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Im Rahmen der Veranstaltung "WIR UND JETZT" am 17.10.2015 in Gut Landersdorf mit den Hauptfragen:
* Wie gestalten wir ein inspirierendes und attraktives Leben im ländlichen Raum?
* Wie können kulturkreative Bildungs- und Wirtschaftsorte wesentlich dazu beitragen?

siehe auch:

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Einleitung: Die Stadtspekulation und ihr Einfluss auf unser Denken und Handeln   
Hauptteil: Ein radikales Zukunftsszenario   
Schluss: Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung   

Einleitung: Die Stadtspekulation und ihr Einfluss auf unser Denken und Handeln    

Prognosen und Zukunftserwartungen haben es in der Regel an sich, dass sie die Realität auf die sie sich richten maßgeblich mitbeeinflussen.

Viele von uns kennen die Geschichte von der niederländischen Tulpenspekulation um 1630, die so erschreckend an unsere Zeit erinnert. Damals hatte sich ein ganzes Land von der Erwartung mitreißen lassen, dass Tulpenknollen unermesslichen Reichtum einbringen würden.

Unsere Zeit leidet wie gesagt an ähnlichen Spekulationen, unter anderem an der Stadtspekulation. Das jüngste und durchaus erschreckende Beispiel ist der Beschluss der indischen Regierung unter dem neuen Premierminister Modi, die bis dato auf dem Papier als Ziel nationaler Kraftanstrengung geltende Entwicklung des ländlichen Indien [1] zugunsten eines ehrgeizigen Urbanisierungs- und Industrialisierungsprojektes hintanzustellen. Nationale Priorität genießt nun der industrielle Superkorridor zwischen Mumbay und Dehli. "Der einzige Weg, Indien zu einer ökonomischen Supermacht zu machen, ist seine Verwandlung in ein globales Zentrum der Industrie", sagt Narendra Taneja, der energiepolitische Sprecher der Regierungspartei BJP. Das würde eine gewaltige soziale Umwälzung für ein Land bedeuten, in dem gegenwärtig immer noch die Hälfte der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet." [2] Der Versuch, China als Exportnation zu überflügeln, drückt sich auch in den kolossalen Dimensionen des Industriekorridors aus: 400 Millionen Menschen sollen in 37 neu zu schaffenden Megastädten angesiedelt werden.

Natürlich ist diese Entwicklung auch in Indien bis hin zum Chef der Zentralbank äußerst umstritten; viele verweisen auf den beginnenden ökonomischen Kollaps der Chinesischen Stadtspekulation, die zu nicht bewohnten Stadtleichen historisch nie dagewesener Dimension geführt hat. Aber offensichtlich stoßen diese Einwände auf taube Ohren. There is no Alternative, heißt es, soll Indien in Zukunft blühen und gedeihen.


Es ist interessant, wie sich die Zukunftserwartung der totalen Urbanisierung weltweit immer noch behaupten kann, obwohl wir wissen, dass große Städte krank machen und dass sie stofflich gesehen irrationale Monster sind, und vor allem dass sie auf einer selbstvernichtenden Prämisse aufbauen, nämlich der der ökonomischen Konkurrenz und der Schädigung der Mitkonkurrenten.

Offensichtlich hat das mit einer alternativlosen Zukunftserwartung und mit selbstauferlegten Sachzwängen und Glaubenssätzen zu tun. Je enger die Gewinnmargen in den Sektoren der materiellen Produktion werden, umso mehr müssen die Megamaschinen effektiviert werden, die wir Städte nennen. Umso mehr scheinen Existenzmöglichkeiten außerhalb der Städte zu verschwinden, wo die Wege weit und das Tempo langsamer sind.

Die UNO und ihre Entwicklungsprogramme haben demgemäß den ländlichen Raum seit langem als menschliches Entwicklungsgebiet abgeschrieben; im Jahr 2050 sollen drei Viertel der Menschheit in großen Städten wohnen und jeder kann sich ausmalen, dass sich diese Spirale der Entleerung ländlicher Räume immer schneller dreht.

