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Hans Gert Graebe / Seminar Wissen /
2010-01-28


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Open Design

Termin: Donnerstag, 28.01.2010, 19 Uhr

Ort: Interim Johannisgasse 26, 1. Etage, Felix-Klein-Hörsaal (Uni Leipzig)

Vortrag: Arian Storch

Ankündigung

Der Open Design Ansatz verallgemeinert eine Überlegung, die dem Open Source Prinzip im Bereich der Entwicklung von Software zu Grunde liegt - das gemeinsame Bewirtschaften eines freizügig zugänglichen Pools von Ideen, Bauplänen und mehr oder weniger formalisierter Vorgehensbeschreibungen erlaubt es, neue Synergien zu heben und Kooperationsformen zu leben, die in einer durch starke Eigentumsrechte und Abgrenzung geprägten Umgebung nicht denkbar sind. Dabei kommt die Spezifik des "Teilens von Wissen" zum Tragen - geteiltes Wissen ist verdoppeltes Wissen.

Im Open Design Ansatz trifft diese zunächst auf "immaterielle Güter" beschränkte Idee auf ihr praktisches Gegenstück - Ideen, Konzepte und Wissen stehen nicht für sich allein, sondern dienen dazu, das eigene Leben zu gestalten. Wenn man sich über Ideen und Konzepte (Rezepte) austauscht, dann will man diese - auf die eigenen Intentionen und Bedürfnisse heruntergebrochen - auch ausprobieren, will selbst fühlen, ob und wie sie das eigene Leben angenehmer machen. Schnell geht der Austausch von Ideen über in den Austausch und die gemeinsame Herstellung von Artefakten, die zur Verwirklichung der Ideen erforderlich sind, die gemeinsame Anschaffung von Werkzeugen und Maschinen usw. Die ideelle Welt trifft so sehr unmittelbar auf die materielle Welt.

Spannend und weit verbreitet sind diese Dynamiken seit langer Zeit beim gemeinsamen Kochen, beim "Tuppern" und in anderen geselligen Kreisen. Das Internet eröffnet auch in diesem Bereich ganz neue Möglichkeiten, solche Gemeinschaften zu pflegen und zu entwickeln. Schärft man den Blick für dieses Phänomen, so wird man es bald an vielen Stellen in unaufgeregter Form seine Wirkung entfalten sehen - allerdings weitab vom medialen Mainstream.

Links:

Berichte

Thema der Veranstaltung waren die umfangreichen Möglichkeiten des Internets (u.a.), spezielles Wissen für Viele zugänglich zu machen und - ähnlich einer selbst gesteuerten Blueprintauflage von Bauplänen - Grundrichtungen von Entwicklung in Technik, Kultur (hier ging es um das Kochen) und Wirtschaft bedürfnisorientiert und kostengünstig weiter zu entwickeln.

Der Referent skizzierte zunächst die grundlegenden Abläufe von Entwicklung (allgemein), um im Anschluss daran die sich gerade kristallisierenden Zweige im Internet - aber auch im wirklichen Leben - zu referieren. Der Vortrag war umfangreich und detailliert gestaltet, die Diskussion kam am Ende des Vortrages, moderiert durch Prof. Hans-Gert Gräbe, recht schnell in Gang, wobei sowohl Storch als auch Gräbe verdeutlichten, dass es hier zunächst nicht um rechtliche Aspekte (Markenschutz, Urheberrechte u.ä.), sondern vordergründig um die Entwicklung selbst sowie deren Instrumente geht.

Es wäre schön, wenn der Vortrag im Internet zur Verfügung stünde, da er doch ein immer weiter keimendes Thema auf sachliche Weise darzustellen vermochte. Noch immer lassen sich abseits der üblichen Modelle, wie Selbsthilfewerkstätten, Autorenkreise und Kochgemeinschaften wenige Praxisbeispiele im Internet finden, die zur Kooperation anregen.

Ingo Groepler-Roeser, 09.02.2010


In der Diskussion ging es in der Tat schnell zur Sache und dabei vor allem um zwei Punkte

  1. Welches Potenzial hat Open Design und wie weit setzt es nicht doch die Industriegesellschaft voraus, als Moment von deren Überwindung der Ansatz von vielen Protagonisten gesehen wird? Zugespitzt in der Frage, wann der praktische Einsatz der ersten nach dem Open Design Prinzip hergestellten Herzschrittmachers zu erwarten ist und welcher der Proponenten zu diesem Eigenexperiment bereit sein wird.
  2. Vor welchen Hürden steht der Ansatz in einer Gesellschaft, in der nicht nur Urheberrechte und Markenschutzrechte gerichtlich eingeklagt werden, sondern Rechtsstreite auch um die profane Frage zugesicherter Qualitätsstandards von Zuarbeiten geführt werden? Ist die im Open Design Ansatz durchschimmernde Heimwerkerperspektive - oft unter dem Label des "Prosumenten", des mit eigenen produktiven Aktivitäten am eigenen Konsum Beteiligten, scheinbar positiv konnotiert - eine wirkliche Weiterentwicklungsperspektive der heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft oder maximal eine Facette derselben? Wenn letzteres, wo ist deren Platz im Gefüge produktiver Aktivitäten?
In beiden Fragen kann man auf die "ganz andere Gesellschaft" verweisen, deren Dynamiken sich erst im Werden entfalten können. Allerdings geht damit auch der Blick für den dynamischen Charakter des Open Design Ansatzes verloren, der gerade nicht in den "toten" Bauplänen zu suchen ist, sondern im "lebendigen" alltäglichen Umgang mit ihnen. Es geht nicht primär um die Weitergabe von Wissen, sondern um die Entwicklung und Ausprägung einer kommunikativen "Szene" lebendiger Menschen, die sich der Weiterentwicklung konkreter offener Designs verschrieben haben. So lange solche an konkreten Themen orientierte Szenen existieren, so lange "leben" auch die Themen. Die Masse der aufgelassenen Projekte im Internet zeigt, dass dies nicht selbstverständlich ist.

In der weiteren Diskussion kam dann auch dieser reproduktive Aspekt stärker zur Geltung. In heutigen Debatten wird dabei oft zwischen kooperativem und kollaborativem Handeln unterschieden, wobei der letztere Begriff in Abgrenzung von ersterem den Verlässlichkeitsaspekt gemeinsamen Handelns wieder stärker betont als den Aspekt der freien Wahl, der im Begriff Kooperation - insbesondere im Begriff der "freien Kooperation" Spehrscher Prägung - stärker betont ist. Damit schließt sich allerdings der Kreis, denn für mich sind die rechtlichen, insbesondere vertragsrechtlichen Instrumente der Herstellung von Verbindlichkeit eine wesentliche kulturelle Errungenschaft dieser kapitalistischen gegenüber allen vorherigen Gesellschaften.

Hans-Gert Gräbe, 09.02.2010


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