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Hans Gert Graebe / Leipziger Gespraeche /
2011-04-06


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Die Macht des Internets und die Ohnmacht der Medien

Termin: Mitwoch, 06.04.2011, 18.00 Uhr

Ort: Café des Hauses der Demokratie, Bernhard-Göring-Straße 152, 04277 Leipzig.

Mit Prof. Marcel Machill, Leipzig

Ankündigung

Während die einen das Internet als Rettung und Emanzipation der klassischen Medien lobpreisen, sehen die anderen in der zunehmenden Googleisierung der Recherche den Untergang des Qualitätsjournalismus. Welche These stimmt? Wie integrieren Journalistinnen und Journalisten das Internet in ihre Arbeit und welche Auswirkungen hat dies auf die Meinungsbildung des mündigen Bürgers?

Am Lehrstuhl für Journalistik II entstand eine der größten Journalistenstudien, bei der in den Redaktionen beobachtet wurde und bei der die Redakteure auf ihre Kompetenz im Umgang mit den machtvollen Suchmaschinen getestet wurden. Neben der Präsentation der Hauptergebnisse wollen wir auch die Konsequenzen für die Medienpolitik und die Medienmacher diskutieren.

Dr. Marcel Machill ist Universitätsprofessor für Journalistik und befasst sich in seiner Forschung mit Fragen der Internet Governance und der Macht der Suchmaschinen. Ihn interessieren dabei insbesondere die Schnittmengen aus Journalistik, Informatik und Politik.

Marcel Machill, 09.02.2011

Anmerkungen

Das Thema der Veranstaltung - Die Macht des Internets und die Ohnmacht der Medien - ist etwas irreführend, denn wird nicht gerade das Internet und alles damit Zusammenhängende als "neue Medien" bezeichnet? Vielleicht wäre es also genauer gewesen, ein Gespräch über die "Macht der neuen Medien" anzukündigen, denen eine zentrale Rolle im "digitalen Wandel" zukommt, um dessen Gestaltung ("Den Wandel gestalten") es in den Leipziger Gesprächen geht. Dies führte der Referent am Beispiel der Rolle von Suchmaschinen im Bereich der Informationsrecherche im Allgemeinen und der journalistischen Recherche im Speziellen aus. Der sich vollziehende krude Wandel wurde auch daran deutlich, dass die Ergebnisse der verwendeten Studien aus dem Jahr 2005 bereits heute nur noch bedingt gültig sind und diese Studien ihrerseits deutliche Akzentverschiebungen gegenüber dem Jahr 2000 dokumentieren, wo Suchmaschinen noch ein Werkzeug nur für Freaks waren. Das Gespräch an diesem Abend ging also um einen technisch getriggerten Prozess der Veränderung, der mit hoher Geschwindigkeit abläuft und Auswirkungen auf viele Seiten des privaten und beruflichen Lebens hat.

Ein besonderes Charakteristikum der Internetdurchdringung der Gesellschaft ist die stärkere Unmittelbarkeit von Information, mit welcher die schönen wie auch die hässlichen Seiten der Welt näher rücken. Um letzteres - vom Referenten am Beispiel der Google-Suchergebnisse zu "NSDAP" thematisiert - entspann sich denn auch die erste Kontroverse: Sollte der Zugang zu solchen Seiten gesperrt werden bzw. welche Verantwortung hat ein Suchmaschinenbetreiber für seine Trefferergebnisse oder sollte man stärker auf die "Medienkompetenz" einer aufgeklärten Öffentlichkeit setzen, mit derartigen Phänomenen umzugehen? Welche Bedeutung hat die - auch grundgesetzlich hoch eingestufte - "Freie Rede" im Kontext staatlicher und damit ordnungsrechtlicher Eingriffe? Eine Dimension dieser Frage möchte ich hier anfügen, die nicht thematisiert wurde: Es geht dabei auch um die Readjustierung ideologischer Mechanismen der Herstellung von Meinungskohärenz und "öffentlicher Meinung" in einer nicht nur diskursiven, sondern auch handlungsleitenden Dimension, ohne die eine arbeitsteilig und damit erfahrungsseitig immer stärker fragmentierte Gesellschaft schlicht auseinander fliegen würde. Die traditionsmarxistische Betrachtung dieser "herrschenden Ideologie als der Ideologie der herrschenden Klasse" greift - die Sinnhaftigkeit des Klassenbegriff hier unterstellt - zu kurz, denn auch eine "Ideologie der unterdrückten Klasse" ist der Versuch Kohärenz herzustellen und dabei seinerseits Häresie zu unterdrücken. Die Forderung des "Potsdamer Manifests" aus jenem "Einsteinjahr 2005" nach einem "geistig-lebendigen Kosmos" sich gegenseitig befruchtender Ansätze und Ideen zielt auf eine vollkommen neue Qualität von menschlichem Miteinander.

Qualitätsjournalismus als Teil des Prozesses des Informierens einer kritischen und mündigen Öffentlichkeit, des "informare", des In-Form-Bringens, wie es Heinz Klemm in seinem Aufsatz "Ein großes Elend" aus dem Jahre 2003 thematisiert, bekommt durch Internet und Suchmaschinen eine neue Dimension des Agierens, wird aber gesellschaftlich eher noch an Bedeutung gewinnen. Im Zuge der Integration der neuen technischen Möglichkeiten ergeben sich neue Handlungsoptionen und damit treten neue Formen und neue Akteure auf den Plan und alte Akteure werden sich umstellen müssen oder untergehen. Diesen "Wandel zu gestalten" und damit die Selbstregulierungs- und Selbstheilungsfähigkeit von menschlicher Gesellschaft auf eine neue Stufe zu heben steht auf der Tagesordnung. Insofern muten - letztlich zum Glück abgewendete - Diskussionen um eine Reduzierung der Journalistikausbildung an der Leipziger Universität anachronistisch an.

Spannend wäre es aber, diesen Prozess des Wandels hin zu einer "Wissensgesellschaft" im Sinne von Jürgen Mittelstraß (Jürgen Mittelstraß: Wie viel Ökonomie braucht und wie viel Ökonomie verträgt die Wissensgesellschaft? Grundsatzreferat im Rahmen der Tagung Wissen und Effizienz – Ökonomisierung der Wissensgesellschaft, 3.-5.12.2009, Univ. Leipzig.) durch einen stärker inter- und transdisziplinären akademischen Diskurs auch an der Alma Mater Lipsiensis selbst zu begleiten und dabei deren Potenzen als Universitas Litterarum zur Geltung zu bringen.

Hans-Gert Gräbe, 7.4.2011


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