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(in Arbeit, Beitrag für das Buch "Weltkommune")

Globale Dörfer - die Rolle der modernen Kommunikationsmittel als Träger einer Villegiatura 2.0

"Globales Denken" als Idee ist untrennbar verknüpft mit der einen raschen Austausch von Gedanken ermöglichenden Rolle von Kommunikationstechnologien.

Eine große Anzahl von Theoretikern und Forschern hat versucht, herauszufinden wie diese Technologien unsere Welt und uns selbst verändern. Unter ihnen ist sicher Marshall McLuhan mit seiner Metapher vom "Globalen Dorf" am weitesten ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. In vielen seiner Bücher und in Briefen, Reden und Zeitungsartikeln wiederholt sich das begriffliche Muster, und es hat eine kaum zu übersehende Flut an Kommentaren und Interpretationen hervorgerufen.

Zurecht haben viele Autoren auf die Mehrdeutigkeit [1] des Terminus "village" hingewiesen; das "Dorf" steht sowohl für die sinnliche Qualität, Bilder und Töne von überallher wahrzunehmen, als ob sie in unmittelbarer Nachbarschaft produziert würden, als auch für eine daraus folgende Qualität der positiven oder negativen Verbundenheit.

McLuhan hat diese Tatsache nicht nur konstatiert, sondern sie als größte Herausforderung unserer Zeit in den Mittelpunkt seines Werkes gestellt. Aus dem schmerzhaften und alte Wahrnehmungsformen zersetzenden Fühlen, das sich wie jede Medienrevolution der Geschichte in Aggression und Konflikt zu verwandeln droht [2], kann nicht nur, sondern muss ein gemeinsames Verantworten und Denken werden.

"Today, after more than a century of electric technology, we have extended our central nervous system itself in a global embrace, abolishing both space and time as far as our planet is concerned. Rapidly, we approach the final phase of the extensions of man-- the technological simulation of consciousness, when the creative process of knowing will be collectively and corporately extended to the whole of human society, much as we have already extended our senses and our nerves by the various media ."[3]

Doch diese Geburt des globalen Denkens ist kein automatisch ablaufender Mechanismus; schon eingangs in "Understanding media" konstatiert McLuhan einen enormen Widerspruch zwischen dem Faktum der globalen Kommunikation und der dadurch aufgestachelten alten Denkweise, die die Medien selbst zum Kriegsgerät und Kriegsfeld macht:

"We actually live mythically and integrally, as it were, but we continue to think in the old, fragmented space and time patterns of the pre-electric age." [4]

Die integrale Qualität des "Dörflichen", Verbindung und Verantwortung, die bei McLuhans Beschreibung des Fernsehens und implizit auch der elektronischen Medien mitschwingt, ergibt sich nicht einfach durch die mediale Verbindung der Menschen untereinander; die Medien selbst sind ein Mittel der Fragmentierung, der Propaganda, der Gleichschaltung.

Das Globale Dorf erfordert das, was McLuhan in seinen "Laws of Media" das Retrieval nennt. Fortschritte in der geschichtlichen Entwicklung sind immer verbunden mit der Deaktualisierung und Reaktualisierung von Mustern, die im Gefüge des Flusses von Materie, Energie und Information, den die Medien vermitteln, optimale Existenzbedingungen vorfinden und weitervermitteln zugleich. Fußnote zu Alexander

Es ist auffällig, dass McLuhan die Globalisierung der Medien zusammenfassen lässt mit einer Tendenz zu einer noch nie dagewesenen Renaissance des Lokalen. So ist es nicht verwunderlich, aber wird leider wenig beachtet, dass er angesichts der elektrischen Medienrevolution von einer bevorstehenden "Großen Implosion" spricht, im Gegensatz zu den "Explosionen" der Vergangenheit, den raumgreifenden gesellschaftlichen Expansionsbewegungen, den Kriegen, Feldzügen, Annexionen der Geschichte. Ebensowenig sollte es verwundern, dass er Jahrtausende in die Geschichte zurückgeht und sich die Vorläufer der griechischen Polis ansieht, um zu einem adäquaten Muster für die räumliche und soziale Gestalt der entwickelten Informationsgesellschaft zu kommen.

