Franz Nahrada / Neue Vorträge / Bildung Im Global Village |
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(Vortrag in Obergrafendorf am 25. September 2020) ˧
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Der Vortrag geht auf einer sehr allgemeinen Ebene auf die Wandlungsprozesse der Gegenwart und die Herausforderung der aktuellen Krisen ein und betont, " dass Infrastrukturen, Erfindungen, Einsichten und Werkzeuge aller Art existieren, die der Menschheit noch nie zur Verfügung standen." Die Digitalen Technologien zeichnen sich durch eine ständige Verdichtung raumübergreifender Funktionen aus. Während dies in den ersten Jahrzehnten eine deutliche Verstärkung der Rolle "Globaler Städte" mit sich gebracht hat, könnte eine weitere Verdichtung einen qualitativen Sprung der Gestaltbarkeit "urbaner Mikrokerne" in ländlichen Räumen mit sich bringen. ˧ Ein erster Schritt in diese Richtung sind nomadisches Arbeiten, fluide Bildung und Kultur. Einige privilegierte Menschengruppen haben dadurch zunehmend die Möglichkeit, "multilokal" zu agieren und sich länger außerhalb der Städte aufzuhalten als an Wochenenden. Die Coronakrise hat zeitweise diese Entwicklung dramatisch gesteigert, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass ländliche Räume noch immer an der Jahrhundertlangen Funktionalisierung als reine Zuliefer - Infrastrukturen leiden. ˧ Erst in einem "neuen Bild vom ländlichen Raum" könne diese Funktionalisierung überwunden werden. Es müsse klar werden, dass die Städte schon lange an die Grenzen ihrer ökonomischen, ökologischen und sozialen Funktionalität gestoßen sind, ihr Erfolg ein durch permanente Schuldenakkumulation simulierter und primitives Verbrennen planetarer Ressourcen ist und die Schubumkehr in Richtung regenerative Entwicklung das Gebot der Stunde. Diese verspricht bessere Bedingungen für die Entwicklung von Biosphäre, Individuum und Sozietäten. ˧ "Das alles ist nur möglich unter einer Bedingung. Wir müssen eine immense Bildungsoffensive für den ländlichen Raum lostreten. Wir müssen dessen gewahr werden, dass in jedem Dorf, jeder Gemeinde die Menschen vor der Aufgabe stehen, mit den neuen vorhandenen Möglichkeiten ein den Städten adäquates Lebens- und Problemlösungsniveau herbeizuführen." Diese Restriktion erzwingt nicht nur eine absolute Priorität für neue lokale Bildungsräume und eine höhere "Pro-Kopf-Wissensintensität" als in Städten, sondern auch eine radikale Wendung in Richtung einer kooperativen Konzeption von Wirtschaft und Gesellschaft. Diese Kooperationsvektoren erstrecken sich nicht nur innerhalb der Gemeinden, sondern auch zwischen Gemeinden in die Region, zu Kompetenzzentren auf der ganzen Welt mit ähnlichen Problemlagen, und letztlich auch zu den zu "Hubs" und "Mutterstädten" transformierten Metropolen. ˧
Guten Morgen. Ich möchte alle ganz herzlich begrüßen, die heute hier zugeschaltet sind (....) und unserem Aufruf gefolgt sind, sich gemeinsam über die Zukunft Gedanken zu machen -spezifisch über die Zukunft der Bildung im ländlichen Raum. Aber diese Zukunft ist eingebettet in eine zunehmend offene und widersprüchlichere Gesamtentwicklung. Ich glaub es hat noch niemals einen spannenderen zeitpunkt gegeben sich über dieses Thema zu unterhalten. ˧ Der Ausgangspunkt ist nicht nur dass wir in mannigfaltigen Krisen stecken, die Corona - Krise betrifft uns ja ganz aktuell, aber dahinter steht auch eine Krise in unserer gesamten Lebensweise, im Verhältnis Mensch - Natur, in unserer Art zu wirtschaften. Die Klimakrise ist nur ein extremer Ausdruck dieser Not, sie setzt wiederum Migrationsströme in Gang, die zeigen wie brüchig unser ganzes moralisch - geistiges Gefüge geworden ist. ˧ Ausgangspunkt sind nicht nur die Krisen, sondern auch und viel