Könnten wir uns - obwohl es etwas aus der Mode gekommen ist - auch eine andere Zukunft vorstellen? Und wie könnte so eine Vorstellung aussehen? ich glaube dass wir es können, und dass so eine Vorstellung uns Kraft geben und helfen kann unser Handeln auszurichten.

Dies ist der Grund, warum ich heute nicht nur über das Wie sprechen will, das wir bei der Gestaltung eines attraktiven und inspirierenden Lebens im ländlichen Raumes zu beachten haben, sondern auch über das Wohin. Wir brauchen uns nichts vormachen, auch das wunderschöne Dorf, in dem wir uns jetzt befinden, ist immer noch in viel zu hohem Maße von den benachbarten Städten abhängig, von der Möglichkeit auszupendeln und am urbanen Leben zu partizipieren.

Wir befinden uns bestenfalls in einem langsamen Übergangsprozess, in dem wir schrittweise und langsam die Dinge, die wir an der städtischen Utopie so lebenswert und befreiend gefunden haben, in unser Dorf zu integrieren beginnen. Damit meine ich nicht den Hofer oder die Tankstelle, die sich an der Zufahrtstraße zu den Schlafghettos ansiedeln. Ich meine damit die Möglichkeit, ständig Neues kennenzulernen, sich zu möglichst voll zu entfalten und zu entwickeln, mit Gleichgesinnten einen kommunikativen Austausch zu pflegen der über leere Rituale hinausgeht, die Mühen der Daseinsbewältigung mit anderen gemeinsam zu minimieren, auch komplizierte Probleme lösen zu können und vieles mehr. Das war und ist die Trumpfkarte der Städte, und der neue ländliche Raum entsteht nicht zuletzt durch die befreiende Erfahrung wirklicher Urbanität hindurch. Es sind die aufs Land zurückkehrenden oder auswandernden Städter, die vieles mit sich bringen, was den Lebensraum Dorf attraktiv machen kann.

In der Vision, gerade wenn sie sich zu plastischen und hochauflösenden Bildern einer machbaren Zukunft formen lässt, steckt meines Erachtens eine wichtige und unverzichtbare Kraft. Es gibt den Spruch "There are many Alternatives", die dem neoliberalen Credo "There is no Alternative" entgegengesetzt wird. Wir können versuchen, diese unsere vielen Alternativen immer wieder einmal zu einem glaubhaften und in sich stimmigen Zukunftsbild zu verdichten, und genau diesen Versuch möchte ich heute wieder einmal machen.

Hauptteil: Ein radikales Zukunftsszenario    

Ich habe begonnen, an einem utopischen Roman zu schreiben, der die Motive, die ich 2003 in St. Arbogast bei den Tagen der Utopie in der "Vision der Globalen Dörfer" aufgriff, in eine noch fernere Zukunft weiterspinnt.

Es kommt mir dabei darauf an, neben den bekannten Stärken des ländlichen Raumes auch neue und wenig diskutierte Seiten aufzuzeigen, und auch den Kulturwandel darzustellen, der vielleicht vor uns liegt.

Der Roman spielt in einer Zeit die mindestens 50, bis hundert Jahre in der Zukunft liegt. Und sie sieht ganz anders aus als wir uns es heute -in einer Zeit voller Dystopien- erwarten.

Weltweit hat eine neue Villegiatura, also eine Migration aufs Land, eingesetzt, so wie im Venedig der Renaiscanczeit, als sich das städtische Bürgertum vom Meer abwandte und in der Kultivierung des Jahrhunderte vernachlässigten Hinterlandes eine neue kulturelle Blüte entfaltete. Das heißt wir finden eine Welt vor, in der wieder 70 Prozent der Menschen in ländlichen Räumen leben und es eine Balance zwischen Stadt und Land gibt. Eine Welt, in der es leicht geworden ist, den Platz seines Lebens zu finden und notfalls auch zu wechseln.

