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Hans Gert Graebe / Philo Debatte / 2018-06-20 |
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Im Zuge des "digitalen Wandels" werden insbesondere Beschreibungsformen verschiedenster Art in großer Detailliertheit verfügbar, die über entsprechende compute devices mit anderen prozessualen Elementen ganz unmittelbar interagieren. Theorie, Kalkül, Experiment, Simulation und praktische Produktionsprozesse rücken enger zusammen. Damit werden zugleich technologische Prozesse der Mechanisierung und Automatisierung zugänglich, die vor Kurzem noch – oft aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen – intensiver menschlicher Intervention bedurften. Die Folge sind (u.a.) das massive Freisetzen von Arbeitskräften und vor allem die "Entwertung" ganzer Berufsbilder. Welcher Zusammenhang besteht zwischen diesen Phänomenen der Informatisierung der Produktion und einer Semantifizierung der Welt? Wie müssen Begriffe wie Information und Wissen oder gar Technik (als gesellschaftsmächtig verfügbares Verfahrenswissen) gefasst werden, um derartige Veränderungen adäquat zu beschreiben? Drei Inputs stehen für die Diskussion zur Verfügung:
Das Thema erwies sich insgesamt als sehr sperrig und schwer zugänglich. Was bedeutet Göhrings Formel "vernetzen, ohne sich zu vernetzen" praktisch? Welche Konzeptionen einer kapitalistischen Ordnung sind aufzurufen, um über derartige Phänomene qualifiziert sprechen zu können? Wie sind die zweifellos zu beobachtenden fundamentalen gesellschaftlichen Umbruchphänomene zu würdigen? Sind sie Zeichen eines "Ende des Kapitalismus" oder nur Zeichen eines "Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen" (Altvater)? In welchen Begrifflichkeiten kann man zunächst diese beiden Perspektiven einer kapitalistischen Ordnung selbst fassen – ungeheure Wandlungsfähigkeit der einen Formelemente und zugleich Beharrungsvermögen anderer, fundamentalerer Formelemente? Robert Kurz hat in seinem Aufsatz
Über das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit und deren Bezug zu "freier Kooperation
Nicht einigen konnten wir uns in der Frage, welche Bedeutung Aushandlungskulturen im gesellschaftlichen Zusammenleben zukommt. Sind diese (bürgerlichen) Aushandlungskulturen mit ihren Institutionen, Regeln, Verfahren und Praxen ein Charakteristikum einer kapitalistischen Organisation von Gesellschaft oder haben sie Bedeutung für die Bewegungsformen jeder hochtechnisierten Gesellschaft? Führt die Steigerung der Komplexität von Aushandlungsprozessen durch "Informatisierung der Produktion" allein zu einem "perfekteren Kapitalismus" oder ist (meine Unsere Diskussion kreiste um den Beitrag, den Schule zu derartigen Aushandlungskulturen zu leisten vermag. Zwei Dimensionen wurden identifiziert:
Diskutiert wurde die Frage nach Teilhabe an diesen Aushandlungskulturen. Sind daran nur die "Eigentümer" beteiligt oder auch der "doppelt freie Lohnarbeiter", der nicht nur frei ist Verträge zu schließen, sondern auch frei von Produktionsmitteln und damit gezwungen, sich als Lohnarbeiter zu verdingen (so in Kurzform die klassische traditionsmarxistische Lesart). Nennen wir die Instanzen beider Spezies deshalb wie üblich "Bourgeois" und "Proletarier". Wir diskutierten das Bild eines "Platzes in der Gesellschaft", das auch Proletariern, zumindest in deren Selbstwahrnehmung (Arbeit, Famile, Freizeit – was will man mehr), zugeschrieben wurde. Eine solche "zufriedene" Sichtweise steht natürlich dem Imperativ entgegen, Damit haben wir aber noch keinen Blick auf die Aushandlungskulturen selbst geworfen und meinen zentralen Kritikpunkt an Witte (und Göhring) nicht einmal berührt – welche Bedeutung haben Begriffsbildungsprozesse als zentraler Punkt von Semantic Web Technologien in diesen Aushandlungskulturen? Wieso ist das vor 20 Jahren prognostizierte "Ende des Kapitalismus" nicht eingetreten, sondern das Gegenteil? Fragen über Fragen, die es wert wären, noch einmal aufgegriffen zu werden. Und hier noch zwei ältere Arbeiten von mir (als Teil eben jener Debatte vor 15 Jahren):