mehr, dass wir nach Lösungsmöglichkeiten suchen, Lösungsmöglichkeiten die möglichst viele der krisenhaften Entwicklungen wirksam konterkarieren und uns die Aussicht auf eine gute Zukunft ermöglichen. Eines kann vorweg gesagt werden: diese Zukunft kann nicht in der alten Normalität liegen, die die krisenhafte Entwicklung herbeigeführt hat. Sie kann auch nicht in einer bloßen Umstellung einiger Verhaltensweisen liegen, im Sinn des Schlagwortes von der neuen Normalität, das von politischer Seite ausgegeben wird. Wir werden um einen bewusst eingeleiteten und von vielen gemeinsam getragenen Wandelprozess nicht herumkommen, in dessen Zentrum Initiativen aus der Zivilgesellschaft stehen, die in Partnerschaft mit Gemeinden, polit.Organisatinnen, mit dem Staat diesen Wandel vorantreiben, der von politischer Seite nicht mehr vorangetrieben werden kann. Und wir haben mehr Ressourcen, mehr Bausteine für diesen Wandelprozess als je zuvor in der Geschichte.] ˧ Die maßgeblichen Subjekte, um einmal vom penetranten "Wir" wegzukommen, haben ja nicht nur Scheiße gebaut. Sondern auch dazu beigetragen, dass Infrastrukturen, Erfindungen, Einsichten und Werkzeuge aller Art existieren, die der Menschheit noch nie zur Verfügung standen. Unter diesen vielen neuen Bausteinen ist vielleicht der wichtigste das, was ich den Komplex der digitalen Technologien nennen möchte. Das ist mehr als digitale Kommunikation, das ist auch Automationdie Möglichkeit synchron an Dingen arbeiten zu können. Wer hätte gedacht, dass wir jegliche Form von Wissen, jegliche Idee, Entwurf, jedes Artefakt in nahezu Nullzeit und mit sehr geringen Transaktionskosten teilen - und mit immer ausgeklügelten Methoden in unserer lokalen Umgebung aufführen, realisieren, einbauen können? ˧
Wir stehen an einer Wende, das hat sich vieles langsam und allmählich entwickelt was immer mehr zusammenfließt und sich wechselseitig beschleunigt, daß nämlich der Raum nicht mehr einfach ein ausgedehntes Kontinuum mit kleinen oder größeren Entfernungen ist. Es gibt immer mehr raumübergreifende Technologien, die quasi in Nullzeit von einem Punkt der Erde auf einen entfernten anderen Wirkungen erzeugen. Diese Wirkungen vermehren sich, werden miteinander kombiniert. ˧ Zunächst hat diese Entwicklung ganz eindeutig ein Wachstum der Globalen Städte zur Folge gehabt, im Grund genommen dem ländlichen Raum entgegen den optimistischen Erwartungen noch nicht viel genützt. Aber es könnte sein, dass jetzt eine kritische Masse erreicht ist, die uns zusammen mit neuen Erfahrungen in eine neue Richtung drängt. ˧ In dieser Situation ist das, was uns hier zusammenbringt, ein vager Konsens, dass nämlich die Gestaltung und Funktionsweisen von ländlichen Räumen ein ganz wesentlicher Faktor sowohl bei der Verschärfung von Krisen als auch bei ihrer Mitigation, bei ihrer Linderung, Lösung oder sogar wirklicher Überwindung ist. Wir merken das ganz unmittelbar im Fall der Corona Krise, wo viele, und ich sage bewusst die sichs leisten können, ganz selbstverständlich dem Dichtestress der Städte ausweichen und zumindest temporär in großen Zahlen ländliche Räume als Orte des Aussitzens und alternative Orte des Wohnens und Arbeitens aufgesucht haben. ˧