Diese neue Villegiatura gründet auf mehreren Faktoren:

1. Die Stadtspekulation ist zusammengebrochen. Die Zeit der exportorientierten Megastädte hat zu ökonomischen und ökologischen Disastern großen Ausmaßes geführt. Währenddessen sind sogar große Unternehmen draufgekommen: Kreislaufwirtschaft und integrierte Stoffströme sind in kleinen menschlichen Siedlungsgrößen leichter zu realisieren. Gemeinschaften waren solidere Kunden. Während die zunehmende Automation hat die Aussichten auf Arbeitsplätze in den Städten immer mehr reduziert hat, haben sich immer mehr Menschen zu selbstversorgenden Gemeinschaften auf dem Land geflüchtet. Die Winner und die Looser sind gemeinsam aus den Städten ausgezogen, die einen weil sie konnten und die andren weil sie keine Existenzbasis mehr fanden.

2. Diese Gemeinschaften haben eine solide produktive Basis entwickelt und stehen immer mehr auf eigenen Füßen. Eine große Industrie und die herkömmlichen Produktionsmittel werden immer weniger benötigt, eine Konvergenz von grüner Chemie mit einer Vielfalt von Material aus pflanzlicher Herkunft, von dezentraler Automationstechnologie mit Containerfabriken und Fabrikatoren, von effektiverer Umsetzung der Energien von Sonne Wind und Erde sowie von globaler Kommunikation von Entwürfen und Bauplänen hat die Wirtschaft revolutioniert. Virtuelle Genossenschaften sind entstanden, die durch Kooperation auf immer größerem Maßstab das Wissen und Können für eine effektive lokale Produktion weiterentwickeln. Dabei ist eine Synthese mit einem lokalen Naturraum wichtig, die weit über die traditionelle Landwirtschaft hinausgeht. Pflanzen heilen, duften, schützen und machen sogar Musik. Damit sind aber die Regionen und Lebensräume immer mehr autark geworden, bedurften immer weniger der staatlichen oder wirtschaftlichen Hilfe und Beaufsichtigung - und viele verfügen über ihre Ressourcen als Gemeingüter.

3. Gleichzeitig ist mit gestiegenen Selbstversorgung in Hunger auf Sinn entstanden, der sich aus der Möglichkeit ergab, mit Gleichgesinnten zusammen einen Ort aus einem Traum heraus zu gestalten. Gerade die Vielfalt der Träume, der menschlichen Möglichkeiten und kulturellen Muster bringt Menschen weltweit dazu, um die Realisierung von richtiggehenden Gesamtkunstwerken des Lebensraumes regelrecht zu wetteifern. Der Raum spiegelt den Traum. Es ist, als wäre das Mittelalter zurückgekehrt mit seiner Buntscheckigkeit und seinem lokalen Eigensinn - nur noch um einen Faktor Tausend bunter, und dennoch im Bewusstsein dass es ein gemeinsames Spiel ist, das hier gespielt wird. Man schlägt sich nicht wegen verschiedener Überzeugungen und Meinungen die Köpfe ein, man versucht den praktischen Beweis anzutreten, dass die eigene Vision und Version vom Leben zumindest auf den eigenen paar Quadratkilometern funktioniert. Es wird nicht mehr missioniert, sondern ein Beispiel geliefert.

4. Es gibt nach wie vor planetare Zentren, doch sind diese eher in einer dienenden und vernetzenden Funktion. Städte sind wie Netzwerkknoten, und letztendlich hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass es gerade die dezentralen Manifestationen menschlicher Vielfalt und nicht die ein Kilometer hohen Türme sind, die den größten Anlass zu Stolz und Identifikation bilden. Städte sind Orte der Begegnung, der Inszenierung geworden, sie sind Katalysatoren neuer Träume und massenhafter Events und Rituale - permanente Festivals sozusagen. Da sie das neue Leben im ländlichen Raum, nachhaltig und luxuriös, zum Zentrum ihrer Industrien und Denkfabriken, ihrer Produktivität und Ingenuität machen, werden sie das 21. Jahrhundert überleben, und liebevoll "Mutterstädte" genannt, so wie wir heute noch vom "Vaterland" sprechen.