Gaston Lubetzki fragte auf der rk-Liste, warum die Konzentration der Diskussion auf den "doppelt freien Lohnarbeiter"? Immerhin besitze er doch etwas, seine Arbeitskraft (verstanden als "arbeitende Masse mal Beschleunigung; auch Wissen und Fertigkeiten, sprich Vermögen, resp. Eigentum" ...). Und diese Tendenz im Prozess bestimme seine Position mit. 1. Wir führten eine argumentative Analyse und Betrachtung einer theoretischen Sicht (auf der Basis der Texte von Göhring und Witte) auf die moderne Entwicklung durch. In dieser wird ein Menschenbild angenommen (der robinsonadische vertragsschlussfähige Einzelne), ein Weltbild (Konkurrenz-Kapitalismus, in dem nun die Informationstechnologie auftaucht) und eine Weltanschauung (seid beruhigt, der Kapitalismus der Konkurrenz zerbricht am Kooperationszwang der digitalen Welt). 2. Das ist zu flach, war die Einsicht, die der vortragende Kollege betonte. Grund Menschenbild. 3. Es braucht keinen Marxismus, um die Enge auch zu benennen. Eine rein formale Bestimmung des Menschen über seine Handlungsfähigkeit, welche hier formale Gleichheit und Vermögensanerkennung als Basis der Vertragsschlussfähigkeit bedeutet, verkennt die historischen und spezifischen Umstände. Einmal kann man so etwas über die Bourdieuschen Wege lösen und bildet andere Kapitalarten, wie kulturelles .... Oder man fasst dasselbe als analytisches Problem mit einer Typusbeschreibung, wie der doppelt freier Arbeiter. 4. Der Mensch setzt immer Arbeitskraft um im physikalischen Sinne, das ist aber nicht Arbeit im Sinne der Zukunft der Arbeitswelt, sondern im Sinne der Tätigkeit allgemein. Man kann nicht einfach Lohnarbeit und menschliche Tätigkeit gleich setzen. 5. In dieser Logik (damit ist nicht gesagt, dass das richtig ist oder allein die Meinung von irgendjemand) ist die formale Vertragsschlussfähigkeit universal, sowohl rechtlich als auch historisch. Den Arbeiter unterscheidet aber vom Bürger, das ersterer doppelt frei ist. Zum einen frei wie jeder, nämlich Verträge zu schließen. Aber zum anderen frei von Produktionsmitteln (Kapital, Bildungselemente, Rente); er muss lohnarbeiten. Erstens, weil er sonst verhungert. Zweitens wird er in eine Position gezwungen, die ihn entfremdet im Sinne des Anhängsels an eine Maschine oder noch allgemeiner im Produktionsprozess aufgrund seines Herkommens und der damit verbundenen und erworbenen Kompetenzen. Er kann nichts anderes. Drittens, weil er es wirklich will, doppelte Entfremdung. Er sagt nämlich schön bürgerlich: menschliche Tätigkeit, physikalische Kraftübertragung ist der natürliche Sinn des Lebens, Lohnarbeit gehört zur Natur. 6. Damit ist die formale Robinsonade nicht falsch und bürgerliche Rechte sind auch wirklich eine Errungenschaft, aber das formale Subjekt keine Analyseeinheit, welche über den Kapitalismus Auskunft gibt, sondern auf dem selben Niveau schwadroniert. Klar ist dann, der Kapitalismus ist bloße Konkurrenz und die Informationstechnologie die große kooperative Befreiung. Wie eng und unmenschlich gedacht!!!! 7. Damit bestimmt eben nicht diese schlaue vorliegende Auflistung die Position, sondern der Mensch selbst als Produkt und Produzent der gesellschaftlichen Verkehrsformen. Welche Tendenz? im Prozess? bestimmt seine Position? Solches Fragen zeigt nur, dass die Redeebene der Analyse kaum verstanden wurde, auch nicht verstanden wurde, was die Figur ausdrücken soll, und auch nicht verstanden wurde, dass man über den Kapitalismus reden kann einmal mit und noch einmal über ... 