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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2014-06-10


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Virtuelle und reale Welten

Termin: 10. Juni 2014 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Virtuelle und reale Welten - Indentitätskonstruktion und Selbstdarstellung im digitalen Zeitalter

Mit Einstiegsbeiträgen von Pia Droldner und Sarah Seifert.

Ankündigung

Dieser Vortrag befasst sich mit zwei Ausprägungen der Verschmelzung von Realität und Virtualität. Aus geisteswissenschaftlicher Sicht widmet sich die Präsentation dem Schwerpunkt Selbstdarstellung und Identitätskonstruktion im Social Web. Die heutige Informations- und zunehmend mediatisierte Gesellschaft lässt Raum für neue Wege der Selbstdarstellung und Konstruktion von Identität. Dies birgt sowohl Risiken als auch Chancen für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen - Stichwort Medienkompetenz. Social Media bzw. Social Web spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es ergibt sich weiterhin die Frage, ob wir es heute mit einem neuen Typ von Öffentlichkeit zu tun haben, zudem soll geklärt werden, welche Auswirkungen dieser neue Typ von Öffentlichkeit auf die Privatsphäre hat.

Abschließend erfolgt ein Exkurs in die Perspektive der Recruiting Abteilungen von Unternehmen, der verdeutlichen soll, wie sehr sich Unternehmen in der mediatisierten Gesellschaft gezwungen sehen, ihr Unternehmen bestmöglich im Social Web zu präsentieren. Gerade hier zeigt sich, dass Generationen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, nicht nur zwischen virtueller Welt und Realität, sondern das Social Web bereits als einen eigenständigen Kulturraum betrachten.

Der zweite Teil der Präsentation betrachtet eine eher technische Ausprägung dieser Verschmelzung: 3D-Modelle von Produkten, die es noch gar nicht gibt, Informationen jederzeit und überall. Die Erweiterung der Realität durch digitale Techniken, bildgebende Verfahren und den Einsatz von GPS ist mittlerweile allgegenwärtig, nicht zuletzt durch die weite Verbreitung von Smartphones und ähnlichen Geräten. Das Spektrum der Erweiterung der Realität reicht dabei vom Modell des neuesten Fahrzeugs, das schon jetzt im Detail besichtigt werden kann, über "Running Games" in der realen Stadt bis hin zu Informationen für historische Orte, medizinischen aber auch militärischen Einsatz. Ziel dieses Teils des Vortrags ist es, einige typische Gebiete für "augmented reality" - erweiterte Realität - vorzustellen, Vor- und Nachteile zu beleuchten und in der anschließenden Diskussion Nutzen und Risiken zu erörtern.

Pia Droldner, Sarah Seifert, 03.06.2014

Anmerkungen

Die beiden Einstiegsbeiträge konnten unterschiedlicher kaum sein, so dass die Frage im Raum stand, wie beides zusammenzubringen sei. Erstaunlicherweise gelang dies in der Diskussion ohne große Probleme. Dazu weiter unten.

Im Beitrag von Pia Droldner ging es zunächst schwerpunktmäßig um Mediensozialisation und Persönlichkeitsbildung im Spannungsverhältnis von Selbstsozialisation und bewusst gestalteter Erziehung. Es wurde vom Sozialisationsbegriff Hurrelmanns ausgegangen, nach dem Sozialisation als Prozess der Entstehung und Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in Abhängigkeit von und in Auseinandersetzung mit den sozialen und den dinglich-materiellen Lebensbedingungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der historischen Entwicklung einer Gesellschaft existieren, zu fassen ist.

In einer stark durch Medientechniken geprägten Gesellschaft ist die Bedeutung der Medien und Medieninhalte ein wichtiger Aspekt einer solchen Persönlichkeitsentwicklung, wobei wir bereits im letzten Seminar festgestellt hatten, dass der Wandel hin zu einer Mediengesellschaft im 20. Jahrhundert, der vor allem durch die großen Broadcastmedien (Kino, Radio, Fernsehen) geprägt war, gegenwärtig durch stärker interaktive Medien selbst einem fundamentalen Wandel zu unterliegen scheint.