5. Die Städte haben denn auch vieles an den Mustern geliefert, die von den neuen Dörfern aufgegriffen und kreativ weiterentwickelt werden. Das alte "Dorf" das lediglich oder hauptsächlich aus alleinstehende Häusern besteht, ist weltweit einer Mischform kleinstädtischer Eleganz gewichen, die durchaus, vor allem im Zentrum, in die dritte Dimension geht, nicht nur mit mehrgeschoßigen Häusern, sondern auch vielstöckigen Stadthügeln und überdachten Begegnungszonen, mit mediterranem Innenklima und einem Kreislauf von Luft, Wasser, Nährstoffen, der an ein ungeheuer großes lebendiges Wesen erinnert, das wir bewohnen wie den Mutterbaum im Film Avatar.

Quelle: http://sethengstrom.blogspot.co.at/2010_10_31_archive.html

So wurde sogar die Erfindung des Shopping Mall entkommerzialisiert und zur Hülle einer neuen Lebenskultur, und natürlich gibt es hier kein Standardmodell mehr, sondern selbst eine evolutionäre Vielfalt wie in der Biologie. Man wird sich über die Zeit wundern, als der Städter dem Landmenschen als Archetypus entgegengesetzt wurde, und stolz darauf sein, beides gleichzeitig sein zu können.

6. Vor allem bedeutet das, dass die Angst dieser Planet sei zu klein für die vielen Menschen oder das Boot sei voll, endgültig der Vergangenheit angehört. Man lebt in urbaner Dichte und pflegt wie ein kollektiver Förster die umgebende Landschaft. Die hat auch Platz für Einzelgänger und Eremiten, für Höfe und Huben. Nach diesem Muster sind die Menschen zurückgekehrt in die weiten Einöden, die Erosion und industrielle Landwirtschaft produziert haben. Nach dem chinesichen Lössplateau wurde die Sahara begrünt, der Klimawandel beginnt sich langsam zurückzubilden, während eine dichter Teppich aus Landforstwirtschaft die Welt umzieht. Der Planet wurde gefühlt um einen Faktor hundert größer. Alles kann und darf darf sein und auch sein Gegenteil.

Dies ist in etwa die Welt, in der die Handlung des Romanes spielt. Hauptprotagonisten sind einige junge Leute, die sich dem widmen, was bei den Amish in den USA das "Rumspringa" heißt, also der bewusst inszenierte und institutionell gewollte Ausbruch aus dem Rahmen, der durch eine Gemeinschaft und ihr Thema gesetzt wird. [3]. - Nur dass es wirklich ernsthaft darum geht,nicht die Schlechtigkeit der Welt da draußen zu erfahren, sondern ihre Farbigkeit: die eigene Berufung, das eigene Thema zu finden, in einem Meer von realisierten Möglichkeiten der Daseinsgestaltung und Kulturkreation. Denn diese Welt lebt nach keinem Standard mehr außer nach dem, von ihm abweichen zu dürfen.

Die jungen Menschen kommen aus einem Künstlerdorf, auch sie haben eine fundamentale Ausbildung und Prägung erfahren, die sie in die Lage versetzt, sich auch in der Fremde angenehm und nützlich zu machen. Beide Möglichkeiten, sich zu vertiefen in den eigenen kulturellen Traum oder sich in einem anderen Traum zu finden und diesen mitzugestalten, stehen ihnen wie jedem Erdbewohner offen - und diese Oszillation erzeugt das Gegenteil von Angst, es entsteht eher eine freudige Spannung im Bewusstsein dass was immer kommt gut sein wird.

