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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2014-06-17


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Netzneutralität

Termin: 17. Juni 2014 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Die Debatte um Netzneutralität - technische und politische Aspekte

Mit einem Einstiegsbeitrag von Marlen Bachmann und Kay Vollers.

Ankündigung

Die Debatte um Netzneutralität läuft seit Jahren und wird durch politische Entscheidungen, wie in den USA im Mai 2014, immer wieder angeheizt. Unter Netzneutralität wird dabei die Gleichbehandlung von IP-Paketen verstanden, die zu einer Gleichbehandlung aller Internetseiten notwendig ist. Der Vortrag zeigt auf technischer und politischer Ebene, was Netzneutralität überhaupt ist und welche Argumente im öffentlichen Diskurs angeführt werden.

Der erste Abschnitt behandelt die technischen Aspekte der Netzneutralität. Es wird in das Thema eingeführt, indem die Grundstruktur des Internets und wichtige Begriffe wie IP-Paket erklärt werden. Diese Basis ist notwendig, um das Problem Netzneutralität überhaupt fassen zu können. Im Anschluss wird auf verschiedene Möglichkeiten eingegangen, die es gibt, um die Netzneutralität einzuschränken. Dabei wird vor allem eine Bevorzugung durch Deep Packet Inspection (DPI) und das der Einflussnahme zugrunde gelegte Argument des Quality of Service (QoS), eingeführt.

Nachdem der Begriff der Netzneutralität hergeleitet und erklärt wurde, beschäftigt sich der zweite Abschnitt des Vortrags konkret mit der Debatte. Dabei wird gemäß einer argumentationsgeleiteten Definitionsdarstellung vorgegangen. Zunächst werden ausgewählte Argumente, die für eine Einschränkung der Netzneutralität sprechen, vorgestellt. Jedes dieser Argumente wird mit einer Definition des Begriffs Netzneutralität verbunden. Dies soll die Uneinigkeit in der Debatte aufzuzeigen, die bereits an der Begriffsbestimmung erkennbar ist. Die gleiche Verknüpfung von Argumenten mit Definitionen wird auch bei Argumenten, die für eine uneingeschränkte Netzneutralität plädieren, vorgenommen. Konkretisiert wird dieser Teil mit ausgewählten Beispielen.

Den Abschluss des Vortrags bildet eine Diskussion, die die Grundfrage der Debatte zum Thema hat: Netzneutralität Ja oder Nein? Mit Hilfe des theoretischen Unterbaus und der Darstellung der Argumente ist es möglich, eine eigene Position zu formulieren, sodass die Debatte im gemeinsamen Diskurs durchdacht werden kann.

Marlen Bachmann, Kay Vollers, 07.06.2014

Anmerkungen

Im ersten Teil des Vortrags wurde die technische Grundlage der Fragestellung zunächst expliziert, indem die verschiedenen Dienste und deren Betreiber benannt wurden, die zur Herstellung von heute weitgehend wie "Strom aus der Steckdose" verfügbarer Konnektivität erforderlich sind. Wie beim Strom sind hier verschiedene Übertragungsebenen zu unterscheiden

  1. die Betreiber des großen globalen Backbones (Ü-Netze), über den der Massentransport von in Signalen codierter Information erfolgt,
  2. die Betreiber der Verteilnetze, die Peering- und Transitverträge schließen und bedienen, über die Rechner mit dieser globalen Infrastruktur verbunden werden,
  3. die Host-Provider, in deren Verantwortung Registrierung und Betrieb von Domänen liegt und deren Zuordnung zu Rechnern, auf denen die zu übertragenden Daten zu finden sind,
  4. die Access-Provider, die Nutzern Netzzugänge bereitstellen und
  5. die Content-Provider selbst, die als Nutzer interessante Information in digitaler Form vorhalten.
Bandbreite war und ist eine knappe Ressource, auch wenn sich diese durch technologische Entwicklungen der letzten Jahren explosionsartig vermehrt hat, so dass als Direktive nur gelten kann, dass allen Nutzern ein fairer Anteil an Bandbreite zu sichern ist, wobei prioritäre Szenarien - wie die Feuerwehr im Straßenverkehr - nicht ausgeschlossen werden können.