Dies wurde im Vortrag an Hand von Social Media im Sinne von Angeboten und Formen digital vernetzter Medien, deren Fokus das dezentrale online-basierte Bearbeiten und Veröffentlichen von Inhalten aller Art ist, genauer besprochen und dabei besonders die undeutlicher werdende Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit thematisiert. Dabei spielte der Begriff der eigenen persönlichen Öffentlichkeit eine wichtige Rolle, in dem sich das Dilemma zwischen Sichtbarkeit ("Nur wer etwas im Social Web von sich selbst mitteilt, wird sichtbar") und Privatsphäre ("keine Kontrolle über das potentielle Publikum") fokussieren lässt. Dieses Dilemma wurde sowohl aus der Perspektive von Unternehmen (Online-Recruiting) als auch von Privatpersonen diskutiert.

Während Unternehmen hier kaum Handlungsspielräume haben, um sich solchen "Megatrends" zu entziehen, wurde die Frage der "persönlichen Öffentlichkeit" kontrovers diskutiert. Parallelen zu vordigitalen Zeiten (Stammtische, Gerüchteküchen usw.) sind dabei ebenso zu beachten wie Unterschiede. Der größte Unterschied ergibt sich aus der Leichtgewichtigkeit, mit der im Internetzeitalter persistent publiziert werden kann. Auch wenn eine "wehrhafte Demokratie" (Bundesverfassungsgericht über die FDGO) auch im Internetzeitalter Mittel und Möglichkeiten findet, gegen verfassungsfeindliche Veröffentlichungen vorzugehen, so ist doch "persönliche Öffentlichkeit" stark vom "Veröffentlichen" geprägt, einer Form der Kommunikation, die früher mit Blick auf technische Hürden nur ausgewählten finanzstarken Playern offenstand und aus jenen Zeiten noch einen starken Broadcast-"Beigeschmack" - mehr in den Erwartungen der Publizierenden als in der Wahrnahme des Adressatenkreises - hat. Hier rücken zwei ältere Formen der Kommunikation - private interpersonelle Kommunikation und Öffentlichmachung - im modernen Digitalbereich näher zusammen. Ist dies nun eher als Vermischung von Privatem und Öffentlichem zu fassen oder eher als Vermischung von Virtualität und Realität?

In jedem Fall ändern sich damit die eigenen medientechnischen Möglichkeiten vor allem auch zur Selbstsozialisation. Dies spielte im Beitrag von Sarah Seifert eine zentrale Rolle, wo der enge Fokus auf "soziale Netze", also ein sehr spezifisches digitales Instrument, zugunsten einer breiteren Sicht auf die technischen Möglichkeiten des Digitalzeitalters in Form "erweiterter Realität" verlassen wurde. Spektakulär ist in solchen "Räumen" inzwischen nicht mehr das Vernetzen selbst, sondern das Bewegen in solchen vernetzten Räumen.

Damit wandelt sich das Internet aber vom Medium zum Kulturraum, der einerseits von den berühmten "digital natives" bereits wie selbstverständlich bevölkert und "kultiviert" wird, während die anderen - auf der anderen Seite des 'digital divide' - diesen Entwicklungen, aus welchen Gründen auch immer, skeptisch bis wenig aufgeschlossen gegenüberstehen. Die im letzten Seminar aufgeworfene Frage, wie dominante "generalisierte MAN-Bilder" einzuordnen sind, ob es insbesondere "mehrere Kulturkreise und damit auch mehrere Dominanzprozesse generalisierter MAN-Bilder" gibt, stellt sich damit nicht nur im Sinne eines "clash of civilizations" in spatialen Dimensionen (Huntington), sondern in noch ganz anderen Räumen.

Hans-Gert Gräbe, 26.06.2014


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