Ähnlich wie Hermann Hesses Glasperlenspieler Josef Knecht sich mit den Benediktinern auseinander setzen muss, so führt das Rumspringa einige der Protagonisten zunächst in Regionen, in denen die Geister der Vergangenheit noch sehr lebendig sind. Sie müssen sich mit christlichen und muslimischen Fundamentalistendörfern auseinandersetzen, die ähnlich den Amish auf viele Möglichkeiten und Standards verzichten um ihren eigenwilligen kulturellen Traum leben zu können. Es gibt einen planetaren Konsens, dass ein jeder Fundamentalismus am besten im Zaum gehalten wird, wenn er an manchen Orten voll gelebt werden darf. Es gibt aber auch den planetaren Konsens, dass das Individuum heilig ist und die Wahl haben muss. Es war ein langer Kampf, aber er wurde nicht durch Gewalt entschieden, sondern durch gewaltfreien Widerstand, und zugleich durch das Angebot, durch Zusammenarbeit alle Vorzüge globaler Errungenschaften zu genießen und zugleich wirklich wirklich frei zu sein.

Die Reise führt durch andere, neue Lebensentwürfe. Transhumanistische, von Technikern und Ingenieuren dominierte, aber auch spirituelle und schamanische Dörfer werden besucht und in ihren Details erkundet. Es zeigt sich, dass innere Werte und äußere Gestaltung sehr stark verbunden sind, und dass die Dörfer auf eine seltsame Weise miteinander verbunden sind: sie ergänzen sich lokal und global, sind komplementäre Räume, in denen eine größere Ganzheit menschlicher Möglichkeiten erlebt und gestaltet werden kann. Im Kapitel "das Kloster und das Liebesdorf" wird so eine lokale Beziehung zweier sehr gegensätzlicher komplementärer Räume genauer beschrieben. So wie sich der einzelne Mensch nicht festlegen lässt auf eine abstrakte Identität, so sind kleine Regionen oft Mosaike von einander ergänzenden Subkulturen.

Letztlich ist das aber auch auf der planetaren Ebene so; die verschiedenen Themen und Intentionen, so frei sie gewählt sind, sind nur Facetten eines gemeinsamen Werks. Viele tun das was sie tun in dem Bewusstsein, damit auch einen Beitrag zu leisten für einen großen Plan. Und je freier sie sind, sich ihre Aufgabe zu wählen, umso mehr brennt in ihnen das Feuer, damit auch einen Beitrag zu leisten zur Weiterentwicklung der Menschheit als ganzer.

Selbstverständlich gibt es Räume, an denen das besonders zum Ausdruck kommt. Und zumeist sind sie mit gleichgesinnten Räumen auf der ganzen Welt vernetzt. So wie sie in Gemeinschaft und in den ländlichen Raum gegangen sind, um Kraft und Möglichkeit für das Werk zu bekommen, so schließen sie sich weltweit zu Netzwerken der Kooperation zusammen. Es gibt Orte die sich der Heilkunst verschrieben haben, der Baukunst, der grünen Chemie, der Philosophie, dem Archivieren der Geschichte und tausende mehr - und oft gibt es Mischungen, sinnvolle Kombinationen und Komplementaritäten. Sie alle strahlen aus, sind starke Zentren, funktionieren wie mittelalterliche Gilden. Es gibt aber auch exotischere und radikalere...

  • Da gibt es auch jene, die sich dem Aufbruch ins Weltall verschrieben haben. Sie haben natürlich einen großen Bedarf an Kooperation, vor allem auch mit Mutterstädten. Dennoch ist eine Fülle von Aufgaben auch dezentral zu erledigen, so wie einst SETI at home die Signale aus dem Weltraum auf Millionen von dezentralen privaten Computern in aller Welt durchforstete, die ihre freie Rechenkapazität zur Verfügung stellten. Auch ohne zentralen Befehl wird so Gaia in die Lage versetzt, sich gegen Kolissionen mit kosmischen Felsen zu schützen.
  • Andere wiederum haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Wahrheit über unsere Existenz herauszufinden, die sie nicht im äußeren, sondern im Inneren Kosmos zu finden glauben. Sie erforschen die Brücke zwischen Dieseits und Jenseits, die transpersonale Matrix die die individuellen Leben miteinander verbindet.
Schluss: Schritte auf dem Weg zur Verwirklichung    

Wir kehren wieder zurück in die heutige Welt und betrachten die Schritte, die uns der großen Vision näherbringen.

