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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2012-11-13


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Capurros Trilemma

Termin: 13.11.2012, 15.15 Uhr

Ort: Seminargebäude, SG 3-10

Ankündigung

Mit "Capurros Trilemma" ist eine längere Diskussion um die Fundierung eines tragfähigen Informationsbegriffs verbunden, der sich nach Peter Janich (so zitiert bei Klemm) unbedingt auf "gelingende menschliche Kommunikation" beziehen muss. Das "Web der Daten" wird durch einen in diesem Sinne zunächst kulturalistisch eingeengter Informationsbegriff gut erfasst, so dass wir diese Setzung bisher übernommen haben. Dennoch sind die Argumente für eine weitere Fundierung auch für uns von Interesse, selbst wenn wir uns letztlich auf den Ansatz von Peter Janich zurückziehen.

Capurro umreißt die Fragestellung "in Kürze" wie folgt: "Angesichts der Tatsache, daß der Informationsbegriff in vielen Fachgebieten sowie im Alltag unterschiedlich verstanden wird, stehen drei Möglichkeiten für einen kritischen Gebrauch offen:

  1. Der Informationsbegriff bedeutet in allen Bereichen dasselbe (Univozität), was dazu führt, dass er, zum Beispiel, in der Physik im selben Sinne gebraucht werden kann, wie in der Welt des Menschen, die qualitativen Unterschiede verschwinden. Eine e-mail ist eine Form von Zellreproduktion usw.
  2. Der Informationsbegriff bedeutet in jedem Bereich nur etwas Ähnliches (Analogie). Dann stellt sich die Frage, welcher Bereich den Vorrang hat (‘primum analogatum’). Nachteile: Reduktionismen oder Anthropomorphismen. Alles, was im Bereich des Information Management ‘Information’ heißt, lässt sich mit physikalischen Methoden messen usw. Dagegen wendet sich Janich entschieden, wenn er diesen Begriff ausschließlich im kulturellen Bereich angesiedelt wissen will.
  3. Der Informationsbegriff bedeutet jeweils etwas anderes (Äquivozität). Wenn aber dasselbe Zeichen auf unvergleichbare Designate hinweisen kann, haben wir es mit dem Babelturm-Syndrom zu tun. Die einzelnen wissenschaftlichen Bereiche kapseln sich ab. Es gibt dann nur gegenseitiges Achselzucken oder Polemik."
Capurro greift in der weiteren Argumentation in seinem Aufsatz auf eine Debatte zwischen ihm, Peter Fleissner und Wolfgang Hofkirchner zurück, in der insbesondere Selbstorganisationsphänomene mit dem Informationsbegriff in Verbindung gebracht werden. Dies wird später in der Schau auf Informationen erster und zweiter Art, Informationsverarbeitung und Informationsentstehung bei Fuchs-Kittowski noch einmal eine Rolle spielen.

Zu diesem Seminartermin sollen zunächst Argumente im Umfeld des Capurroschen Trilemmas genauer betrachtet werden, wie sie Capurro selbst in seinem Aufsatz, Peter Janich in seiner Replik (ebenda), in seinem Buch "Was ist Information?" sowie Capurro, Fleissner, Hofkirchner in ihrer Debatte auf den Tisch bringen. Eine gewisse Systematisierung der Debatte findet sich im Übersichtsbeitrag von Heinz Klemm.

Ziel des Vortrags und der Diskussion soll es sein, die Breite der Argumente auf unser Thema "Web der Daten" und "Nachhaltigkeitsaspekte von Informationsgesellschaft" zu fokussieren.

Texte:

Hans-Gert Gräbe, 31.10.2012

Anmerkungen

Der angekündigte Vortrag fiel leider aus, so dass improvisiert werden musste, um sich einem tragfähigen Informationsbegriff zu nähern. Die Vielfalt der Dimensionen eines solchen Begriffs, wie sie mit Capurros Trilemma umfassender thematisiert und in Klemms Aufsatz vorsichtig angedeutet wird, konnte dabei natürlich nicht systematisch erschlossen werden. So beschränkte sich die Diskussion auf die Abwägung offensichtlicher und versteckter Dimensionen eines "naiven" Informationsbegriffs, wie ihn die Teilnehmer aus ihrer Alltagserfahrung mitbrachten. Doch auch hier war eine harte Debatte zwischen Philosoph und Informatikern zu erwarten, und so kam es denn auch.

