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Hans Gert Graebe / Philo Debatte /
2011-06-30


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Philosophie und Informatik - Eine Debatte

Anmerkungen zum 30.06.2011

Im Bemühen um die weitere Strukturierung unseres Diskurs-Topos haben sich zwei Aspekte ergeben.

1. Die Stratifizierung in "reale Welt", "digitale Welt" oder "Welt der Beschreibungen" und "Beschreibungen von Beschreibungen" wurde bereits beim letzten Mal als Ausdehung der "realen Welt" identifiziert, wo neue Beschreibungsebenen einerseits dazu dienen, die "alte reale Welt" genauer zu verstehen und handlungsmächtiger in ihr zu operieren, aber diese neuen Beschreibungsebenen ihrerseits auch "neue reale Welt" sind und und als solche einerseits mit der "alten realen Welt" interagieren und andererseits selbst wieder zum Gegenstand von Beschreibungen werden.

Kann das als weiterer Zuwachs der Komplexität von Strukturbildung schlechthin und damit als Fortschreibung des Prinzips des Negentropie-Zuwachses lebender Strukturen interpretiert werden? -- HGG

2. Von dieser (horizontalen) Strukturierung der "realen Welt" ist die vertikale Schichtung verschiedener Abstraktionsebenen zu unterscheiden. Unser erster Versuch, am Begriff "Menschenbild" Differenzen im Gebrauch im Kontext der Beschreibungen der "alten realen Welt" und der "digitalen Welt" auszumachen und damit die Strukturierung von Welt in "alte" und "digitale" auf dieser ersten Begriffsebene wiederzufinden, schlugen weitgehend fehl, so dass wir versucht haben, hier genauer hinzuschauen.

Spannend dabei die bereits beim letzten Mal hereingetragene Unterscheidung zwischen Beschreibungen und Beschreibungen von Beschreibungen, wie sie in modellgetriebenen und generativen Ansätzen der modernen Informatik auftauchen. Offensichtlich haben wir es hier mit dem Widerschein mehrerer Abstraktionsebenen zu tun, die provisorisch als Denken, Denken-Denken und Denken-Denken-Denken bezeichnet wurden.

Denken ist dabei nicht als autonome geistige Tätigkeit gemeint, sondern als "reale Welt", allerdings in dem Sinne, in welchem Denken das eigene Handeln in der "realen Welt" unmittelbar begleitet. Denken also als unmittelbares Meine-Welt-Denken, wie dies - das haben wir kontrovers herausgearbeitet - auch Tieren eigen ist. Dieses Denken schließt ein Selbstbild ein (das auch schon bei Tieren ansatzweise vorhanden ist) sowie die (spezifisch menschliche) Fähigkeit, über dieses Selbstbild abstrakt zu kommunizieren und dieses ontogenetisch zu entwickeln. Dies ist nur möglich auf der Basis eines - zunächst nicht reflektierten - Menschenbilds. Die Ebene des Denken-Denkens ist nun die Ebene, auf der dieses Menschenbild reflektiert wird und Begrifflichkeiten entwickelt werden, mit denen über diese Reflektion kommuniziert werden kann. Dazu muss über die Ebene des Menschenbilds nicht hinausgegangen werden.

Die Ebene des Denken-Denken-Denkens als Ebene der Reflexion über diese Reflexion muss diesen Rahmen allerdings sprengen und ein übergreifendes Bild der Interaktion von Menschen und ihren Bildern entwickeln. Das kann kein Gattungsbild sein, wie es vielleicht Bienen oder Ameisen entwickeln (*), da es nicht darum geht, die Gattung Mensch gegen die restliche Welt zu stellen, sondern es kann nur ein Weltbild sein, das die Heterogenität der Interaktion von Menschen in ihrer Verantwortung als höchste vernunftsbegabte Wesen auf diesem Planeten (*) widerspiegelt.

(*) - so jedenfalls unser heutiges "Bild der Welt".

Ich denke, eine intellektuelle Leistung, die deutlich über den Status quo der heutigen kapitalistischen Gesellschaft hinausgeht. Siehe auch die Diskussion zu Fleissners "10 Thesen". -- HGG

An der Stelle wurden Parallelen zu Aristotelischen Begrifflichkeiten einer Hierarchisierung von Lebewesen aufgezeigt, an deren Spitze der Mensch als zoon politikon steht.

Mir ist allerdings nicht klar, ob Aristoteles wirklich bis auf unsere Ebene kommt. Der entsprechende Wikipedia-Eintrag suggeriert, dass das zoon politikon nur ein Gattungsbild entwickelt. -- HGG

Diese anthropogenetische Komponente wollen wir in der nächsten Diskussion noch einmal genauer ausleuchten.

Hans-Gert Gräbe, 3.7.2011

Nachsatz

Im Oekonux-Wiki habe ich vor einigen Jahren eine "Leiter von Abstraktionsstufen" der Entstehung denkender Wesen skizziert:

  1. Abtrennung einer äußeren und einer inneren Welt. Organismen sind in der Lage, auf äußere Reize ("Zeichen") mit einer Modifikation ihrer inneren Welt zu reagieren. Es entsteht ein Gefühl für Kausalität und Gerichtetheit von Zeit. Was zugleich verdeckt, dass Natur grundsätzlich anders funktioniert: allem Beobachtbaren liegen relativ stabile dissipative Kreislaufprozesse zu Grunde.
  2. Wiederholung äußerer Reize wird mit der Wiederholung innerer Zustände in Verbindung gebracht. Es entsteht so etwas wie ein Gedächtnis und Bedeutung (im engeren Sinne). In einer langen Evolution erscheint die Dynamik der inneren Zustände zunehmend als Bild der Dynamik der äußeren Zustände. Dabei kommt es zugleich zur deutlichen Ausdifferenzierung der biologischen Grenzfläche des Organismus (Sinnesorgane).
  3. Die Verbindung äußerer und innerer Zustände wird als gestaltbar wahrgenommen. Aktives Handeln kommt ins Spiel. Intentionalität und Wille sowie (deutlich später) Ziel- und Sinnhaftigkeit von Handeln entstehen als Begrifflichkeiten. Handeln wird als direktes Einwirken auf die äußeren Zustände reflektiert, obwohl die Ziel- und Sinnhaftigkeit ihre primäre Quelle in den inneren Zuständen hat. Sein und Schein werden noch nicht auseinandergehalten.
  4. Die Differenz zwischen Auswirkungen pragmatischen Handelns auf die äußeren Zustände und deren (Rück)wirkung auf die inneren Zustände wird wahrgenommen. Es wird zwischen dem, wie es extern ist (Sein), und der Wahrnahme dieses externen Seins (Schein) differenziert und letzteres als primäre Quelle der eigenen Handlungsmotivation erkannt.
Ebene 4 entspricht dabei dem, was wir mit der Ebene des Denken-Denkens und dem Erfordernis eines Menschenbilds verbunden hatten. Die Ebene des Denken-Denken-Denkens und dem Erfordernis, über ein Menschenbild als Selbstbild hinaus zu gehen zu einem (heterogenen) Weltbild (das mehr ist als ein Gattungsbild) wäre dann eine Ebene 5. Sowohl in der Informatik (OSI 7-Schichten-Modell) als auch der Linguistik gibt es weitere Schichtenmodelle.


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