  • Das erste was mir hier einfällt, ist die große aktuelle Flüchtlingskrise. Wir alle kennen die Erfolgsgeschichte des kalabrischen Dorfs Riace, die mittlerweile von einigen Nachbardörfern imitiert wird. Sie haben massiv Menschen aufgenommen, die nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern unglaubliche Geschichten und kulturellen Reichtum mit sich bringen. Der Mut, ländliche Räume als Zukunftsräume und Zufluchtsräume zugleich zu denken, Menschen wie in Wördern oder Lienz respektvoll als Kultur - Botschafter der großen Welt in der kleinen Welt zu behandeln, könnte eine Erweiterung des Horizonts vor Ort mit sich bringen, einen Humus, auf dem kulturelle Kreativität wächst.
  • Das zweite sind Leitbilder und Werte. Nicht nur Gemeinschaften brauchen heute eine klare Vorstellung von ihrer Zukunft, auch Gemeinden. Erst dann lassen sich Prioritäten setzen und langfristige Entwicklungsaufgaben in Angriff nehmen. OTELO gibt es in Vorchdorf, nicht nur weil es ein paar rührige Menschen gibt, sondern weil die Gemeinde ein Zukunftsbild hat: hier sind technische Facharbeiter gefragt, die die Gemeinde zu einem Standort für kleine Industriebetriebe machen. Der Schulcampus sieht in Vorchdorf anders aus als in Moosburg, wo man sich den sozialen und heilenden Berufen verschrieben hat, weil man ein Ort der Rekreation sein möchte.
  • Das dritte ist damit schon gesagt: Der archimedische Punkt, von dem sich die kleine Lebenswelt so weit nach oben bringen lässt, ist ein Bildungssystem, das unmittelbar in die Realität hinausreicht, in die Praxis, ins Leben führt - aber ein Leben das nicht ein vorgefertigtes Schema ist, sondern das von jedem einzelnen immer neu mitentworfen wird. An vielen Orten wird begonnen, den immensen Reichtum an Bildungselementen, die über das Internet verfügbar sind, für die lokalen Bedürfnisse zu durchforsten. Vielleicht werden wie demnächst ein Netzwerk vernetzter Dorfkinos haben, die ein gemeinsames Bidungs- und Kulturprogramm umsetzen....Umgekehrt wird das Wissen erst wirkliche Wahr - nehmung, wenn es ausprobiert und umgesetzt wird.
  • Wir brauchen daher viertens Freiräume, Experimentalorte, Spielwiesen, Bauplätze, Laboratorien und Zukunftswerkstätten. Wir müssen vor allem jungen Menschen zeigen, dass wir alles dafür übrig haben, wenn sie ihre Talente in derartigen Umgebungen entfalten. Die OTELOS sind hier wirkliche Pionierpflanzen, aber ich denke sie werden sich auch teilweise diversifizieren und neue Spinoffs kreieren. Gerade sind Freunde dabei, im burgenländischen Kirchfidisch ein "Open Land Lab" aufzubauen, das sich lebenswichtigen Technologien im ländlichen Raum in Netzen der globalen Zusammenarbeit widmen soll. Wir suchen ständig nach neuen und attraktiven und zugleich lebensfähigen Formen, und vieles hängt von der Unterstützung ab, die intelligente Politiker- und UnternehmerInnen geben.
  • Dafür müssen wir aber ständig auf sie zugehen, wir müssen also fünftens ein Feld im Mainstream aufbauen, das viele verschiedene Rollen enthält und für viele Beiträge offen ist. Wir dürfen uns glücklich schätzen, wenn wir Menschen unter uns haben die das beherrschen und die in der Lage sind, die Sprache der Macher zu sprechen, ohne ihren Mustern auf den Leim zu gehen. Weder Gut Landersdorf noch Pomali gäbe es ohne diese beharrliche Arbeit mit den durchaus ratlosen Vertretern des alten Systems. ihr wisst schon, an wen mein Dank geht. Wir müssen uns öffnen und Lösungen zeigen, die durch das Zusammenwirken aller zustandekommen, und wir müssen die Spannung aushalten, dass die einen am liebsten das Geld abschaffen wollen während die andren seine Kraft zu schätzen und damit umzugehen wissen. In einer Welt wie ich sie skizziert habe kann beides nebeneinander existieren, sie ist komplex und vielseitig.
