionen provozieren als noch in vorangegangenen Diskussionen am 02.11.2011 und Seminaren am 15.01.2013, am 05.11.2013, am 03.12.2013 und am 14.01.2014. Ist dies bereits Beleg der Mittelstraß-These von der Ahistorizität unserer Zeit, in der "eine über den Tagesbedarf ... hinausreichende Bildung noch nie so unentbehrlich" war wie heute?

Neu gegenüber früheren Annäherungsversuchen an die Thesen war vor allem Kleemanns Versuch der Einordnung der Mittelstraßschen Argumentation in den Kontext allgemeiner ideengeschichtlicher Entwicklungen des 20. Jahrhunderts mit ihren mehrfach fehlgeschlagenen Versuchen, Philosophie auf der Höhe des erreichten Stands der Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik neu zu begründen. Teil dieser Versuche ist der Ansatz von Mittelstraß, dem "Verfahrenswissen" von Naturwissenschaft und Technik ("Science" im angelsächsischen Sprachraum) ein "Orientierungswissen" entgegenzuhalten, das jener "Science" ohne die Vermittlung der "Humanities" nicht ausreichend zugänglich sei. Diese Überhebung der "Humanities", deren Wurzeln bis zum Schisma der alten Philosophischen Fakultät der universitas litterarum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückverfolgt werden kann, ist in Zeiten von "Digital Humanities" und der unmittelbaren Konfrontation von divergenten Wissenschaftsverständnissen und Fächerkulturen anachronistischer denn je.

Literatur:

Hans-Gert Gräbe, 21.10.2015


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