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Hans Gert Graebe / Philo Debatte /
2014-06-12


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Zu einer Theorie des Subjekts

12.06.2014, 17:15 Uhr im Raum P-702, Paulinum der Uni Leipzig (7. Etage), Augustusplatz.

Ankündigung

Zur letzten Diskussion am 10.04.2014 wandte Herr Kleemann ein, dass es wenig hilfreich sei, Vertrauen, Synergien und Kooperation ohne deren Gegenpole Misstrauen, Differenzen, Konkurrenz zu denken, ja dass jede Argumentation, die nicht beide Pole gleichzeitig in den Blick bekäme, sich Einseitigkeit vorhalten lassen müsse.

In diesem Zusammenhang verwies ich auf zwei Diskussionen zum Thema "Kooperation und Konkurrenz - Einheit von Gegensätzen", die 2002 im Oekonux-Kontext geführt wurden.

Dort gibt es auch Verweise auf eine weiterführende, mittlerweile gut vergessene Diskussion, die sich insbesondere am Text entzündete. Dies wollen wir weiter vertiefen und auch genauer betrachten, in welcher Weise derartige Setzungen unsere eigene Epistemik prägen, um einem eigenen Verständnis eines "Begriffs der Kultur" (Metschers Thema, das diesmal nur marginal berührt wurde) näher zu kommen.

Herr Kleemann bereitet dazu einen Impulsbeitrag "Zur einer Theorie des Subjekts" vor.

Für einen weiteren Termin liegt das Angebot von Lars Göhler auf dem Tisch, etwas zu "Sprache und indische Philosophie" beizutragen.

Hans-Gert Gräbe, 03.06.2014

Anmerkungen

Thema und Referat versprachen einen stärker innerphilosophischen Fokus unserer allgemeinen Debatte in den Mittelpunkt zu rücken - und so kam es auch. Es ging um nicht weniger als das Ausloten der Tiefen, in denen eine zeitgemäße "Theorie des Subjekts" zu verankern wäre, um von dort aus auch den Gegenpol in den Blick zu bekommen, der Techniker und Wissenschaftler gleichermaßen bewegt: Was ist Objektivität des Wissens, wie einen solchen Begriff fassen, nachdem unsere bisherige Debatte einen naiven Objektivitätsbegriff insoweit dekonstruiert hatte, als die veritabel erscheinenden Fundamente des "gesunden Menschenverstands" selbst in einem Meer von Subjektivität - Erfahrungen, Erwartungen, Interessen, kulturellen Prägungen, sozialen Einbettungen usw. - zu schwimmen scheinen. Ein Subjekt, das auch nach den "Bedingungen der Möglichkeiten eigenen Erkennens" fragen kann, muss Begrifflichkeiten auch für ein derartiges "Schwimmen" entwickeln.

Kleemanns Thema waren vor allem die Probleme eines nicht nur tragfähigen, sondern auch diskursfähigen Zugangs zur Problematik im Kontext aktueller philosophischer Debatten. Drei Komplexe von Hindernissen wurden dabei thematisiert:

1) Aktuelle, vor allem aus französischen Quellen gespeiste Diskurse, in denen die Fragestellung nach einer "Theorie des Subjekts" selbst - in einer sehr streitbaren, wenn nicht gar streitsüchtigen Weise - zugunsten eines weitgehend subjektlos gedachten "Stroms der Ereignisse" als unfruchtbar abgewiesen wird.

Kleemann sah wenig Berechtigung, hierfür die französische Philosophie der 60er Jahre in den Zeugenstand zu rufen - die Argumente jener Zeit seien deutlich differenzierter ausgefallen.

2) Eine wenig adäquate Rezeption der Quellen der Philosophie des 20. Jahrhunderts, die vor allem als Kritik einer Bewusstseinsphilosophie vorgetragen wurden, wie sie noch Ende des 19. Jahrhunderts in hoher Übereinstimmung der Ansätze die philosophischen Diskurse bestimmt hatte.

Kleemann argumentierte, dass es mit der Verfeinerung der Mittel einer solchen Kritik im 20. Jahrhundert zu einer Ausdifferenzierung der Philosophie in drei große Strömungen gekommen sei,

  • eine analytisch-pragmatische Richtung,
  • eine existenzialphilosophische Richtung und
  • eine sozialkritische "Freudsche Linie" (Neomarxisten, Frankfurter Schule),
die aktuell alle drei von einer neurowissenschaftlichen Debatte herausgefordert sind, auf die bisher keine überzeugenden philosophischen Antworten gefunden worden seien.

Hier das Kind mit dem Bade auszuschütten und eine moderne Philosophie allein oder auch nur vorwiegend neurowissenschaftlich zu fundieren wäre nicht nur aus prinzipiellen kulturhistorischen Gründen heraus töricht, sondern würde auch das Verhältnis zwischen Philosophie und Einzelwissenschaft verfehlen.

3) Eine schwierige und im Kontext der deutschen Philosophie(geschichte) wenig vorurteilsfrei zu thematisierende Frage ist das Wechselverhältnis zwischen einem systematischen und einem systemischen Zugang zu einer Theorie des Subjekts.

Hieran entzündete sich dann auch die Diskussion, die sich zwischen der Betonung der Möglichkeiten und der Fallstricke einer "freien Assoziation" auf der Basis von Listenbegriffen bewegte. Spannend für mich hier eher die Frage, in welchem "Scope" eine solche Debatte geführt werden müsse, welche Domänen nach "listbaren Begriffe" zu durchsuchen wären und wie weit hier Anschlussfähigkeit nicht nur zu einzelwissenschaftlichen Diskursen überhaupt herzustellen wäre, sondern zu "gelingenden" solchen Diskursen. Eine erste epistemische Frage wäre also die nach dem Gewicht einzelner in einer solchen Liste zusammenzutragenden Aspekte mit Blick auf deren nachhaltigen Einfluss auf die Fortentwicklung unserer Kultur insbesondere in der Form von Technik. Was aber bereits klare Begrifflichkeiten voraussetzt, um über diesen Einfluss auf Kultur und Technik zu sprechen. Einfacher als ein solches Henne-Ei-Problem ist das Ganze nicht zu haben.

Kleemann verwies hier auf fruchtbare Debatten über ein solches Wechselverhältnis von Begriffs- und Sprachentwicklung, die sich um den Einfluss von Ästhetik und Kunst auf gesellschaftliche Entwicklungen herum entfalten - dies sollte ebenfalls mit einem Technikbegriff gelingen, der Technik als zentrales Moment von "Lebenskunst" fasst (hierzu etwa Capurro: Von der Technokratie zur Lebenskunst, schon 1992 (!) geschrieben).

Etwas unterbelichtet blieb mir im Impulsbeitrag und in der Diskussion die Problematik kooperativer Aktionsformen von Subjekten und die hierfür erforderliche Konstituierung und Weiterentwicklung von Kulturräumen. Eine solche Leerstelle fällt umso deutlicher auf, als Kleemann sonst stets betont, dass sich Momente von Subjektivität nur in Wechselwirkung mit sozialen Kontexten, in früher Geschichte vor allem der sozialen Gruppe, entwickeln und entfalten können. Wenn also Systemik als Systematik, so müsste dies wenigstens eine "koevolutive" Systemik des Werdens von "the subject" und "the social" sein.

Hans-Gert Gräbe, 15.06.2014


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