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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2014-06-03


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Wirklichkeitskonstruktion im mediatisierten Wandel

Termin: 03. Juni 2014 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Wirklichkeitskonstruktion im mediatisierten Wandel

Mit einem Einstiegsbeitrag von Tamara Winter und Friederike Risch.

Folien zum Vortrag

Ankündigung

Medien vermitteln Normen und Werte unserer Gesellschaft und tragen in Form von generalisierten Anderen zur Identitätsfindung bei. Sie prägen somit ein gemeinsames Sinnsystem und Bedeutungen. Aufgrund der zunehmenden Ausbreitung der technischen Medien in allen wirtschaftlichen, politischen sowie gesellschaftlichen Bereichen entsteht eine zunehmende Abhängigkeit. Die Mediatisierung ist ein Prozess, der die Wechselbeziehung zwischen medienkommunikativem und soziokulturellem Wandel beschreibt.

Das Referat befasst sich mit der Frage nach einem solchen Wandel. Inwiefern treten Veränderungen auf, werden Probleme verursacht und vor allem auch welche Auswirkungen haben die Medien auf das Individuum und seine Wahrnehmungen? Der Einfluss der Medien ist in den letzten Jahren so stark expandiert, dass Reflexion und Diskussion zu diesem Thema unvermeidbar sind!

Friederike Risch, 28.5.2014

Anmerkungen

Zunächst wurde ein Spektrum von Begriffen aufgespannt (genaueres findet sich in den Folien), aus denen heraus das Thema entwickelt wurde:

  • Begriffe Medien, Wahrnehmung, Konstruktion, Wirklichkeit, Wirklichkeitskonstruktion
  • Wirklichkeit und Wirklichkeitskonstruktion als Begriffe eines subjektiven Gedanken- und Begriffsgebäudes, in das sich die eigenen Handlungsvollzüge einbetten, das sich aus Erfahrungen speist, an Erwartungen orientiert und den Link zur "Welt der Tatsachen" herstellt.
  • Identität als "verinnerlichte positionale Bezeichnungen, die sich in sozialer Interaktion behaupten und bewährt haben".
Ein so gefasster Begriff von Wirklichkeitskonstruktion versteht diese als sozialen und kommunikativen Prozess, in dem sich Subjekte als gesellschaftliche Wesen bewegen. Aus dieser Perspektive ist Mediatisierung des Alltags als Phänomen des Wandels fassbar, in dem sich kommunikative und soziokulturelle Aspekte verschränken, wobei von Subjekten technisch vermittelte Kommunikationsformen, insbesondere

1) Kommunikation über größere räumliche Distanzen und
2) eine neue Wahrnahme von Nähe, die nicht zu räumlicher Nähe kontingent ist,

an Bedeutung gewinnen. Dies sei allerdings nicht neu, denn ein solcher vor allem durch Broadcastmedien wie Kino, Radio und Fernsehen getriggerter Wandel wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts debattiert.

Allerdings scheint mit der wachsenden Bedeutung des Internets in diesem Prozess des Wandels selbst ein Wandel eingetreten zu sein: Die einende Rolle der großen Broadcastmedien wird brüchig (auch wenn sie in Zeiten einer Fußball-WM wieder aufzuleben scheint), die Bedeutung fester Normen und Werte sowie sinnstiftender Institutionen scheint abzunehmen, Prozesse persönlicher Indentitätssuche scheinen sich schwieriger zu gestalten, die dafür vorhandenen Möglichkeitsräume erscheinen komplexer, wechselnde Herausforderungen und Rollen scheinen multiple Indentitäten zu erfordern. Identitätsbildung als lebenslanger Prozess wird (erneut?) thematisiert.

