Hans Gert Graebe / Seminar Wissen / 2013-05-14 |
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Termin: 14. Mai 2013, 15.15 Uhr Ort: Augusteum, A-520 Vortrag und Diskussion mit Jennifer Webs
Im Abschnitt 2.1.1 des Memorandums wird die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen eine alle Lebensbereiche durchdringende (pervasive) Computerisierung für die einzelnen Menschen auf die verschiedenen Ebenen ihrer Lebensgestaltung haben. Dieses klassische Konfliktfeld zwischen den "Segnungen" der Technik für den Menschen als Gattungssubjekt und den kollateralen Folgen für einzelne Menschen soll für die hier vor sich gehende technische Entwicklung ausgelotet werden. Hans-Gert Gräbe, 05.05.2013
Bereitstellungseffekte oder Effekte 1. Ordnung Die Ursachen der Effekte sind in Herstellung, Betrieb und Entsorgung ICT-Artefakten zu suchen. Beispiele für solche Effekte sind
ICT bringt Arbeitsplätze unterschiedlicher Qualität mit sich. Die Autoren des Memorandums unterscheiden hierbei die "Wissensarbeit" (z.B. Planung und Entwurf) auf der einen Seite, welche vorwiegend in reichen Industrieländern durchgeführt wird, und die körperliche Arbeit (z.B. Rohstoffgewinnung), welche vorwiegend in armen Ländern von statten geht. Aber nicht nur die Produktion ist problematisch, auch die Entsorgung der Technik. Denn auch diese wird, aufgrund hoher Kosten für Recycling im eigenen Land, in arme Länder verlagert. Die Gesundheitsgefahren der körperlichen Arbeit sind hinlänglich bekannt und für diese liegen bereits Erkenntnisse dazu vor, wie eine humanverträgliche Gestaltung aussehen sollte. In Billiglohnländern wird dies jedoch nicht immer berücksichtigt. Zu den gesundheitlichen Gefahren der Wissensarbeit wie z.B. der Softwareentwicklung, welche häufig unter großem Leistungsdruck und unter schlechten Arbeitsplatzbedingungen abläuft, liegen noch nicht genügend Informationen vor. Ähnlich sieht es mit Gefahren aus, die von elektromagnetischer Strahlung (EMS) ausgeht. Nicht nur thermische Effekte ( Mikrowelle), sonern auch Effekte, die zu einer Erwärmung des Körpers führen, werden diskutiert. Es gibt Hinweise auf solche Auswirkungen, dennoch konnten sie nicht gesichert mit EMS in Zusammenhang gebracht werden. Zwar gibt es das Phänomen der Elektromagnetischen Hypersensitivität, aber es ist bisher nicht gelungen, einen eindeutigen Zusammenhang der Symptome und EMS nachzuweisen. Bisher scheint es eher so, als sei dies nur ein psycho-somatisches Leiden. Ebenso ist nicht ausreichend geklärt, welche Auswirkungen (auf das physische Wohlbefinden) die immer mehr voranschreitende Integration von Mikroelektronik in Alltagsgegenstände hat. Von wearables (z.B. Google Glasses) über implantables ("Herzschrittmacher 2.0") bis hin zu injectables ist nicht hinreichend bekannt, welche "Fremdkörperreaktionen im weitesten Sinne" sie auslösen könnten. Zuletzt greifen die Autoren den Punkt der Anpassung der Nutzerbedürfnisse auf. Zwar bietet die Einbettung von ICT-Komponenten die Möglichkeit, besser auf die Erfordernisse und die individuellen Bedürfnisse des Nutzers einzugehen, aber gleichzeitig wird die Frage aufgeworfen, inwiefern diese Bedürfnisse selbstbestimmt und nicht von außen beeinflusst sind. Als Fazit geben die Autoren Empfehlungen an Forschung, Politik und Unternehmen. Es besteht somit Forschungsbedarf bez. der Arbeitsbedingungen innerhalb des Lebenszyklus von ICT, ihren Gesundheitsrisiken und ihrer Gestaltung im Hinblick auf physische und psychische Bedürfnisse und Fähigkeiten ihrer Nutzer (und der indirekt Betroffenen). Die Politik soll die Ergebnisse der Forschung aufgreifen und reaktiv mittels Gesetzgebung handeln. Ebenso sollen Unternehmen Forschungsergebnisse aufgreifen und "zur humanverträglicheren Technikgestaltung in ihren Produkten stärker" berücksichtigen. Pervasive Computing Der von Mark Weiser geprägte