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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2013-12-17


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Werkzeuge und Fähigkeiten

Termin: 17. Dezember 2013, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Ein Werkzeug ist immer zugleich ein Modell für seine eigene Reproduktion und eine Gebrauchsanweisung für die erneute Anwendung der Fähigkeit, die es symbolisiert.

Vortrag und Diskussion mit David Friedo

Ankündigung

Werkzeuge sind zunächst Gegenstände, die dazu dienen menschliche Fähigkeiten zu erweitern. So hilft beispielsweise ein Ruder, um sich im Wasser fortzubewegen; ein Speer hilft, um wilde Tiere zu erlegen; ein Computer hilft, um Informationen effizient zu verarbeiten. Doch Werkzeuge besitzen zugleich eine symbolische Qualität, denn als Signifikant geben sie der Welt erst eine Bedeutung. Das Verständnis der Welt ohne Ruder, Speer und Computer unterscheidet sich grundlegend von einem Verständnis der Welt mit diesen Werkzeugen. So lassen sich mit einem Ruder weite Strecken zurücklegen, wodurch sich die Wahrnehmung von Entfernung ändert; mit dem Speer lassen sich andere Tiere erlegen, wodurch eine Vormachtstellung des Menschen begründet wird; mit einem Computer lassen sich große Datenmengen verwalten, wodurch die Realität abstrahiert wird.

Weizenbaum argumentiert, dass Werkzeuge aus diesem Grund eine pädagogische Qualität besitzen. Sie sind ein Modell (Symbol, Signifikant) der Welt, in der sie geschaffen wurden. Werkzeuge tragen eine symbolische Bedeutung in sich. Kulturspezifisches Denken und Handeln kann zu anderen Zeiten und an anderen Orten reproduziert werden. Somit darf ein Werkzeug also nicht nur als bloße Erweiterung menschlicher Fähigkeiten betrachtet werden, sondern muss auch als Mittel zur Rekonstruktion der Welt verstanden werden. Die Implikationen dieser Argumentation Weizenbaums werden zentraler Bestandteil der Diskussion sein.

David Friedo, 3.12.2013

Anmerkungen

Technik - sowohl in der artefaktischen Dimension als auch der Dimension "bewährter" Formen von Handlungsvollzügen - ist ein faktisches Moment an der Schnittstelle eben jener Handlungsvollzüge und der sie begleitenden Begründungszusammenhänge. Im Computerzeitalter, das spätestens seit den euphorischen 1960er Jahren gesellschaftsmächtige Wirkungen zeitigt, werden auch die Begründungszusammenhänge im Zuge einer sich entwickelnden Mess-, Steuer- und Regelungstechnik zum Gegenstand ingenieur-technischen Handelns. Im Kontext begleitender Reflexionen entwickelte sich ein eigenes Forschungsgebiet, die Semiotik, mit der 1979 gegründeten Zeitschrift für Semiotik als Kristallisationspunkt und auch heute noch umfangreicher Tätigkeit in Forschung und Lehre.

Die Krise Mitte der 1970er Jahre, in die auch Weizenbaums Buch einzuordnen ist, greift die zunehmende Erkenntnis auf, dass die Reflexionsformen über die neuen technischen Möglichkeiten mit den praktischen Konsequenzen derselben nicht Schritt gehalten haben und deshalb eine genauere Debatte über die Bedingtheiten dieser Reflexionen unvermeidbar ist. Im Vortrag von Herrn Friedo werden an Hand Weizenbaumscher Aussagen wesentliche Momente dieser Debatte zur Begründung einer Semiotik entwickelt und erläutert, die den engen Zusammenhang zwischen den Fortschreibungen technisch aufgeladener Handlungsvollzüge und der sie begleitenden Begründungszusammenhänge als soziale Phänomene thematisiert.

Die enge Verbindung von praktischer und pädagogischer Dimension, die aus der Endlichkeit menschlichen Lebens begründet wird, bleibt bei Weizenbaum (und in seiner Zeit) auf eine solche Inter-Generationen-Dimension beschränkt, die vor allem die Ausbildung von neuen Individual-Subjekten des Handelns zum Gegenstand der Reflexion hat, die mit den Werkzeugen zugleich "die erneute Anwendung der Fähigkeit, die es symbolisiert", gesellschaftlich reproduzieren.

Der Individualstandpunkt ("Most importantly, man can foresee. In the act of designing implements to harrow the pliant soil, he rehearses their action in his imagination". "Man can create little without first imagining that he can create it". " ... out of which man fashions his imaginative reconstruction of the world".) bleibt nach wie vor der Kern der Reflexion und folgt damit den Möglichkeiten jener Zeit der Einzelplatzcomputer.

In der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, welche Bedeutung ein solcher Ansatz heute überhaupt noch habe, in einer Zeit, wo mit "ubiquitous computing" die Vernetzung computergestützter Technikanwendungen und damit die Formierung kooperativer Subjekte im Vordergrund stehe. Herr Kleemann wies darauf hin, dass diese Schwerpunktverschiebungen auch in der Philosophie selbst als Übergang von einem "linguistic turn" zu einem "pragmatic turn" eine Rolle spielen.

Diese Differenzen zwischen den Betrachtungsformen, wie sie in der "kybernetischen Wende" der 1960er bis 1980er Jahre entwickelt wurden, und Beschreibungserfordernissen aktueller Phänomene des aktuellen "digitalen Wandels" gilt es weiter auszuloten. Sie zeigen zugleich, in welchem Umfang Reflexionsbedürfnisse selbst strukturierenden Einfluss auf Debatten, Fragestellungen und damit letztlich auch Begriffsbildungen haben.

Literatur:

Hans-Gert Gräbe, 23.12.2013


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