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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2012-11-20


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Das Konzept der Einheit von Selbstorganisation und Informationsentstehung

Termin: 20.11.2012, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Diskussion auf der Basis eines Aufsatzes von Fuchs-Kittowski

Ankündigung

Der für diesen Termin geplante Vortrag findet nicht wie geplant statt, da sich der dafür vorgesehene Teilnehmer vom Seminar abgemeldet hat. Wie besprochen werden wir das Thema auf der Basis des unten angegebenen Seminartexts besprechen. Diesen sowie den zuletzt erwähnte Text von Heinz Klemm finden Sie auch im Upload-Bereich des Kurses im BIS-OLAT-Portal.

Mit dem Thema wollen wir die Diskussion um den Analogie-Ansatz aus Capurros Trilemma weiter vertiefen, mit dem versucht wird, den Informationsbegriff aus dem Ansatz der Informationsverarbeitung herauszulösen, der ja implizit davon ausgeht, dass es eine (externe) informationsverarbeitende Instanz gibt, die nicht nur die Syntax, sondern auch die Semantik "aufzunehmen" in der Lage ist. Fuchs-Kittowski untersucht im Abschnitt "Information, Informationsverarbeitung versus Informationsentstehung" den biologischen Hintergrund eines Informationsverständnisses und in welchem Umfang dort (und auch allgemeiner) Informationsentstehung nur als Phänomen der Selbstorganisation verstanden werden kann.

Dies soll im Seminar genauer diskutiert werden, insbesondere die 10 Prinzipien, die für ein tieferes Verständnis des Wesen der Information grundsätzliche Bedeutung haben.

Eingangs werde ich den Ansatz des OSI-Modells der 7 Schichten noch einmal genauer darstellen, das unser Philosoph beim letzten Mal wohl deutlich missverstanden hat. Vielleicht können wir selbstreflexiv auch diesem Beispiel "misslungener Kommunikation" in unserer eigenen Praxis noch einmal genauer nachspüren und besprechen, was es mit der begrifflichen Unterscheidung von "Meistern und Zauberlehrlingen" ( Goethe - "Hat der alte Hexenmeister Sich doch einmal wegbegeben! ...") oder Meistern, Gesellen und Lehrlingen (im Handwerk) auf sich hat. Vorab noch ein kleiner Eindruck vom Pythagoras-Abend am 14.11. in der Inspirata.

  • Klaus Fuchs-Kittowski: Wissens-Ko-Produktion. Verarbeitung, Verteilung und Entstehung von Informationen in kreativ-lernenden Organisationen (2002) ( pdf)
  • DorFuchs über den Satz des Pythagoras
Anmerkungen

Der kleine Eindruck vom Pythagorasabend sollte zwei Aspekte noch einmal unterstreichen. Erstens ging es um die Einbettung eines Kommunikationsvorgangs im Sinne der Diskussion im letzten Seminar in sehr komplexe "Vorkenntnisse" (hier einer gewissen Allgemeinbildung - Satz des Pythagoras, gewisser Hörgewohnheiten, einer gewissen Erwartungshaltung), von denen nicht so klar ist, ob sie Kontext oder Basis und damit Voraussetzung "gelingender menschlicher Kommunikation" sind. Zweitens berichtete ich von einem taubstummen Teilnehmer, der sich von einer Gebärdendolmetscherin die Reden und auch die Vorführung des Songs "übersetzen" ließ. Hier wird besonders augenfällig, dass selbst in einem klaren Sender-Empfänger-Kontext das kommunikative Ergebnis (die übertragene "Information") beim Empfänger aus den Gegebenheiten (re)konstruiert wird, also selbst in einer solchen reduzierten Sichtweise zwei Ebenen der Kommunikation und eine Übersetzungsleistung zwischen ihnen involviert sind, eine Ebene, auf der das Gelingen der Kommunikation noch nicht ausgemacht ist und konkreter Mühen bedarf, und eine darunter liegende Ebene "sicher gelingender" Kommunikation.

Am OSI-7-Schichten-Modell, das ich für die Betrachtungen auf vier Schichten reduziert habe, wurde deutlich, dass sich ein solches Verhältnis selbstähnlich wiederholt. Dies ist zugleich die Überlegung, die der Fassung eines Informationsbegriffs als relationaler Begriffskategorie einer "Trias aus Syntax, Semantik und Pragmatik" zu Grunde liegt, die im Text von Fuchs-Kittowski entwickelt wird und dort eher als Zusammenspiel von drei Schichten verstanden ist. Mit einem solchen Zugang werden bei Fuchs-Kittowski auch biologische Prozesse, also Kommunikation ohne menschliches Zutun, als Informationsprozesse erfasst. Die Problematik einer solchen Aufhebung des graduellen Unterschieds zwischen Menschsein und Tierreich wurde kontrovers diskutiert - insbesondere kamen wir Capurros Trilemma dabei nicht wirklich näher. Es wurde allerdings deutlich, warum Janich sich auf gelingende menschliche Kommunikation als Setzung der eigenen Betrachtung zurückzieht, was wir für das weitere Seminar ebenfalls vereinbart haben.