"The village had institutionalized all human functions in forms of low intensity. In this mild form everyone could play many roles. Participation was high, and organization was low. This is the formula for stability in any type of organization. Nevertheless, the enlargement of village forms in the city-state called for greater intensity and the inevitable separation of functions to cope with this intensity and competition. The villagers had all participated in the seasonal rituals that in the city became the specialized Greek drama. Mumford feels that "The village measure prevailed in the development of the Greek cities, down to the fourth century . . ." (The City in History). It is this extension and translation of the human organs into the village model without loss of corporal unity that Mumford uses as a criterion of excellence for city forms in any time or locale. This biological approach to the man-made environment is sought today once more in the electric age. [5]

Die Schlussfolgerung, die McLuhan des öfteren ausgesprochen, aber nirgends ausgeführt hat, ist relativ naheliegend: das Globale Dorf wird letztlich nur real als ein Globus von Dörfern.

Die Welt gegen das Dorf

Nichts scheint dem Augenschein mehr zu widersprechen als dies Behauptung. Wie ich anderorts [6] ausgeführt habe, scheint das genaue Gegenteil zu passieren: Eine massive globale Tendenz zur Urbanisierung ist nach wie vor die dominierende Kraft auf diesem Planeten.

Nationalstaaten schließen sich immer mehr zu Wirtschafts- und Machtblöcken zusammen, um in einer zunehmend konfliktträchtigen Welt zu überleben. Sie setzen dabei auf die Dyade von überlegener Produktivität und außerökonomischen Machtmitteln. In einem historisch beispiellosen Prozess dissoziieren sich die Zentren entwicklungsmäßig von den Peripherien, wobei aber die Peripherien wie nie zuvor an die Bedürfnisse der Zentren angepasst werden; am deutlichsten äußert sich dies im im globalen Phänomen des Land Grabbing.

"Betroffen sind riesige Anbauflächen in Ländern des globalen Südens, der ehemaligen Sowjetunion und in osteuropäischen Ländern. Diese werden gekauft oder gepachtet um Nahrungsmittel oder Pflanzen für Agrartreibstoffe anzubauen, forstwirtschaftliche Produkte zu erzeugen oder aber natürliche Ressourcen auszubeuten. Hauptakteure bei diesem globalen Wettlauf um Land und Ressourcen sind dabei große Privatunternehmen. Aber auch Regierungen unterstützen oder sind aktiv an Land Grabbing beteiligt."[7]

Alle Trends scheinen sich gegenseitig zu verstärken:

" Schätzungsweise 200 Mill. ha, eine 8 x größere Fläche als England, wurde zwischen 2000 und 2011 in den Entwicklungsländern gekauft oder geleast, oft auf Kosten der örtlichen Nahrungssicherheit und der Landrechte. Das Oaklandinstitut weist darauf hin, dass eine neue Generation von Investment-Firmen, darunter Hedgefonds, privates Kapital, Pensionfonds und Universitätsstiftungen eifrig dabei sind, globales Ackerbauland in Kapital umzuwandeln als neue und sehr wünschenswerte Anlageklasse. Finanzielle Erträge sind wichtig und nicht Nahrungssicherheit." [8]

und die Konsequenz ist eine enorme Zerstörung und Verdrängung gewachsener ländlicher Strukturen und ihrer Bewohner. Dazu kommen parallele Phänomene wie die zunehmende Anomie durch sogenannte "failed states", die Robert Kurz als Zerfallsprodukte einer nicht mehr gelingenden wertvermittelten Reproduktion weltweit charakterisiert hat und die Tomasz Konicz nüchtern bilanziert:

"Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich so viele Menschen aufgrund gewaltsamer Vertreibungen auf der Flucht wie 2013 – dies ist das niederschmetternde Fazit eines anlässlich des Weltflüchtlingstages veröffentlichten UNHCR-Berichts. Im vergangenen Jahr mussten aufgrund von „Konflikten oder Verfolgungen“ täglich durchschnittlich 32.200 Menschen ihre Wohnorte verlassen. 2012 waren es 23.400, in 2011 „nur“ 14.200. Die offiziellen UN-Zahlen gehen insgesamt von 51,2 Millionen Flüchtlingen aus, die durch Kriege, Bürgerkriege oder ethnisch- und religiös motivierte Terrorkampagnen vertrieben wurden. Gegenüber 2012 wuchs dieses Flüchtlingsheer, das zu mehr als 50 Prozent aus Minderjährigen besteht, um weitere sechs Millionen verzweifelter Menschen an. Den größten Teil dieser Ausgestoßenen stellen laut UNHCR rund 33,3 Millionen Binnenflüchtlinge, die vor Bürgerkriegen in andere Regionen ihrer oftmals im Zerfall befindlichen Staaten fliehen mussten. 16,7 Millionen Menschen mussten hingegen ihr Geburtsland auf der Flucht verlassen. Zudem zählte das Flüchtlingskommissariat weltweit 1,2 Millionen Asylsuchende. Aufgrund der voranschreitenden Zerfalls von Staaten in der Peripherie und Semiperipherie des kapitalistischen Weltsystems gelten inzwischen zehn Millionen Flüchtlinge als „staatenlos“. .... Diesen verzweifelten, ausgestoßenen Menschenmassen eines in Agonie befindlichen kapitalistischen Weltsystems wird gar keine andere Option bleiben, als die Flucht in die wenigen Zentren, die noch nicht in Anomie versinken." [9]