Im weiteren Verlauf wurde versucht, sich den Phänomenen über die "Theorie symbolischer Interaktion" (G.H.Mead) zu nähern. Dabei spielten die verschiedenen Menschenbilder, die im Zuge einer solchen Wirklichkeitskonstruktion zu unterscheiden sind, eine wichtige Rolle:

1) Selbstbild,
2) Nach außen vermitteltes eigenes Bild (Fassadenkonstruktion), das (reflexive) Selbstbild dieses nach außen vermittelten Bildes eingeschlossen,
3) Bild des "generalisierten Anderen" (das MAN).

Dieses generalisierte MAN-Bild ist zentral als Quelle und Transportmedium von Werten und Normen (ist Inhalt und Medium zugleich) und übt damit unmittelbaren sozialen Normierungsdruck aus. In der faktischen Reaktion auf diesen Normierungsdruck durch Perspektivübernahme wird das Individuum sich selbst zum Objekt. "Selbst-Bewusstsein" enthält als wesentliche Komponente die Reflexion eines solchen Verhältnisses zwischen "Selbst" und "generalisiertem Anderen".

Auch die entwicklungspsychologische Dimension der subjektiven Formung eines solchen Bilds des "generalisierten Anderen" wurde berührt: während Kinder bis zu einem gewissen Alter dies unmittelbar auf Bezugspersonen personalisieren, wird dieses Außenbild später entpersonalisiert. Der Bezug zur Diskussion um Intimsphäre einige Seminare früher tritt hier deutlich hervor.

In sozialen Netzwerken (hier sind damit immer die digital vermittelten Netzwerke vom Typ Facebook, Xing usw. gemeint) lösen sich die Formierungsstrukturen dieses "generalisierten Anderen" (wieder?) auf in gruppendynamische Prozesse von Zitier- und Referenzkartellen, die mit dem Begriff "Freunde" (als zentrale Strukutrierungskategorie etwa bei Facebook) allerdings nur unzureichend erfasst sind, da das Netzwerk der Freunde allenfalls einen Möglichkeitsraum vorstrukturiert, in dem solche gruppendynamischen Prozesse ablaufen. Die real entstehenden sozialen Strukturen sind von ganz anderer Qualität.

Die frühere enge Bindung eines generalisierten MAN-Bilds als "kollektives Persönlichkeitsideal" an objektive Statuszugehörigkeiten ("die eigene Community voranbringen") ist heute offensichtlich in Auflösung begriffen. In dem Zusammenhang steht die Frage im Raum, ob es Zwänge und Prozesse gibt, die ein solches generalisiertes MAN-Bild von der Form "kollektives Persönlichkeitsideal" in eine Form "kooperatives Persönlichkeitsideal" transformieren.

In dieser Frage treffen sich die Diskussionsstränge verschiedener Seminardebatten - ist ein Begriff von "Öffentlichkeit" in Richtung "kooperativer Subjekte" und "kooperativer Subjektbildungsprozesse" zu erweitern, zu verfeinern oder gar zugunsten letzterer aufzugeben?

Wenigstens die praktisch beobachteten dominanten MAN-Bilder sollten dabei nicht aus dem Auge verloren werden. Herr Kleemann wies diesbezüglich auf vier Modelle hin:

  1. Das große MAN-Ding der Aufklärung (Kants "Ding an sich"), das als Quelle einer normativen Ethik herhalten kann.
  2. Das große MAN-Ding, das sich in eine Vielfalt aufspaltet, was für einen Konvergenzprozess einer Vielfalt normativer Ethiken herhalten kann.
  3. Es gibt von Anfang an grundlegend verschiedene solche MAN-Bilder, die Dominanzfrage ist eine Herrschaftsfrage ("die herrschende Ideologie als die Ideologie der herrschenden Klasse"), die sich als Kampf zwischen ideologischen Systemen manifestiert.
  4. Es gibt mehrere Kulturkreise und damit auch mehrere Dominanzprozesse generalisierter MAN-Bilder, die sich letztlich als Wettbewerb, Selektions- und Anpassungsprozess von Kulturkreisen manifestieren.
Hans-Gert Gräbe, 18.06.2014


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