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Schon seit längerem ist es nicht mehr wirklich populär in der Wissenschaft, Zukunftsvisionen für den ländlichen Raum zu entwickeln. Die meisten Planer und Theoretiker beschäftigen sich heute mit Fragen wie "Entleerung zulassen", "Schrumpfung positiv gestalten" und Ähnlichem. Die Landflucht speziell junger - vor allem weiblicher - Bevölkerungsgruppen wird als nahezu unvermeidliches Schicksal dargestellt. Verstädterung ist unsere Zukunft, so heißt es von allen Seiten. Wahr daran ist nur eines: der ländliche Raum muss sich an den Städten messen und gleichwertige Lebensbedingungen bieten. Für Gemeinden und Betriebe, die sich auf die neue Situation einstellen, bestehen durchaus gute Chancen, die Transformation nicht nur zu überleben, sondern auch eine Erhöhung von zugleich Krisensicherheit und Lebensqualität zu schaffen. Im folgenden daher auch keine Aufzählung der bekannten Schwächen, Gefahren und Unzulänglichkeiten, sondern eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten Rezepte, wie dieser Entwicklung zu begegnen ist.
Städte haben viele Menschen auf engem Raum, diese sind austauschbarer und unwichtiger. Wenn heute ein Laden zusperrt, dann kommt morgen jemand anders und versucht eine neue Idee. Kunden- und Geschäftsbeziehungen sind zufällig, anonym und oberflächlich. Spezialisierung auf Nischen und Zielgruppen ist Trumpf. Wichtig ist Konkurrenzfähigkeit und Geschwindigkeit. Dörfliche Ökonomien haben seit jeher anders funktioniert: sie leben vom Management wechselseitiger Abhängigkeit. Sie leben von Beziehungspflege, Gegenseitigkeit und Kooperation. Das kann manchmal ganz extreme Formen annehmen: im salzburgischen Dorf Bad Hofgastein zum Beispiel haben unlängst 40 Hoteliers eines Ortes gemeinsam mit viel Geld einen Mitbewerber aufgefangen und gerettet, um eine Lücke im Angebot zu verhindern. In der Stadt ist sowas undenkbar. Auch im ländlichen Raum ist sowas ziemlich neu. Aber nur durch durch Innovationen in diese Richtung werden Dörfer und Kleinstädte überleben. Wenn es gelten soll, dass ein Leben im ländlichen Raum sich dem Leistungsvergleich mit den Städten zu stellen hat, und daran führt wie oben gesagt wirklich kein Weg mehr vorbei - dann müssen eben relativ wenige Menschen und Unternehmen relativ viele Aufgaben erledigen. Dann müssen diese relativ wenigen Menschen eben auch alles tun, um sinnlose Konkurrenz und zerstörerischen Wettbewerb zu vermeiden. Sie müssen sich miteinander gut koordinieren und sie müssen einander im wirtschaftlichen Alltag sogar unterstützen. Diese Andersartigkeit zu akzeptieren und zu leben ist in Zukunft der Schlüssel der Attraktivität ländlicher Räume.
Die Städte sind auch nicht automatisch im Vorteil: es gibt immer mehr Verliererstädte, denn die Anforderungen an einen weltmarktfähigen Standort steigen von Tag zu Tag. Wirtschaft ist zu einem regelrechten Krieg der produktivsten Regionen geworden, die einander im Kampf um Investoren und Kapital zu übertreffen suchen. Was der Markt nicht hergibt, muss durch Verschuldung kompensiert werden. Ohne die hemmungslose Verschuldung ganzer Volkswirtschaften wäre der Weltmarkt schon längst ins Stocken geraten. Doch dieses System kann nicht ewig wären, es bricht irgendwann zusammen. Die Menschen in ländlichen Räumen können sich dem leichter entziehen: sie werden durch einen ungeheuren Dezentralisierungsschub der Technologie unterstützt - und durch immer leichter verfügbares Wissen, wie vorhandene Ressourcen optimal genutzt werden können. Regionale Kreislaufwirtschaft kann so immer mehr Lücken schließen, die Natur ist ewiger Kreislaufpartner. Die Informationstechnologie gibt es uns in die Hand, nicht nur mit an den Computer angeschlossenen Peripheriegeräten Papier zu bedrucken, sondern mit Fabrikatoren und Minifabriken materielle Gegenstände zu schaffen. Sie lässt uns aber auch selbst selbst zu Designern dieser Gegenstände werden. Stellen wir uns einmal eine Welt vor, in der viele Regionen kooperativ an Produkten arbeiten, die sie in ihren eigenen Kreisläufen einsetzen statt krampfhaft zu exportieren. Stellen wir uns Firmen vor, die diese Autarkie ihrer Kunden fördern. Wäre das nicht ein Spiel, bei dem viele gewinnen könnten? Freilich müssen die Entwickler ländlicher Räume selber umdenken: Sie müssen Menschen auf Dauer einladen, hier wieder eine Heimat zu finden. Sie müssen aktive Ansiedlungs- und Gemeinschaftsentwicklung betreiben. Sie müssen nicht nur Kreisläufe gestalten und Lücken schließen, sondern dabei immer mehr die gestiegenen kulturellen Bedürfnisse und die vielen verschiedenen Werte und Identitäten berücksichtigen!
Nach all dem Gesagten ist nicht mehr rätselhaft, warum die Zukunft des ländlichen Raumes an Bildung hängt. Bildung geht in den Städten immer stärker in Richtung Spezialisierung, während wir im ländlichen Raum eine große Bandbreite von Wissen und Können benötigen, anwendungsorientiert und verständlich.
Ein letztes: die Stadt hat uns gelehrt, dass Dichte und Kommunikation und starke Zentren eine wesentliche Funktion für Lebensprozesse haben. Dörfer der Zukunft schaffen Zentren für Begegnung und die Aktivierung gemeinschaftlicher Potentiale. An den Bildungscampus schließen sich logisch Orte der Umsetzung an, Gründerzentren, Vernetzungszentren, Werkstätten, aber auch Orte in denen der zunehmende Druck sozialer Betreuung von den Familien genommen wird; Mehrgenerationenhäuser, betreutes Wohnen, Gesundheitszentren. Auch im Dorf hält Arbeitsteilung und ein Mosaik von Subkulturen Einzug, doch bleibt sie in menschlichen Dimensionen und wird niemals anonym. Schon bildet sich eine junge Generation von Architekten und Planern, die der Trend zu gemeinschaftlichem Wohnen und bewusster Lebensgestaltung interessiert. Denn nichts ist spannender, als Traditionen mit neuen gemeinschaftlichen Kulturentwürfen zu verbinden- in einem Raum, der seine eigne Grundlage für eine selbstgewählte Identität schafft. Diese Vielfalt von Lebensmöglichkleiten zusammen mit neuen Technologien wird den ländlichen Raum von morgen wieder aufblühen lassen.
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