Kein Wunder, das selbst Ikonen der Ökologiebewegung wie Steward Brand und James Lovelock diesen Entwicklungen dadurch Recht geben, dass sie den Exodus der von ihrem Land getrennten Bevölkerung in die künstlichen Termitenhaufen der atomkraftgetriebenen Megastädte als "globale Endlösung" anpreisen - auch und gerade angesichts des Klimawandels, den die industrielle Produktionsweise verursacht hat. Die weitere Verseuchung und Zerstörung ländlicher Räume nehmen sie dabei als Kollateralschäden offensichtlich billigend in Kauf.

Rural villages worldwide are being deserted, as billions of people flock to cities to live in teeming squatter camps and slums. Stewart Brand says this is a good thing. Why? It’ll take you 3 minutes to find out. [10]

People should give up on the “English dream” of a house and garden in the countryside and retreat into mega-cities to sit out the worst extremes of climate change, environmental guru James Lovelock said yesterday. 29. März 2013 [11]

Debatten über die "Aufgabe" oder zumindest den "Rückbau" von Regionen haben aber mittlerweile auch auf der neuen "Insel der Seligen", in Europa, längst Eingang in den politischen und wissenschaftlichen Diskurs gefunden.

"Raumordnungsexperte Heinz Faßmann fordert, das Schrumpfen von ländlichen Regionen nicht zu bekämpfen...Er plädiert für eine „neue Form von Realismus“ und den „Abschied von einer Wachstumsfantasie“. Regionen, die weit entfernt von Metropolen liegen, würden zwangsläufig schrumpfen. Diese Entwicklung zu negieren sei eine Illusion. „Die Herausforderung liegt nun darin, diesen Prozess sozialverträglich zu gestalten. Beispielsweise durch die Verbesserung der Erreichbarkeit, weil sie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in den wachsenden Stadtregionen ermöglicht“, so Faßmann." [12]

Allenfalls Tourismus könnte viele ländliche Räume noch erhalten, in anderen müsse man mit dem "Rückbau" beginnen: " Schließlich kann man das Licht – aus Gründen der Fairness – nicht von heute auf morgen abdrehen.“ [13]

Es könnte also kein größerer Widerspruch bestehen als zur Eingangsprognose der Herausbildung "Globaler Dörfer". Die "Globale Stadt" ist zur wirtschaftlich, politisch und kulturell dominaten Instanz geworden. Interessant ist freilich, dass

  • psychologisch gesehen es keineswegs so ist, dass die Urbanisierung bei den Menschen akzeptiert wäre:
"Im Jahr 1956 stellte das Allensbacher Institut zum ersten Mal die Frage „Wo haben die Menschen Ihrer Ansicht nach ganz allgemein mehr vom Leben: auf dem Land oder in der Stadt?“ Damals antworteten 59 Prozent, man habe in der Stadt mehr vom Leben, lediglich 19 Prozent sagten dies vom Land. Als die Frage 1977 wiederholt wurde, hatten sich die Antworten deutlich verändert. Nun sagten nur noch 39 Prozent, man habe in der Stadt mehr vom Leben, etwas mehr, 43 Prozent, entschieden sich für das Land. Heute sagt nur noch jeder Fünfte, in der Stadt lebten die Menschen besser." [14]

  • auch faktisch gesehen der Niedergang ländlicher Kommunen keineswegs so naturnotwendig abläuft wie die Raumplanung es darstellt. Aus einer Unzahl von Beispielen sei exemplarisch das folgende zitiert:
•••••• ausführen •••••••

http://www.deutschlandradiokultur.de/landleben-einen-alten-baum-verpflanzt-man-nicht.976.de.html?dram:article_id=293584