Eingangs versuchte ich in einem Ad-Hoc-Impulsreferat vorsichtig, die Dimensionen von Capurros Trilemma aufzuzeigen, dass hier nämlich Informationsbegriffe auch im Bereich der Biologie und sogar der "unbelebten" Natur ins Visier genommen werden, die auch Peter Janich intensiv diskutiert, ehe er zu seinem Diktum kommt, nur eine Philosophie der Information zu betreiben, "die auf gelingende menschliche Kommunikation" ausgerichtet ist.

Eine solche Einschränkung lag unserer Diskussion als Setzung zu Grunde, so dass wir uns einem so zu prägenden Informationsbegriff vom Kommunikationsakt her näherten. Hier kamen wir schnell darauf zu sprechen, dass es bei einem Sender-Empfänger-Bild von Kommunikation der Formung eines realweltlichen "Dings" bedarf, das den zu übermittelnden "Gedanken" transportiert und der Gegenseite erlaubt, diesen "Gedanken" wieder "auszupacken". Ein sehr mechanistisches Bild, denn es war schnell klar, dass

  • der "ausgepackte" Gedanke niemals genau der "eingepackte" ist bzw. sein kann (für Informatiker, die in verteilten Umgebungen programmieren, ein weitgehend einsichtiger Einwand) und
  • es nicht nur der "Formung eines realweltlichen Dings" bedarf, sondern auch eines Transportmediums samt "Übersetzungseinheiten" auf Sender- und Empfängerseite.
Der Einwand, dass Kommunikation niemals eine Einbahnstraße sei, sondern außer dem Strom der "Signale des Mitteilens" ein für "gelingende Kommunikation" ebenso wichtiger entgegengesetzter Strom der "Signale des Verstehens" betrachtet werden müsse, wurde dahingehend abgebürstet, dass auch jener Strom in einzelne Kommunikationsakte zerfalle. Das gleiche Schicksal ereilte mein Versuch, ein Mehr-Schichten-Modell der Kommunikation in die Debatte einzubringen. Wir kommen im weiteren Verlauf des Seminars darauf zurück.

Die Gründe für eine solche Engführung der Diskussion durch unseren Philosophen sind einsichtig, denn ihm standen sicher die Haare zu Berge, so unkonditioniert von "Gedanken" sprechen zu hören, die schlicht "übermittelt", "transportiert" usw. werden, ohne überhaupt einen Gedanken auf die Genese der "Gedanken" selbst zu verschwenden. Hatten wir doch gerade im letzten Seminar konstatiert, dass Philosophie - nicht im Sinne einer Spezialdisziplin, sondern einer menschlichen Technik - erst dort beginnt, wo über das Denken selbst nachgedacht (und kommuniziert) wird.

Wir haben dabei die Tür einen Spalt weit geöffnet zu einer großen philosophischen Debatte über Ideen, Ideenhimmel, Religion und Gott, denn wenn der "Gedanke" auf dem aufgezeigten Weg in den Kopf des Empfängers hineinkommt, ergibt sich als logische Frage, dass der "Gedanke" ja auch irgendwie in den Kopf des Senders hineingekommen sein muss und die Frage nach dem "ersten aller Köpfe". Mein Einwurf und Klemms Überschrift "Moses als Informator" (so ist ein Begleitkasten in Klemms Aufsatz überschrieben) bezieht sich auf die Geschichte am Berg Sinai (2. Mose 19 und 20), also den mythischen Ausgangspunkt, an welchem DAS WORT unter die Menschen kam. Kleemann wies darauf hin, dass jedes solche Bild, so implizit es auch sein mag, zugleich ein Bild vom Menschen - also ein Menschenbild - konstituiert.

Etwas ins Hintertreffen geriet in der Diskussion das hauptsächliche Anliegen von Klemms Aufsatz - die Frage der Vielfalt der Informationsverständnisse in der historischen Entwicklung der Menschen selbst, die eine klare Beziehung zwischen der Entwicklung des dominanten Menschenbilds und der Entwicklung eines dominanten Informationsbegriffs nahe legt. Im weiteren Verlauf des Seminars wird es wichtig sein, eine solche Genese genauer zu verfolgen.

Hans-Gert Gräbe, 18.11.2012


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