Erstmals seit langer Zeit erscheinen Stadt und Land nicht als getrennte Pole, sondern im Limes als Facetten eines Lebensraumes mit vielen verschiedenen Zonen, Bestanddteilen, miteinander kommunizierenden Gefäßen. Auch unsere Identitäten als "Städter" und "Landei" werden flüssiger, eine erste Auswirkung der oben angesprochenen digitalen Vernetzung ist ja, dass wir Arbeit und Bildung überall hin mitnehmen können und "multilokal" werden. Das wäre ja grundsätzlich eine positive Entwicklung, wenngleich die verschiedensten Mauern in den Köpfen noch immer dagegenstehen. ˧ Mentalitäten lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen ändern, ebensowenig wie die überkommenen Systeme von Finanzausgleich und Bedarfszuweisung, von Hauptwohnsitz und Nebenwohnsitz. Das Folgende ist ein Zukunftsbild, das nicht automatisch eintritt, sondern das lediglich eine folgerichtige Logik enthält. Eine Möglichkeit, die zu ihrer vollen Realisierung noch großer Anstrengungen bedarf. Aber das ist mit keiner historischen Entwicklung anders gewesen. ˧ In dem neuen Bild unseres Lebensräume sind Städte wie die Knoten ("Hubs") in einem Netzwerk von Beziehungen. Sie sind starke Zentren, die Dezentralisierung überhaupt erst ermöglichen. Das Zusammenarbeiten von vielen, der Gleichklang und die Abstimmung der Arbeit vieler miteinander verbundener Beitragender, das lässt sich tatsächlich mit den Mitteln einer Stadt am besten erreichen. Hier speichert sich Wissen, Daten, kulturelle Erinnerung, fachliches spezialisiertes Knowhow, hier können komplexe Produktions- und Dienstleistungsvorgänge stattfinden. ˧ Aber die Frage stellt sich immer dringlicher: Haben nicht unser Wissen und Können - gerade aus den Städten heraus - mittlerweile einen Grad erreicht, der ländliche Räume mit neuen Werkzeugen auszustatten vermag, welche tatsächlich einen viel höheren Grad an Leistungsfähigkeit in Richtung eines verstärkten Eigenlebens ländlicher Regionen auf hohem Niveau unterstützen? Ohne dass der Kontakt zur Stadt darunter leidet, wohlgemerkt. ˧ Das heißt, dass die traditionelle Betrachtungsweise des ländlichen Raumes, die diesem alle möglichen wohlfeilen "Funktionen" zugewiesen hat, wie ˧
Alle diese Funktionen werden - in unserem Bild - zunehmend ergänzt und in Teilen sogar abgelöst werden (müssen) durch eine Wiederhinwendung zum ländlichen Raum als neu und intelligent gestalteter Lebensraum. ˧ Der Grund ist, dass die globale Konkurrenz der Städte an einen Punkt gelangt ist, der ihre "produktive Absorptionsfähigkeit" in Frage stellt. Die Entwicklungen sind mannigfaltig, aber in der Tat konvergierend. Automation und künstliche Intelligenz vernichten Arbeitsplätze. Der globale Konkurrenzkampf führt zu ständiger Verwohlfeilerung der Produkte, aber auch zu einer Senkung der Kaufkraft der Massen. Einkommensunterschiede potenzieren sich. In dieser Situation träumen viele von einem bedingungslosen Grundeinkommen. Doch sind wir nicht gerade Zeuge, wie das Industriesystem, das die Grundlage der Städte bildet, nur durch exponentielle Anhäufung von Schulden überlebt hat - und auf dieser Grundlage weder willens noch in der Lage ist, "unnützen" Menschen eine dauerhafte Existenz zu sichern...? ˧ Zugleich vernichtet die industrielle Landwirtschaft laut der UN - Landwirtschaftsorganisation FAO mit Pestiziden und Düngung jährlich ca 10 Millionen Hektar fruchtbaren Bodens - das bedeutet, dass durch die Zerstörung der Humusschicht die landwirtschaftlichen Böden in ca 60 Jahren keine fruchtbaren Erträge liefern werden. Während also industrielle Nahrungsmittelproduktion schon längst über vertikale Silos innerhalb und außerhalb der Städte nachdenkt, läge es nahe, in einer Strategie der Wiederinwertsetzung und technologischen Unterstützung kleinteiliger Landwirtschaft die immensen Potentiale ländlicher Räume als Lebensquelle und Lebensräume mit vielen unentdeckten Nebeneffekten (so übertrifft die CO2 - Speicherung in gesunden Böden weltweit die Speicherung in den oberirdischen Pflanzenanteilen) zu forcieren. Abgesehen davon, dass die immensen Aufwände für die Herstellung urbaner Lebensmittelproduktion wohl am globalen "Peak Material" in vielen stofflichen Sparten scheitern und die Qualität wohl nur eine Minderwertige sein kann. ˧ Anstatt weiterhin in die Städte zu flüchten, ist also aus all