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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2010-11-15


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"Kreativ"-Wirtschaft in der "post-industriellen" Gesellschaft

Termin: Montag, 15.11.2010, 17.15 Uhr

Ort: Uni Leipzig, Universitätsstraße 7, Seminargebäude, Raum 1-10

Impulsbeitrag: Florian Krahmer - Gesellschaft für digitale Medien, Kunst und Kultur Leipzig

Ankündigung

Welche Stellung nimmt die "Kreativ"-Wirtschaft im aktuellen Wandel ein? Ist sie Hoffnungsträger, Job- und Innovationsmotor oder eher ein weiterer "Hype", der durchs Dorf getrieben wird? Und was verbirgt sich gar hinter dem Begriff "Kreativ-Industrie"? Kann es eine industrielle Form der "Kreativ"-Wirtschaft geben? Wie kreativ kann diese sein? Und was bedeutet das Gerede von einer "Kreativ-Industrie" in einer Gesellschaft, die von einigen gar als "post-industriell" bezeichnet wird?

Notizen

Im Vortrag ging es zunächst um den Begriff "Kreativwirtschaft", dem in den offiziellen Diskursen zur "digitalen Gesellschaft" eine wichtige Rolle zukommt und der als "Boombranche" und "zentrales Zukunftsfeld" in Szene gesetzt wird. Dabei ist, wie der Referent deutlich machte, selbst die Abgrenzung als Branche - etwa in einer volkswirtschaftlichen Rechnung und entsprechenden Statistiken - problematisch, da Schwergewichte dieser Branche wie die Verlage oder die Musikindustrie weniger mit Kreativität als vielmehr der Vermarktung der Produkte von Kreativität befasst sind. Auch zeigt ein genauerer Blick auf die dabei generierten Umsätze, dass ein großer Teil davon in den "alten" Industrien Herstellung, Lagerung, Verpackung, Transport entsteht, also eine enge Verflechtung neuer und alter Branchen eher typisch ist.

Der öffentliche Diskurs bleibt eine solche präzise Abgrenzung schuldig, so dass zu fragen ist, ob das Bild einer "Boombranche" der Realität entspricht bzw. an welchen Maßstäben eine solche Frage überhaupt sinnvoll zu diskutieren ist.

Es bleibt der - vom Referenten im Weiteren kräftig genährte - Verdacht, dass hier "öffentliche Meinung" produziert wird, um in der klassischen Arbeitswelt nicht mehr unterzubringenden Menschen ein Beschäftigungs- und Selbstbeschäftigungsritual aufzudrängen, das diese als Person voll ausfüllt und davon abhält, über die eigene Lage intensiver nachzudenken. Eine besondere Rolle scheint dabei die - wirkliche oder manipulativ erzeugte - intrinsische Motivation dieses "neuen Prekariats" zu spielen.

Um eine solche Szene am Laufen zu halten, werden (bisher) nicht unerhebliche staatliche Transfermittel eingesetzt, die als Projektförderung ausgeschüttet werden, und um die sich die "Kreativen" auf einem Projektmittelmarkt im Wettbewerb befinden. Mit diesen Mitteln und den - unter Wert verkauften? - zusätzlichen Leistungen der "Kreativen" werden heute nicht nur neue Bereiche einer "Kreativwirtschaft" aufgebaut, sondern auch wichtige Teil der städtischen kommunikativen und sozialen Infrastruktur reproduziert, ohne die städtisches Leben (die "Kreativindustrie" war für den Referenten und auch in der Diskussion ein städtisches Phänomen) in der heutigen Form nicht möglich wäre. Die spätere großflächige Enteignung solcher "Werte" durch Gentrifizierungsprozesse und der Widerstand auch der "Kreativen" dagegen ist in der Literatur vielfach beschrieben.

In der Diskussion ging es vor allem um die Frage, ob das Phänomen "Kreativindustrie" allein mit einer solchen Beschreibung umfassend verstanden ist oder hier nicht doch genauer hingeschaut werden muss, welche gesellschaftlichen Wandlungsprozesse möglicherweise im Hintergrund ablaufen. Das soll in der Diskussion zum nächsten Seminartermin weiter vertieft werden.

Hans-Gert Gräbe, 16.11.2010


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