Beim Thema "Netzneutralität" geht es also nicht um ein "natürliches" Recht, sondern um ein ordnungsrechtlich zu kodierendes Prinzip des Umgangs miteinander. Das wesentliche Argument für eine solche gesetzgeberische Aktivität entspringt denselben verfassungsrechtlichen Überlegungen, die auch zum Grundversorgungsprinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führten, wenn man diese auf das neue Medium Internet überträgt.

In der Diskussion kamen weitere Unterscheidungen auf den Tisch, insbesondere die Frage nach den technischen Erfordernissen synchroner und asynchroner Kommunikation. Während ein etwas späteres Eintreffen einer E-Mail kaum Probleme bereitet, wird zu geringe Bandbreite für synchrone Kommunikation per Streaming-Verfahren, ob nun bei der IP-Telefonie oder beim Schauen eines "video on demand", schnell problematisch.

Ein Vorschlag war, hier zwischen "traffic" und "content" zu unterscheiden und Traffic-Steuerung (vor allem nach den Kriterien synchron, asynchron) zuzulassen, nicht aber Content-Steuerung, da dies Zensur wäre. Eine andere Beobachtung: Ressourcenbetreiber sind mit Blick auf die verfügbaren Bandbreiten auch heute schon praktisch mit der Frage konfrontiert, Inhalte zu priorisieren. Dies erfolgt weitgehend intransparent, mit einem oft großen Spektrum zugeteilter Bandbreiten (je nach Tageszeit und Umfang des Datentransfers), die sich am eigenen Rechner mit entsprechenden Analysewerkzeugen problemlos beobachten lassen.

Bandbreitensteuerung ist also ein weit verbreitetes Phänomen und technisch kaum zu vermeiden, da mit der gewachsenen Bandbreitenverfügbarkeit der Bandbreitenhunger vieler Anwendungen ebenso gestiegen ist. Hier ist ein eigenartiger Rebound-Effekt am Werk, denn mit neuen Bandbreiten werden neue Kommunikationsszenarien möglich und setzen sich auch durch, die den Bandbreitenzuwachs im vollen Umfang wieder absorbieren und zu alter Knappheit auf höherem Niveau führen. Interessanterweise werden dabei kaum Diskussionen geführt, ob man neben den Datenhighways für die neuen Porsches auch "Fahrradspuren" für die vielen digitalen Fahrräder vorhalten solle.

Die weitere Diskussion konzentrierte sich vor allem auf die Frage, was von Content-Steuerung, also Netzzensur, zu halten sei, wie sie "Diktaturen", allen voran China, offen betreiben. Dies ist auch in demokratischeren Systemen wie etwa dem der bundesdeutschen fdGO durchaus Praxis, wenn es sich um "verwerfliche" Inhalte handelt, was das auch immer genau sei. Die Debatte um "Sperren oder Löschen" von kinderpornografischen Inhalten, die das digitale Jahr 2011 prägte, gibt hierfür ein gutes Beispiel ab. Unbestritten stecken hinter derartigen Entscheidungen ideologische Konstruktionen, zu denen hier im gesellschaftlichen Diskurs ein gewisser Konsens hergestellt wurde. Demokratie im Sinne der fdGO bedeutet eben nicht "freie Demokratie", sondern "wehrhafte Demokratie", was Contentbeschränkungen und Zensurmaßnahmen im Netz als gewisse Mittel der Wahl zur Herstellung einer "eingeschränkten Öffentlichkeit" einschließt.

Damit ergibt sich mannigfacher gesellschaftlicher Diskursbedarf nicht nur in unserem Seminar, sondern permanent über das Internet als Medium der Kommunikation - die Überwacher zu überwachen, entsprechende Entscheidungsverfahren transparent zu gestalten und auch Diskurse zu eigenen Praxen zu führen, etwa zur Frage der Datensparsamkeit im Datenverkehr als Kehrseite der Bandbreitenbewirtschaftung. Technik, auch Bandbreite im Internet, vereinfacht Aspekte des Lebens, ist Allmende, aber in keinem Fall ein "Springquell allen Reichtums" im Sinne einer Utopie vom Schlaraffenland, sondern bedarf kluger Bewirtschaftung durch uns alle.

Hans-Gert Gräbe, 17.07.2014


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