diesen Gründen der umgekehrte Weg angesagt. So wichtig das Städtische, das Urbane in unserem Leben geworden ist, so sehr müssen wir versuchen es in eine Form zu bringen, die es uns auch erlaubt es gegebenenfalls auch mitzunehmen in den ländlichen Raum - eingebettet in die große Aufgabe, wieder Teil und Mitgestalter von Natur zu werden. ˧ Ein solcher ländlicher Raum der Zukunft verspricht vieles wieder instand zu setzen, was wir auf unser Reise in die Industriegesellschaft verloren haben. Unlängst habe ich eine Radiosendung gemacht über die "Klagen der dorflosen Mütter", bei denen die Wichtigkeit von Dörflichkeit und Natur für die authentischen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen benont wurde. "Es braucht ein Dorf um ein Kind zu erziehen" - dieses Afrikanische Sprichwort sagt eben ex negativo, dass es kein Wunder ist, wenn unsere Schulen und Familien überlastet sind, sich Defizite aller Art akkumulieren. Das Dorf, so meine Behauptung, ist die optimale Grundlage für menschliche Entwicklung und Gestaltung. ˧ Die Stärkung ländlicher Räume ist auch die Bedingung kollektiver kultureller Entfaltung. Gerade in der wachsenden Selbstbestimmungsfähigkeit von Gemeinschaften, die am globalen Wissensreichtum teilhabend einen gemeinsamen Entwurf, eine gemeinsame Intention lokal manifestieren, vollendet sich dieses Bild. ˧ Das alles ist nur möglich unter einer Bedingung. Wir müssen eine immense Bildungsoffensive für den ländlichen Raum lostreten. Wir müssen dessen gewahr werden, dass in jedem Dorf, jeder Gemeinde die Menschen vor der Aufgabe stehen, mit den neuen vorhandenen Möglichkeiten ein den Städten adäquates Lebens- und Problemlösungsniveau herbeizuführen. Das hieße automatisch dass ein "Landei" mehr Bildung braucht als ein Städter. In der Realität haben wir heute noch die völlig umgekehrte Situation, wir haben die Stadt die ein Bildungsprivileg hat, und wir haben junge Menschen die gezwungen sind, wenn sie denn Zugang zu höherer Bildung haben wollen, mehrere Jahre ihres Lebens - und im Endeffekt, wenn sie sich einmal dort eingelebt haben - ihr ganzes Leben in den Städten zu verbringen. ˧ Wir müssen, wenn wir das alles ernst nehmen, die Bildung im ländlichen Raum in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Da gibt es eine Produktivkraft, die die gegenwärtige Gesellschaft schmählich vernachlässigt hat - und das ist Kooperation. ˧ Kooperation als Gegenteil von Konkurrenz und Wettbewerb ist an sich das Lebensblut ländlicher gemeinden. Es liegt auf der Hand, dass unsere Dörfer immer noch funktionieren, weil Menschen in vielen Vereinen wie etwa freiwilligen Feuerwehren, aber auch Kulturvereinen aller Art Gemeingüter und gemeinschaftliche Lösungsmuster pflegen. Aber diese Kooperation kann von einzelnen Dörfern, von einzelnen Gemeinden weitergespannt werden in die Region - das ist auch der beste Weg städtische Lebensqualität in den ländlichen Raum zu bringen (Beispiel dreier Gemeinden im westlichen Waldviertel). Aber da hört es nicht auf. Kooperation kann weitergehen. Je feiner und spezieller Problemlagen werden, umso mehr kann Arbeitsteilig auch zwischen Gemeinden mit ähnlichen Problemen gearbeitet werden, neues Wissen geschaffen werden und damit der Rohstoff der Bildung. Letztlich steht jedes Dorf, jede Gemeinde in potentieller Kooperation mit kooperierenden Partnern in der ganzen Welt, und deswegen bekommt so der Begriff Global Village eine neue Bedeutung - als die Methode, wie wir uns unsere Zukunft tatsächlich sichern können. ˧
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. "Alles zugleich geht nicht ....Wir müssen unseren Platz auch finden und bewahren, in den 1000en Möglichkeiten unserer jetzigen Zeit" ˧
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