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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2014-11-11


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Open Design

Termin: 11. November 2014, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-12

Thema: Open Design. Vortrag und Diskussion mit Philipp Herzog.

Ankündigung

In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche Aktivitäten organisiert, die darauf beruhen, zu bestimmten Themen Wissen zu teilen und so Mehrwerte zu schaffen. Diese Open-Initiativen stellen eine Alternative zu rigoros strukturierten Organisationen dar und unterscheiden sich von der Industrie durch neue Produktentwicklungs- und Geschäftsmodelle. Zentrale Prinzipien entstammen der Open-Source Bewegung, wobei Softwarequelltexte offengelegt werden, sodass jeder ohne das Korsett hierarchischer Strukturen an der Entwicklung zur Verbesserung der Software teilnehmen kann.

In diesem Seminar beschäftigen wir uns speziell mit dem Phänomen des Open Design. Hierbei wurden die Open-Source-Konzepte für die Entwicklung und Herstellung von physischen Produkten angepasst. Die Verbreitung von frei zugänglichen Konstruktionsplänen über das Internet und die Vielfalt der Produktionsmethoden ermöglicht es jedem interessiertem Hobbybastler, am Designprozess eines Produktes teilzunehmen, es individuellen Bedürfnissen anzupassen und schließlich selbst zu produzieren.

Es wird der Frage nachgegangen, welche Potentiale die Öffnung des Wertschöpfungsprozesses für den gemeinen Bürger birgt, aber auch welche Probleme auftreten können. Daraus resultieren Überlegungen, ob ökonomische Strukturen Methoden und Prozesse dieser Bewegung adaptieren oder ob Open Design nur eine Randerscheinung bleibt.

Philipp Herzog, 28.10.2014

Anmerkungen

Krieg - Jürgen Geuter: Der Friedenspreis als Kriegserklärung zur Verleihung des Friedenspreises des Buchhandels an Jaron Lanier, Spiegel Online 6.6.2014 - ist heute stets mit intensiver ideologischen Bearbeitung der "Zivilisten" ( C. Spehr: Die Aliens sind unter uns) verbunden. Dieser Krieg - um die Bedingungen der Nutzung der Wissensressourcen der Menschheit - ist allerdings nicht erst mit jener Verleihung des Friedenspreises erklärt, sondern seit wenigstens Mitte der 1950er Jahre straff und als Weltkrieg (!) im Gange. Das wird in der Vorlesung und weiteren Seminaren noch genauer auszuleuchten sein.

Ein Vortrag zu Open Design steht heute immer in der Gefahr, in diesen ideologischen Nebelschwaden den in den jeweiligen "Wirklichkeitskonstruktionen" gewünschten Frontverlauf mit dem realen zu verwechseln. Der ideologisch markierte (also nicht unbedingt reale) Frontverlauf bewegt sich zwischen der Hoffnung, in Open Design ein Element einer über den Kapitalismus hinausweisenden Produktionsweise gefunden zu haben, und der Skepsis, dass auch damit "die Armen nur ärmer und die Reichen nur reicher" würden. Spannend zunächst in der Diskussion, dass allein der skeptische Pol intensiver vorgetragen wurde, antikapitalistische Visionen aber kaum eine Rolle spielten.

Das mag damit zusammenhängen, dass Open Design und die damit verbundenen Visionen in den letzten fünf Jahren bereits deutlich praktisch reale Gestalt anzunehmen beginnen und in diesem praktischen Handeln in einer kapitalistischen Gesellschaft alle für eine solche Gesellschaft prägenden strukturellen Zwänge auf dieses Handeln wirken. Die Analyse des Phänomens "Open Design" (und dies ist der akademische Anspruch eines Seminars) muss sich also auf die (kritische) Analyse der Bewegungsformen eines technologischen Umbruchs innerhalb dieser Rahmen richten. Dies ist schwierig, wenn man sich, wie der Referent, dem Thema erstmals nähert.

Mit der von Ronen Kadushin (siehe die Folien) übernommenen Eingrenzung von Open Design als

(1) An Open Design is CAD information published online under a Creative Commons license to be downloaded, produced, copied and modified and
(2) An Open Design product is produced directly from file by CNC machines without special tooling

grenzt der Referent den Begriff längs derartiger ideologischer Linien ein, die suggerieren, dass hier die Zwänge einer kapitalistisch organisierten Industriegesellschaft abgestreift werden könnten. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das Bild des "Reprap", eines 3D-Druckers, der in der Lage ist, "sich selbst zu reproduzieren", also hier die Möglichkeit näher rückt, die eigenen "Wirklichkeitskonstruktionen" unkonditioniert in die reale Welt zu übertragen (und sei es ein "Hack chair"). Eine solche Materialisierung von Ideen durch "Schöpfung aus dem Nichts" (den Gedanken konsequent zu Ende gedacht) war bisher allein einem mythischen Wesen vergönnt ...

Ein solches Herangehen verbindet die beiden Aspekte (1) und (2) zu einem unauflösbaren Ganzen, das besser getrennt zu analysieren ist: (1) - der Umgang mit den Bauplänen und (2) - die infrastrukturellen Voraussetzungen zur Materialisierung derartiger Pläne.