  • sich auch die Befunde aus der Wissenschaft häufen, dass die dörfliche Lebensumgebung die optimale Form der menschlichen Lebensgestaltung ist; auch hier sei exemplarisch aus einer Rezension über einen Vortrag des Neurobiologen Gerald Hüther zitiert:
"Damit Erziehungs- und Bildungsprozesse gelingen können, müssen sie in einem, die Lernprozesse begünstigendem „Betriebsklima" erfolgen. Dieses Klima kann nur dann innerhalb einer Familie oder einer Schule geschaffen und aufrecht gehalten werden, wenn es auch in der übergeordneten Lebenswelt, also in der Kommune hinreichend gut entwickelt und stabilisiert wird („um Kinder optimal zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf")" [15]

Globale Stadt, Globale Dörfer

Die Dringlichkeit, sich um die Lebensfähigkeit peripherer Räume zu kümmern, den verhängnisvollen Trends und ihren Propheten eine wissenschaftlich begründete und zugleich in ihrer Lebendigkeit und kunstvollen Ästhetik auch weithin anziehende Vision einer anderen Welt entgegenzusetzen, erfordert offensichtlich einen Bruch mit den wirtschaftlichen und sozialen Grundparadigmen unserer Zeit - und zugleich das politische und konzeptionelle Geschick, die "Keimformen" des Neuen in einer synergetischen Beziehung mit den alten - und wie gezeigt zunehmend zerstörerischen - Zentren von Macht und Reichtum aufblühen und gedeihen zu lassen. Zugleich muss eine solche konzeptionelle Arbeit von der Einsicht in organische Wachstumsprinzipien ausgehen .und sich von der industriellen Illusion der Machbarkeit und Planbarkeit solcher Entwicklungen verabschieden.

Eine solche Konzeption habe ich mit dem Konzept der Globalen Dörfer vorzulegen versucht, die auf dem eingangs angeführten Grundvektor der globalen Informationsvernetzung und der dadurch erzeugten Chance einer "Renaissance des Lokalen"aufbaut





[1] McLuhan war ein Freund von Mehrdeutigkeiten; als die Druckfahne für sein Buch "The Medium is the Message" mit einem falschen Titel "The Medium is the Massage" vom Drucker kam, soll er laut privater Erzählung seines Sohnes sich nicht geärgert, sondern gefreut haben, weil sein Buch jetzt 4 Titel statt einem hätte, wenn man "Mess Age" und "Mass Age" hinzurechnet

[2] extensiv behandelt im späteren Buch "War and Peace in the Global Village" New York 1968

[3] Marhall McLuhan, Understanding Media, London und New York 1964, elektronische Ausgabe, letzter Download April 2014 http://beforebefore.net/80f/s11/media/mcluhan.pdf

[4] ebenda, S.6

[5] ebenda, S.111

[6] http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?FranzNahrada/NeueTexteUndTexteInArbeit/Schubumkehr

[7] FIAN Österreich, http://www.fian.at/home/arbeitsbereiche/zugang-zu-ressourcen/landgrabbing/ abgerufen am 14.4.2014

[8] http://einarschlereth.blogspot.se/2014/08/wall-streets-nie-dagewesener-landraub.html?m=1 abgerufen am 16.8.2014

[9] http://www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2014/heft-82014.html, zitiert nach http://exit-online.org/textanz1.php?tabelle=aktuelles&index=0&posnr=619, abgerufen am 18.8.2014

[10] Steward Brand: https://www.youtube.com/watch?v=B67LTsGENPQ und http://www.ted.com/talks/stewart_brand_on_squatter_cities Link zuletzt überprüft am 15.8.2014

[11] James Lovelock http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/gaia-visionary-advocates-city-living-to-sit-out-the-worst-extremes-of-climate-change-9223781.html Link zuletzt überprüft am 15.8.2014

[12] http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/3829276/Landflucht-und-Alterung_Ruckbau-unumgaenglich abgerufen August 2015

[13] ebenda

[14] http://www.faz.net/aktuell/politik/allensbach-analyse-die-sehnsucht-der-staedter-nach-dem-land-13047459-p2.html

[15] http://www.rotary-moedling.at/read-read-30307/VortragvonUnivProfDrDrGeraldHuetherinderPresse.htm