Begriff beschreibt die Allgegenwärtigkeit von Informationsverarbeitung und damit einhergehende jederzeitige Zugriffe auf Daten von beliebiger Stelle aus. In seiner Vision ist ICT nahtlos mit der Lebenswelt verknüpft und unterstützt das Alltagsleben auf unaufdringliche Weise. Das größte Problem ist die Wahrung der Privatsphäre und der "informationellen Selbstbestimmung" des Individuums. Pervasive computing ist nicht allein auf das Sammeln von Daten beschränkt, es können Informationen daraus abgeleitet werden. Somit bietet eine allgegenwärtige Sensorerfassung eine flächendeckende Möglichkeit der Überwachung und Kontrolle. Jennifer Webs, 28.4.2013
Im Vortrag wurde eine große Zahl von Fragestellungen angeschnitten. Zunächst wurden einige Definitionen aus dem Memorandum aufgenommen:
Insofern greift das Memorandum zu kurz, wenn es Informationsgesellschaft primär als "Informationen nutzende Gesellschaft" fasst, in der
Das "Wir" in der Grundfrage der Technikethik kann nur als Spannungsfeld zwischen Mensch als Gattungssubjekt (und damit den "Fakten der technischen Entwicklung") einerseits und normativen Reflexionen der Art «Mit welcher Technik wollen wir in welcher Welt leben?» andererseits gefasst werden, wobei der hohe "normative Druck des Faktischen" Diskurse schnell präformiert. Dieses Thema gilt es unbedingt noch einmal aufzunehmen, denn die Zeit war zu kurz, um darauf überhaupt einzugehen. Umfänglicher wurden auch Fragen des "pervasive Computings" angeschnitten, die Frage also, was es bedeutet, wenn Computertechnik und IKT so sehr in alle gesellschaftlichen Prozesse eingedrungen ist, dass deren Rücknahme ohne ernsthafte Beschädigung des gesamten Systems nicht mehr zu haben ist. In der Diskussion spielte die Frage nach der Privatsphäre eine zentrale Rolle. Hier wurde herausgearbeitet, dass der Begriff Privatsphäre eine vor allem gesellschaftliche Konstruktion ist, die sich individuell im Spannungsfeld zwischen kulturell geprägten Erwartungshaltungen und praktischem Handlungsvollzug aufbaut und fortschreibt. Die Erklärungs- und Verständnisversuche gingen dabei vor allem in Richtung eines Begriffs von Privatsphäre als zwar stark subjektiver, die eigene Person betreffender und bestimmender Angelegenheit, die sich aber interpersonal als Spannungsfeld von Zulassen und Abgrenzen zwischen konkreten Individuen herausbildet. Eine stärkere Formalisierung der vorgebrachten Argumente müsste also davon ausgehen, dass die "Privatheitsfunktion" P(a) der Person a als "Funktion von Funktionen" P(a)(b) der Privatheiten von a gegenüber konkreten Personen b zu fassen ist, die sich vor allem darin manifestieren, in welchem Umfang Person b in konkreten Handlungsvollzügen die Privatheitserwartungen der Person a respektiert. P(a)(b) kann also als Funktion W -> R aufgefasst werden, die potenziellen konkreten Handlungsvollzügen w in W Zahlen zuordnet, welche diese subjektive Diskrepanz (affektive Aufladung) der Person a in Bezug auf die Person b bzgl. dieses Handlungsvollzugs ausdrückt, falls er vollzogen wird. Null steht dabei für affektiv neutral. Auf W lassen sich durch Mittelbildung sowohl für einzelne potenzielle Handlungsvollzüge w als auch für a (als Privatheitszentrum) oder b (als potenzieller Privatheitsstörer) Mittel bilden, auf die sich private und gesellschaftliche Normierungs- und Sanktionsprozesse aktiv beziehen. Weiterhin sind personalisierte Clusterungen innerhalb von W denkbar. Eine nur kurz ("Was bedeutet es, wenn wir uns gegenseitig beobachten?") thematisierte, in der Informationsgesellschaft aber fundamentale Frage ist die nach der Privatheit der Privatheitsfunktion selbst. Die bisherigen Betrachtungen sind überdies statisch, die Privatheitsfunktion entwickelt sich zeitlich, ist also genauer als P(t)(a)(b) zu fassen. Hans-Gert Gräbe, 28.5.2013
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