  • Wir müssen uns sechstens dessen bewusst sein, dass all das nur eine Option ist, dass wir zwar unsere Gedanken darauf richten, aber dass gleichzeitig die Welt in ungeheuren Dimensionen noch immer in die falsche Richtung geht. Es ist nicht falsch, das Beste zu hoffen und sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Wer den Film "Cloud Atlas" gesehen hat, der weiß vielleicht was ich meine. Wir können eine Entwicklung auch dann vorantreiben, wenn wir sie vielleicht gar nicht mehr erleben, wenn wir gar nicht sicher sind was unser Beitrag ist. Wir haben in jedem Moment die Entscheidung, und die Konsequenzen dieser Entscheidung betreffen nicht nur uns, sie betreffen uns alle. Etwas versucht zu haben und gescheitert zu sein ist wahrscheinlich besser als sich vor dem Versuch zu fürchten. Unsere Zeit ist auch deshalb so schal, weil sie diese Transzendenz nach dem Scheitern der Ideologien mit guten Gründen unter Generalverdacht gestellt hat. Wir brauchen Transzendenz, also die Fähigkeit sich selbst als etwas Größeres zu denken als die einzelne Person - etwas Größeres mit dem wir uns verbinden können, das aber zugleich unserer innersten Natur und unserer tiefsten Sehnsucht entspricht.
  • Diese Transzendenz ist siebentens selbst als ein Gestaltungselement der Zukunft zu denken. Sie ist nicht Privatsache, sie ist der gemeinsame Boden auf dem wir alle stehen. Transzendenz ist nicht gleich Religion, sie kann ein sehr irdisches, ein sehr diesseitiges Dasein annehmen. Der große Erfolg der katholischen Orden und Klöster bestand darin, eine Vielfalt von sehr unterschiedlichen Aufgaben in die Transzendenz des Glaubens einzubauen. Wir können davon lernen, wir können mit der Kraft der Transzendenz experimentieren. Ein ganz wesentlicher Punkt ist es, die Möglichkeit wahrzunehmen, dass die Menschheit eine gemeinsame Aufgabe und Zukunft hat, dass sie nicht wie heute so populär gewitzelt eine Krankheit dieses Planeten ist, sondern selbst die wesentliche Bedingung nicht nur für den Fortbestand, sondern die Weiterentwicklung des Lebens. Wenn wir durch den Wald gehen und wissen, dass wir auch dieser Wald sind, dass wir eine nährende, pflegende, pflegende, gestaltende Kraft auf diesem Planeten sind, dann werden wir nicht nur so etwas wie Frieden und Zuversicht leben können. Wir werden auch dauerhafte lebendige Schönheit gestalten.
Dafür brauchen wir Experimentalorte. ich nenne sie "Klöster der Zukunft".





[1] "Mahatma Gandhi, der Führer des friedlichen Freiheitskampfes gegen die britische Kolonialherrschaft und Vater der 1947 neugegründeten indischen Nation, war ein vehementer Gegner der Großstadt und des (damals noch) westlichen Fabrikwesens; er hätte die Wirtschaft eines unabhängigen Indien am liebsten auf Heimarbeit und dörfliches Kleingewerbe gegründet. Das Konzept war unpraktikabel, selbst Gandhis Weggefährten haben es nach seinem Tod nicht umzusetzen versucht." http://www.zeit.de/2015/14/industrie-indien-oekonomie-zukunft abgefufen am 10.10.2015

[2] http://www.zeit.de/2015/14/industrie-indien-oekonomie-zukunft abgefufen am 10.10.2015

[3] http://www.spiegel.de/unispiegel/wunderbar/junge-amish-in-den-usa-ein-leben-fuer-kirche-ehe-und-kinder-a-822799.html angerufen am 10.10.2015