8. Und was für ein Eigentumsbegriff soll denn das sein in dieser ominösen Listung? Die Fotos und Klamotten auf seinem Leibe sind kein Eigentum im Sinne der Produktionsmittel. Welche hat er denn – Aktien? Bargeldvermögen? Bildungsabschlüsse? Soziale Verbindungen? Renten? Naja, die meisten haben Derartiges nicht. 9. Na ja, wenigstens besitzt er seine Arbeitskraft, also was soll denn das Reden über "doppelt frei", es ist doch alles super .... Das ist jetzt extra zynisch: denn solches Reden thematisiert derartiges flaches Denken, welches vor lauter Formalitäten die realen historischen Verhältnisse nicht mehr sieht. Vielleicht haben wir keine Klassen mehr, aber über Schichten redet jedes sozialwissenschaftliche Institut und auch eine Bundesregierung, aber klar, Rechtsgleichheit und soziale Gerechtigkeit sorgen schon für einen Ausgleich ... Ja, auch das war zynisch, und die Zuläufe der AfD sollten solchen bürgerlichen Friedensvisionen doch nun langsam den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Unsere Diskussion war eine Analyse, die diese flache Denkungsart mit in die Betrachtung gezogen, sie nicht negiert, sondern auf ein anderes Level gehoben hat, denn nur so kommt man vielleicht und nur vielleicht zu einer anderen Interpretation der heutigen Entwicklung, welche nun mal nicht im großen Kooperationshimmel endet. Ken Kleemann, 24.06.2018 Zwei Anmerkungen meinerseits: 1) Wir bemühen uns mit der Philodebatte, vorhandene Argumentationen genauer zu verstehen und auf ihre Tragfähigkeit und Defizite hin abzuklopfen. Der Ansatz des "doppelt freien Lohnarbeiters" und die Entgegensetzung von "Bourgeoisie" und "Proletariat" hinsichtlich der Verfügung über Produktionsmittel ist ein Denkansatz, den Marx auf der Basis der Analyse der sich gerade entwickelnden Industriegesellschaft und seiner Studien dem vorgängiger Klassengesellschaften entwickelt. Historische Genese, kulturelle Errungenschaften, aber auch die Begrenztheit der bürgerlichen Gesellschaft in diesem Theorieansatz machen Marx und Engels im "Manifest" besonders deutlich. Eben Moglen hat in seinem "dot communist manifesto" diesen Denk-Ansatz aufgegriffen, dekliniert ihn aber auf der Dichotomie "creator" und "owner" durch. Ich denke also, dass es mehr als legitim ist, sich die Argumente dieser Denktradition zunächst zu eigen zu machen, zumal Göhring und Witte sich dezidiert in dieser Denktradition bewegen.
Ich denke auch, dass dies auf einem anderen argumentativen Niveau geschehen sollte als etwa aktuell Dazu gehört, den Arbeitsbegriff nicht so krude zu reduzieren. Ich denke, Peter Ruben hat hier Ende der 1990er Jahre ein paar grundlegende Pflöcke eingeschlagen, siehe
2) Unsere Debatte hat zwei große Defizite aufgezeigt. Eines habe ich in meinen Anmerkungen thematisiert – die gesamte Debatte um das Konzept einer Freien Gesellschaft "mit großem F", wie es nach 2000 geführt wurde, blieb komplett ausgeblendet. Das wäre ggf. nachholbar, die entsprechenden Texte sind im Netz kompakt verfügbar (etwa im Kontext des Oekonux-Projekts). Das zweite hatte Gaston angesprochen – wie relatieren die marxistischen Ansätze des Gegensatzes von "Bourgeoisie" und "Proletariat" zu den existenziellen globalen Herausforderungen, die vor der Menschheit stehen. Das halte ich für ein extrem schwieriges Thema, das nicht ohne eine Verständigung über die Bedingungen der Möglichkeiten gesellschaftlichen Handelns angegangen werden kann, wenn man nicht in blankem Utopismus enden möchte. Das Thema haben wir – ich denke, aus gutem Grund – am 20.6. zunächst überhaupt nicht weiter verfolgt. Hans-Gert Gräbe, 24.06.2018
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