Diese Engführung des Begriffs wurde in der Diskussion stark relativiert und "maschinenlesbare Baupläne" (also CAD) als zentrale technologische Entwicklung der modernen Industriegesellschaft identifiziert, die nun als Werkzeug (Maschinen, die maschinenlesbare Beschreibungen "lesen" können) eine Einfachheit erreicht hat, dass sie - als Randphänomen - sogar im Home-Bereich zum Einsatz kommen kann. Es ist möglich, eigenes Design (Open oder auch nicht) zügig in eine Form zu bringen, die entweder direkt maschinenlesbar "materialisiert" (OpenCAD) oder aber mit diesem Ziel an darauf spezialisierte kleine Startups weitergegeben werden kann. Diese neuen Möglichkeiten treffen auf eine seit vielen Jahrzehnten existierende Szene von Hobby- und Freizeitaktivitäten, in denen diese Werkzeuge dankbar aufgegriffen werden. Die Vielzahl von Messen ("Modell, Hobby, Spiel", "Haus, Garten, Freizeit" und wie sie sonst noch heißen) zeigt, dass hier eine zahlungskräftige Nachfrage existiert, jene Technologien also in dieser kapitalistischen Gesellschaft angekommen sind. Derartige Möglichkeiten mit ihren vielfältigen Facetten prägten die Diskussion. Es ging also um Punkt (2) und die Zurückweisung der Engführung dieses Punktes allein auf CNC-Maschinen ("without special tools" - eine contradictio in adjecto). Über Punkt (1) - was bedeutet "Open" in diesem Kontext - wurde nicht diskutiert.

Schaut man genauer hin, so erkennt man, dass es sich bei diesen technologischen Entwicklungen um eine Fortsetzung der Entwicklungen der Computerindustrie handelt, die in den 1960er Jahren begann und heute bei "smarten Dingen" angelangt ist, also der Option, an allen möglichen und unmöglichen Stellen kostengünstig herstellbare Kleinstcomputer (Cyber-physical systems) einzubauen. Eine technologische Entwicklung der 1960er Jahre hat die Phase des "Durchmarschs in den Alltag" erreicht, wie von (Naetar 2005) als Entwicklungszyklus für jede Technologie postuliert. Mit dem Internet-Zeitalter, also dem von uns näher betrachteten "digitalen Wandel" hat das möglicherweise wenig zu tun.

Bleibt noch diese These zu diskutieren:

Das gesamte Koordinatensystem der Wertschöpfung wird sich verschieben – soviel ist sicher. Was früher exklusiver Kontent, die einzigartige Technik oder der besondere Prozess war, ist nun einer extensiven Kopier-Kultur gewichen, die verändert, optimiert, adaptiert. - Birgit S. Bauer, 2011

Folgt man der "Commodifizierungs"-These von Franz Naetar (Naetar 2005) so ist eine "Verschiebung des gesamten Koordinatensystems der Wertschöpfung" in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft keine Ausnahmeerscheinung, sondern wir sind mit einer permanenten "Entwertung" von technologischem Wissen (also Verfahrenswissen im Sinne der zweiten Definition von Technik in der Vorlesung) konfrontiert, und eine solche Entwertung schreitet in dem Maße voran, in welchem solches Wissen "die Massen ergreift", allgegenwärtig und damit so weit "trivialisiert" wird, dass letztlich sogar ein "dummer Computer" in der Lage ist, entsprechende sprachliche Anweisungen ("maschinenlesbare Baupläne") auszuführen.

Ökonomie-theoretische Kapitalismusmodelle als statische oder sich in der Nähe eines (postulierten) "stabilen Gleichgewichts" bewegende Systeme - dieses harte Paradigma aller wichtigen rezenten ökonomie-theoretischen Vorstellungen sowohl des Mainstreams als auch anerkannter linker Makroökonomen - haben also mindestens in technologischen Umbruchzeiten wenig mit der Realität zu tun.

Ich widerspreche allerdings der These von Herrn Kleemann, dass dies auch für die Modellierung mikro-ökonomischer Prozesse gilt. Jegliches unternehmerische Handeln ist auf der Ebene einer Wertrechnung damit konfrontiert, Kapital für die Einrichtung einer Infrastruktur vorzuschießen, das sich durch die Gewinne aus den Returns der operativen Geschäfte refinanzieren muss, welche in dieser Infrastruktur ausgeführt werden.

Dieses enge Zusammenspiel von investiver und operativer Rechnung ist jedem Unternehmer geläufig und (wertmäßiger) Kern unternehmerischen Engagements. Die modellmäßigen Momente eines solchen Engagements sind nicht nur theoretisch gut verstanden, sondern durch vielfältige rechtliche Vorgaben zur Art der Buchführung und Steuerprüfung auch praktisch befestigt. Gleichwohl bleibt bei der Implementierung entsprechender Instanzen eines solchen Geschäftsmodell-Rahmens, die Prozess-Dimension praktischer Abwicklung solcher Aktivitäten, ein "unternehmerisches Risiko", dass die Pläne wenig mit der sich entwickelnden Realität zu tun haben werden. Ein solches "unternehmerisches Risiko" ist in den Strukturen einer kapitalistischen Gesellschaft konsequent mit dem persönlichen Schicksal der einzelnen Unternehmer ("Goldesel oder Pleite") verbunden. Mechanismen der "Sozialisierung von Verlusten" sprechen nicht gegen diese Grundkonstruktion kapitalistischer Gesellschaftsorganisation.

In diesem Rahmen, auch das wurde in der Diskussion deutlich, bewegen sich heute Startups, die technologische Verfügbarkeit für "Open Design" im Home-Markt praktisch organisieren. Spannend hier allein kooperative Ansätze einer gemeinsamen Bewirtschaftung von Infrastruktur wie etwa im Fablab Leipzig. Mit Blick auf Maschinenringe und ähnliche kooperative Strukturen der gemeinschaftlichen Bewirtschaftung von Infrastrukturen ist allerdings auch das nicht neu.

Literatur:

  • Franz Naetar: "Commodification", Wertgesetz und immaterielle Arbeit. Grundrisse, Heft 14 (2005) 6-19.
Hans-Gert Gräbe, 12.11.2014


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