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Hans Gert Graebe / Philo Debatte /
2015-04-23


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Technik und Sprache. Innensicht eines Scientisten

23.04.2015, 17:00 Uhr im Neuen Senatssaal der Uni Leipzig, Ritterstraße 26.

Ankündigung

Die Verbindungen von Technik und Sprache sind im digitalen Zeitalter vielfältiger denn je. Technik(en) zur Unterstützung sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten in Textform gibt es zwar deutlich länger (etwa die gute alte Schreibmaschine), eine enorme, bis heute kaum in Gänze begriffene Aufwertung erfuhren diese Ausdrucksmöglichkeiten jedoch durch die Erfindung des WWW. Neben der Kakophonie individuell-öffentlichen Schnatterns steht die Möglichkeit, vernetzte kooperative Formen von Sprache und Sprechen auch technisch zu unterstützen. Dies wird mit semantischen Technologien des Web 2.0 noch einmal wesentlich erweitert.

Es gilt aber auch umgekehrt "Sprache stützt Technik". Nach Marx unterscheidet sich bekanntlich die beste Biene vom schlechtesten Baumeister darin, dass letzterer den Bau schon im Kopf, also in sprachlicher Form vollzogen hat, bevor der Bau praktisch beginnt. Dies gilt für alle technischen (oder "artifiziellen" - J. Mittelstraß) Artefakte. Technik ist in diesem Sinne "geronnene Sprache".

Bisher wurde das Wort "Technik" im naiven Sinne gebraucht. Wikipedia unterscheidet allein vier grundsätzlich verschiedene Bedeutungen dieses Begriffs. Im Vortrag werde ich die enge Verzahnung nicht nur von Technik und Sprache, sondern auch von Sprachentwicklung und Technikentwicklung aufzeigen und Argumente präsentieren für die These "Technik ist Sprache".

Hans-Gert Gräbe, 12.03.2015

Anmerkungen

Thesen - S. 10

  • Technik und Sprache sind keine Kultur-Produkte, sondern immanente Momente von Kultur selbst.
  • Für die vor uns stehenden Herausforderungen ist ein Verständnis von Sprache als Grundlage des Herstellens von reflektiven Bedingungen erforderlich, das nicht nur die individuelle Ausdrucksfähigkeit (das Wort), sondern auch kooperatives Handeln (die Tat) im Blick hat.
  • Kooperatives Handeln setzt nicht nur die Entwicklung von Wissenschaft und Technik, sondern vor allem die Entwicklung gemeinsamer Sprache in einem Umfang voraus, wie er seit dem legendären Turmbau zu Babel nicht mehr in der Welt war.
  • Technik ist geronnene Sprache und damit Basis für sprachliche Weiterentwicklung.
  • Sprachliche Weiterentwicklung ist die Basis für die Weiterentwicklung von Technik
Auch wenn ich nicht alles zu deinem Vortrag im Einzelnen gelesen habe, kurz zu dem oben stehenden Thesen einige Gedanken: Sprache ist nicht nur selbst eine Technik der Kommunikation und damit Moment der sich entwickelnden Kultur im interpersonalen Verhältnis (also von Individuen, die sich auf gleicher Ebene begegnen), sie ist nicht minder ein Mittel und damit Ausdruck der sozialen Verhältnisse (und damit auch in der vertikalen Struktur als Herrschaftsmittel in der Arbeitsorganisation und als Herrschaftsmittel). Und wie in der Technik auch Sprache gerinnt und in der Sprache sich kommunikative Techniken verfestigen, so sind beide - Technik wie Sprache und das in ihrem Wechselverhältnis - zugleich Ausdruck und Entwicklungsmoment (d.h. Resultat wie Bedingung weiterer Entwicklung) sozialer Verhältnisse.

In der Technik, in den Werkzeugen und den damit verknüpften Technologien werden uns nicht nur handwerkliche oder heute industrielle Techniken überliefert, sondern ebenso deren soziale Gestaltung. Das Beil in seiner einfachsten Form aus Stein kann ich als einzelnes Individuum herstellen und nutzen, kann mich gleichsam vereinzeln und damit agieren, gleichwohl es bereits eine lange Erfahrung in sich birgt; eine Fertigungsstraße mit allen ihren ineinandergreifenden Aktionen, Werkzeugen, Steuerungselementen kann ich weder allein konzipieren, herstellen noch damit agieren; und sofern letzteres, dann nur als Ergebnis kollektiver Arbeit. All das bringt in sich auch einen jeweils gesellschaftlich bedingten, also historisch spezifischen Sprachgebrauch hervor.

Dazu einige Beispiele: In Gesellschaften, in denen es noch keine Abgrenzung gegenüber der wahrnehmbaren äußeren Natur und den darin inbegriffenen sozialen Gruppen, noch keine Vereinzelung gab, alles noch kollektiv vollzogen wurde, gab es keinen Begriff für "Ich" (wie ein Psychologe aus Hannover in Südvietnam in den 60er Jahren zu seinem Erstaunen feststellte).

Oder: Der Ausdruck Industrie beinhaltete um 1800 etwas anderes (er bezeichnete zunächst die formale Qualifikation im Hinblick auf eine vielfältige Verwendbarkeit im Gegensatz zu der Qualifikation in gebundenen Rollen des Handwerks oder in der Landwirtschaft, [Bertuch in Weimar übersetzt Anfang der 1790er Jahre "l´art el l`industrie" kurz mit: "Kunst und Fleiß"]) als wir heute im Begriff uns anschaulich mit entsprechendem Technikverständnis, vor allem aber auch mit den darin implizierten sozialorganisatorischen und nicht zuletzt auch sozialpsychologischen Aspekten der erforderlichen Disziplinierung der Subjekte vorstellen. Gleiches lässt sich mit Termini wie Automatisierung, Fließband oder Computerisierung zeigen - alles Ausdrücke nicht nur technisch-technologischer Gegebenheiten, sondern nicht minder sozialer Praxen, die wiederum zu besonderen sprachlichen Techniken, sowohl auf der technischen (im besonderen Fall auch eigenen Sprachen) wie auf der allgemeinsprachlichen Ebene führen.

Jürgen Stahl, 21.04.2015


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