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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2013-11-12


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Mensch als Maschine

Termin: 12. November 2013, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Was ist das Besondere am Computer, so dass man dazu geführt werden könne, den Menschen immer wieder als Maschine aufzufassen?

Vortrag und Diskussion mit Thomas Gütt und Gunnar Warnecke

Ankündigung

Berauscht durch immer neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse verfallen wir dem Glauben, restlos alles auf Regeln und Gesetzmäßigkeiten zurückführen zu können. Es erscheint lediglich als eine Frage der Zeit, das menschliche Denkverhalten komplett durch Computer als weiterentwickelte Maschinen zu ergänzen und teils gar zu ersetzen. Am Beispiel des ELIZA Computerprogramms (ein Programm, welches mittels hinterlegtem Script die Gesprächsführung eines Dialogpartners imitiert) schildert Weizenbaum seine Beobachtungen über die Interaktion des Menschen mit den Maschinen. Dabei fällt ihm auf, dass die Nutzer eine soziale Bindung mit dem Programm aufbauen und der Maschine menschliche Eigenschaften zuschreiben. Weizenbaum führt dieses Verhalten zurück auf die Unfähigkeit, die komplexe innere Realität des Computers zu verstehen, woraufhin die Nutzer meinen, der Computer würde wie ein Mensch denken. Durch Zulassen dieses Schlusses entsteht die Implikation, dass der Mensch in seiner Gänze lediglich eine komplexe Maschine ist, welche einzig durch naturwissenschaftliche Schlussfolgerungen vollumfänglich beschrieben werden kann.

Thomas Gütt, 4.11.2013

Anmerkungen

Mit dem Thema kommen wir dem Zentrum der Weizenbaumschen Kritik sehr nahe, die ja nicht zu Maschinenstürmerei aufruft, sondern zu einem reflektierteren Umgang mit dem Verhältnis zwischen den Menschen und ihren Maschinen auffordert. So wie eine Welt durch eine grüne Brille durchweg grün erscheinen mag, kann es nicht verwundern, dass in einer von Maschinen geprägten Industriegesellschaft alles wie Maschinen aussieht. Ein solcher Gedanke ist nicht neu - erstmals intensiver untersucht wurde er wohl bereits im 18. Jahrhundert von Julien Offray de La Mettrie - und im Alltagsdenken insbesondere technikaffiner Menschen so stark unmittelbar verankert, dass er sich kaum noch als Bild erkennen lässt. Man wird der Weizenbaumschen Kritik also nur gerecht, wenn diese Differenzen zwischen unseren Bildern des Menschen, der Maschine und der Welt - dem Menschenbild, dem Maschinenbild und dem Weltbild - und der jeweiligen Wirklichkeit selbst fassbar und sprechbar werden.

Herr Gütt rollte das Thema vor allem vom Bild der Maschine her auf, wobei sich sein Maschinenbild stark an mechanischen Maschinen orientierte, wie sie vor allem zum Ende des 19. Jahrhunderts hin entwickelt wurden, wo durch dezentraler verfügbare Energieformen die ersten groben Maschinen des um 1830 beginnenden Industriezeitalters abgelöst wurden, in denen vor allem die Verstärkung bzw. Ablösung menschlicher (und tierischer) Kraft durch technische Vorrichtungen zur Wandlung (fossiler) Energie im Vordergrund standen. Mit der neuen Maschinengeneration rückte (Ende des 19. Jahrhunderts) feinmechanisches Wissen um Regelungsmöglichkeiten und das Berufsbild des Ingenieurs im heutigen Verständnis in den Vordergrund. Die Kluft zwischen Menschen als "tool using animal" (blue collars) und Menschen als "tool making animal" (white collars) trat deutlicher hervor und prägte gesellschaftliche Strukturen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Seither hat sich jedoch viel getan, die Frage der weiteren Entwicklung eines Maschinenbilds über diese mechanistischen Vorstellungen hinaus (bis hin zu aktuellen Trends wie in Singers "Manifest der Neurologen" und der Diskussion darum, die nicht nur danach zu befragen ist, welches Menschenbild, sondern auch und zunächst, welches Maschinenbild dort transportiert wird) sind zentral für ein Verständnis der Weizenbaumschen Kritik, denn diese reflektiert ja gerade die Weiterentwicklung unseres Bildes von Technik im Zuge der kybernetischen Entwicklungen der 1960er Jahre. Ein solcher Wandel des Bilds von Maschinen im 20. Jahrhundert wird unter der Überschrift "Die Menschen und ihre Maschinen" in einer der beiden Seminararbeiten genauer nachzuzeichnen sein.

Das Thema "Mensch als Maschine" hat neben diesen sich ändernden Facetten allerdings auch einen recht stabilen Kern, der in der anschließenden Diskussion im Vordergrund stand - eine spezifische, auf den ersten Blick "überhistorische" Art, auf den Menschen zu schauen, sich auf der Basis eines wissenschaftlichen Rationalismus ein Menschenbild zu machen und damit die praktisch nützlichen Ergebnisse technischen Verstands auch auf diesen Denk-Gegenstand, den Menschen und seine Bedürfnisse als Objekt wissenschaftlichen Interesses, zu richten. Die "Überhistorizität" einer solchen Betrachtung ist schnell sowohl entlarvt - als Reflex eines modernen Wissenschaftsverständnisses, das sich längs "absoluter" Wahrheiten organisiert - als auch dekonstruiert, wenn man die zeitliche Genese dieser Kernpunkte eines Menschenbilds verfolgt.

Der Kern muss (aus der Perspektive eines materialistischen Geschichtsbilds, das Anhängern eines modernen Wissenschaftsverständnisses wenigstens praktisch nicht fremd ist) etwas zu tun haben mit der Weise der Produktionsorganisation technisierter Gesellschaften, also letztlich mit Kapitalismus. Hier wurden wir dann schnell fündig im Bild des homo oeconomicus, das kapitalistische Menschenbilder seit den frühen Arbeiten von Ricardo und Smith in guter Kontinuierlichkeit bis heute prägt. Lucas Zeise hat diese Vorstellungen in einer aktuellen Arbeit in den Marxistischen Blättern 4-13 gründlich auseinandergenommen. Allerdings richtet sich Zeises Kritik auf die volkswirtschaftlichen Theorien und blendet damit (ein weiteres Mal) die technischen Bedingtheiten derartiger Bilder aus, die sich (vielleicht) aus der Gegenüberstellung zweier Menschenbilder - des blue collar = homo oeconomicus und des white collar = homo faber gewinnen lassen. Das soll in einer zweiten Seminararbeit genauer untersucht werden.

Hans-Gert Gräbe, 18.11.2013


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