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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2014-05-27


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Der "spielende Mensch"

Termin: 27. Mai 2014 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Thema: Der "spielende Mensch" - homo ludens - im digitalen Zeitalter

Diskussion

Anmerkungen

Der ursprünglich vorgesehene Beitrag entfiel, da sich die Studentin kurzfristig aus dem Seminar abgemeldet hatte.

Mit der Diskussion sollte der Rahmen dreier Menschenbilder ausgelotet werden, die uns ständig begleiten - homo oeconomicus oder homo rationalis als der (angeblich) ständig rational handelnde und seinen Nutzen maximierende Mensch, homo faber als der auf die Weiterentwicklung einer technisierten Welt gerichtete Mensch (eine angeblich besonders im Ingenieurbereich verbreitete Sicht auf die Welt - was machbar ist, wird auch irgendwann gemacht) und der homo ludens, der spielende Mensch.

Die ersten beiden Menschenbilder begegneten uns bereits bei der genaueren Analyse des Spannungsfelds Kreativität und Technik, wobei das Menschenbild des homo rationalis auf die Nutzenmaximierung unter adäquatem Einsatz der vorhandenen Mittel und Werkzeuge fokussiert, das Menschenbild des homo faber die Herstellung adäquater Mittel stärker thematisiert.

Diesmal sollte nun eine dritte Komponente beleuchtet werden, welche Rolle spielerische Momente in der Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbedingungen spielen und wie weit das Menschenbild des homo ludens, des spielenden Menschen, wie Gordon Gecko in Oliver Stones Film "Wallstreet 2", handlungsleitend ist.

Wir einigten uns schnell darauf, dass diese Menschenbilder nicht als Typologie taugen, sondern eher als Aspekte zu sehen sind, in denen das je Besondere zum Allgemeinen gesteigert wird.

Im ersten Zugriff auf das Thema wurde darauf verwiesen, das sich Kinder, wenigstens bis zu einem gewissen Alter, vorwiegend spielerisch der Welt nähern. Spiel ist also entwicklungspsychologisch eine wichtige Lernform, wobei zunächst Rollenspiele und Spiel als Realitätserweiterung unterschieden wurden.

Die weitere Diskussion konzentrierte sich auf Rollenspiele als soziales Lernen des spielerischen Umgangs mit Konflikten, in denen verschiedene Momente präsent sind:

  • Ausbruch aus der Realität,
  • Spielen als Erweiterung der Wirklichkeit,
  • Spielen als Erlernen von Rollen,
  • Spielen als Form des sozialen Lernens des Umgangs mit Regeln.
Herr Kleemann wies zwischendurch auf die ideengeschichtliche Dimension der Thematik hin:

  • Die Theorie des homo oeconomicus entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zusammen mit der Maschinisierung, Rationalisierung und Mathematisierung der Produktionsprozesse und dabei der Zurückdrängung von Individualität und sozialen Aspekten. Neben diesen neuen Formen lebte eine vielfältig strukturierte und institutionalisierte Welt der sozialen Formen und Privilegien fort, die sich - wenigstens dem Anspruch nach - in rechtlichen und damit ebenso "berechenbaren" Rahmen bewegten, was zu einem eigenartigen Verständnis der Berechenbarkeit der Welt als Ganzes bzw. zumindest in ihren wesentlichen Teilen führte.
  • Die Theorie des homo faber entwickelte sich nach dem 1. Weltkrieg auf der Basis der ernüchternden Erfahrung, welche Destruktivkraft eine auf solch rationale Weise organisierte menschliche Vernunft zu entwickeln vermag. Deshalb sei es nur wünschenswert, den Ingenieursgedanken auch auf die Konstruktion der Institutionen selbst anzuwenden, das aber zu einer klaren Vorstellung der Separierung der Gesellschaft in "Wissende" und "Nicht-Wissende" führt.
  • Die Theorie des homo ludens entwickelte sich in den 1950er und 1960er Jahren, in der Spielen als Form des sozialen Lernens von Rollen und des Umgangs mit Regeln in den Vordergrund rückt, um so insbesondere Kinder auf diese Rollen und Regeln zu prägen und damit in gewissem Sinne "abzurichten".
Rollen und Regeln sind wesentliche, den Alltag bestimmende Momente der sozialen Strukturierung, so dass sich die Frage der Trennung von Spiel und Ernst stellt - ist Spiel wirklich nur als Vorbereitung auf den Ernst des Lebens zu verstehen oder lassen sich "ernste" Lebenssituationen auch mit "spielerischem Ernst" bewältigen?

In der weiteren Diskussion wurde eine solche Dichotomie des Denkens an Hand eigener Erfahrungen zurückgewiesen, da dabei insbesondere der Aspekt der Gestaltbarkeit von Rollen und Regeln unterbelichtet bleibt. Dieser gewinne aber heute in einer sich schnell ändernden Welt, einem zunehmenden Auseinanderfallen sichtbarer Zusammenhänge zwischen verschiedenen sozialen Sphären und damit der Wahrnahme der eigenen sozialen Einbindungen als multiple Rollen an Bedeutung.

Diesem Phänomen einer zunehmend komplexer erscheinenden Welt, einer Beschleunigungsgesellschaft (Hartmut Rosa), die einen flexiblen Menschen fordere, kann man nur begegnen, indem man sich selbst in derartiger Flexibilität übe und dabei die Lerntechniken der Kindheit auf lebenslanges Lernen angemessen übertrage. Die eigenen Erfahrungen (insbesondere in der "Mittelalterszene" sowie anderen Live Action Role Playings) zeigen, dass hier durchaus "Spiel" zum "Ernst" werden kann, sowohl auf der Ebene einzelner Spielmaster, Superblogger usw., die damit in dieser Gesellschaft auch ihre "Brötchen" verdienen können, als noch viel fundamentaler in der sozialen Form des personalen innerhalb des spielerischen Zusammenhangs selbst, der über die Zeit für die Involvierten eine zunehmende auch soziale Tragfähigkeit entwickelt.

Dies wird durch die technischen Entwicklungen des digitalen Zeitalters eher noch befördert, da man schneller Gleichgesinnte finden und sich so eine größere Variabilität von Verhaltensmustern herausbilden kann.

Hans-Gert Gräbe, 09.06.2014


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