Der Drei-Schichten-Ansatz als "Trias aus Syntax, Semantik und Pragmatik" und die Sicht auf das Geschehen als Übersetzungsvorgang, als Ausdruck von Kommunikation, deren Gelingen sich noch erweisen muss, in Termini einer "sicher gelingenden" Kommunikation auf der Ebene darunter, stehen insofern im Widerspruch zueinander, als letzteres nur zwei Schichten betrachtet. Bei genauerer Betrachtung erscheinen aber Syntax und Semantik als zwei Aspekte auf derselben Ebene der "sicher gelingenden" Kommunikation. Die Zwei-Ebenen-Struktur wird damit wieder sichtbar, allerdings auf Kosten der Rekursivität. Unter jenem Aspekt müssten auf der "Pragmatik-Ebene" ebenfalls zwei Konzepte identifiziert werden, die bei der Betrachtung der darüberliegenden Schichtung als "Syntax" und "Semantik" auftreten. Hier muss bei dem insgesamt vagen Konzept "Pragmatik" noch einmal genauer hingeschaut werden.

Mit einem solchen Schichtenmodell kann Informationsentstehung von unten nach oben als Phänomen der Selbstorganisation gefasst werden: durch intensive Kommunikation auf einer Ebene, auf der sich Gelingen noch erweisen muss, wird das Gelingen immer sicherer, es bilden sich also immer leistungsfähigere Strukturen heraus, die zu gegebener Zeit die Basis für die Kommunikation über Gelingen in der nächsthöheren Schicht bilden. Dies ist auch der Kern des "Konzepts der Einheit von Selbstorganisation und Informationsentstehung" bei Fuchs-Kittowski. Das Beispiel mit der Gebärdensprache zeigt allerdings, dass ein solcher Übergang zur selben "höheren" Form der Kommunikation durchaus von verschiedenen Basen aus erfolgen kann, hier also auch zwischen den Schichten kompliziertere Wechselverhältnisse zu berücksichtigen sind.

Dieses Verständnis eines evolutionären Entstehens von Information als Bottom-Up-Prozess der Selbstorganisation führt noch einmal auf die Frage der graduell unterschiedenen Stellung des Menschen in einer solchen Theorie, zumal die Beschreibung von Intentionalität menschlichen Handelns gerade den umgekehrten Weg geht - eine "Idee" (diese Bezeichnung hier allein als Arbeitsbegriff) muss top-down in die jeweiligen "Sprachen" immer tieferer Ebenen übersetzt werden, um sie letztlich zu kommunizieren. Eine solche Intentionalität setzt allerdings die (auch sprachliche?) Konstituierung von Möglichkeitsräumen auf allen betrachteten Ebenen schon voraus, so dass hier Semantik und Pragmatik (als sprachlich erschließbarer Raum denkbarer Praxen) unmittelbar als "von Menschen gemacht" erscheinen und von mir einer "Ideenwelt" zugeordnet wurden, während Syntax und Pragmatik (als sich konkret vollziehender Praxen) einer "realen Welt" zuzuordnen sind. Damit wäre auch schon in etwa skizziert, auf welche Weise eine Zweiteilung des Begriffs "Pragmatik" vorzunehmen wäre, um die verloren gegangene Rekursivität wieder herzustellen.

Wir sind damit wieder einmal unvermittelt an den Fundamenten jeglichen Philosophierens herausgekommen. Ein genaueres Verständnis dieser "Ideenwelt", der "urwüchsige Kraft der Gedanken – eines geschickten, verstän­digen Herangehens an ein Problem, welches sich natürliche Wirkmechanismen zu Nutze macht und ihnen nicht einen Kraft und Ressourcen unnötig verbrauchenden Gewaltakt entgegensetzt" (Gräbe 2012), als Teil der "realen Welt" bleibt weiter auf der Agenda des Seminars.

Die hier gewonnene relationale Sicht auf Information im Sinne von Gregory Bateson als "a difference which makes a difference", als Differenz in einer unteren Kommunikationsschicht, die eine Differenz auf einer höheren Kommunikationsschicht triggert, und intellektuelles Vermögen als Nutzung der Umkehrung dieses Zusammenhangs - Kommunikation auf höherer Abstraktionsebene durch Übersetzung in "sicher gelingende" Kommunikation auf niederer Abstraktionsebene - sollte im Weiteren hilfreich sein, um die eigenartige kulturelle Einbettung und Bedingtheit dieses letzteren Phänomens besser zu verstehen und auch die Frage nach der Rolle von "Meistern und Zauberlehrlingen" aufzugreifen, die zu diesem Termin komplett ausgeklammert bleiben musste.

Hans-Gert Gräbe, 25.11.2012

Literatur:

  • Hans-Gert Gräbe: Wie geht Fortschritt? LIFIS ONLINE [12.11.12]. pdf

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