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Smart Village

Wie soziale Erfindungen zukunftsfähige Dörfer entstehen lassen

von Franz Nahrada

Der weltweite Trend zur Verstädterung ist ungebrochen. Scheinbar. Was noch kaum wahrnehmbar ist: in vielen kleinen Experimentalräumen vollzieht sich unmerklich die Neudefinition des Dörflichen.

Als ich vor rund dreißig Jahren - emotionell abgestoßen von Enge und Anonymität der Städte - von einer Zukunft zu träumen begann, in der die weltweite Informationsvernetzung uns eine freie Wahl unseres Lebensraumes und die Aufwertung von ländlichen und dörflichen Siedlungsweisen erlauben würde, konnte ich mir nicht vorstellen, wie kompliziert und schwierig der Weg zu solchen "Globalen Dörfern" sein würde. Obwohl der Traum vom ländlichen Leben ungebrochen ist, obwohl viele Umfragen nach dem optimalem Wohnort hohe Präferenzen für kleine Gemeinden mit intakter Natur und Landschaft zeigen, ist die Realität doch eine völlig andere: was nicht im "Speckgürtel" der Großstädte liegt, ist weiterhin von Landflucht und Ausdünnung der Versorgung betroffen. Beide Entwicklungen verstärken einander. Weniger Einwohner, weniger Nachfrage. Und so schließen Banken, Post, Lebensmittelgeschäfte, Schulen, Apotheken, Arztpraxen. Auch das Internet rentiert sich nicht für die Versorger, wie vieles andere, zum Beispiel öffentlicher Nahverkehr. Wer kann, plant seine Zukunft anderswo. Die Jungen können das. Die Alten bleiben zurück - unterversorgt und gefährdet.

Viele Gemeinden versuchen dem gegenzusteuern, indem sie attraktive Angebote machen. Baugründe fast oder ganz umsonst, wenn sich junge Familien ans Dorf binden. Erfolg bringt das wenig. Zu klar sind die Nachteile: weite Wege mit dem Auto zur nächsten Kleinstadt, wenig Bildungsmöglichkeiten für die Kinder, wenig Leben vor Ort. Eine Dorferneuerung, die sich auf das Verschönern von Dorfplätzen reduziert, ist auch zu wenig. All das ist mittlerweile weithin bekannt, prägt Klischees und Investitionsentscheidungen. Für die Automobilen gibts Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Das gibt den Dorfkernen den Rest. Das einstmals vielgelobte europäische Gleichgewicht von Stadt und Land droht zu kippen. Vom Rest der Welt ganz zu schweigen. Wo der Tourismus sich breitmacht, lässt sich Infrastruktur zwar noch halten, aber es ist zumeist eine temporäre und teure. An einigen Orten blühen fast verborgen öffentlich geförderte Projekte wie zum Beispiel betreubares Wohnen in steirischen Dörfern, doch die generelle demographische Tendenz können auch sie nicht ändern.

Wenn wir heute fassungslos vor den gewaltigen Kapazitäten der Bauindustrie stehen und erleben, wie sie im städtischen Raum eine Baulücke nach der anderen schließt, um die immer teurere Ressource Boden käpft und dementsprechend teuren und knappen Wohnraum in rauen Mengen schafft, der für viele dennoch ein Traum bleibt, dann könnten wir uns einen Moment fragen: was wäre, wenn ein Teil dieser gewaltigen Kapazität dafür eingesetzt würde, jene infrastrukturellen Defizite aufzuheben und jene Attraktivität herzustellen, die wirklich das Leben im Dorf und in der Stadt gleichwertig machen könnten? Dann müsste in der Perspektive gewährleistet sein, dass jeder einzelne Faktor, der die Stadt heutzutage so überlegen macht, durch ein ländliches Äquivalent ausgeglichen wird.

Die Vision vom gleichwertigen Dorf ist zwar prinzipiell nur denkbar, wenn wir in Rechnung stellen, dass durch die globale Informationsvernetzung Bildung, Beschäftigung, Einkommen, Kultur und Dienstleistungen aller Art an jedem Ort verfügbar sind - aber dies bedarf einer Fülle von zusätzlichen Faktoren, um zur Wirklichkeit zu werden. Die Vision vom gleichwertigen Dorf bedeutet Nähe und Dichte auch im ländlichen Raum, sie bedeutet dass wenige Menschen viele Aufgaben erfüllen müssen, für die sie qualifiziert sein müssen und sich koordinieren. Diese Entwicklung ist in ihren Anfängen spürbar: noch zumeist ohne große architektonische Form, aber als Haltung im Denken und Handeln, die sich radikal vom Leben in der Stadt unterscheidet. Jeder Mensch ist wichtig im Dorf, und durch die richtige Kombination der vorhandenen Qualitäten und gute Koordination lässt sich viel erreichen. Auf der europäischen Breitbandkonferenz 2007 in Brüssel hieß es sogar von seiten der europäischen Wettbewerbshüter: Kooperation ist essentiell für das Überleben der ländlichen Räume, blinder Wettbewerb kann hingegen tödlich sein. Das gleichwertige Dorf ist also vielleicht möglich - aber ganz sicher nicht durch gleichartige Methoden wie in den Städten. Das gilt auch dort, wo Dörfer städtische Muster adaptieren und praktizieren.

Eine neue Generation von Dorferneuerern und Innovatoren hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine Fülle von sozialen, ökonomischen, architektonischen etc. Erfindungen gemacht. Wenn man diese Revue passieren lässt, und wenn man bedenkt, dass jeder lange Weg aus vielen kleinen Schritten besteht, könnte sich das Gesamtbild möglicherweise ändern.

Lassen wir also im folgenden alle uns geistig präsenten gängigen Meinungen über die Nachteile des ländlichen Raumes Revue passieren - und schauen wir uns an, was sich dagegen tun ließe und was den Menschen dazu an Lösungen so einfällt. Im folgenden einige Impressionen, aus eigener Beobachtung in Österreich und anderswo und aus einer jüngst erschienenen Studie in Deutschland [1]

"Weit vom Schuss"


Gedankensammlung





[1] Von Hürden und Helden, Wie sich das Leben auf dem Land neu erfinden lässt, Von Manuel Slupina, Sabine Sütterlin und Reiner Klingholz, herausgegeben vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung,
gefördert von der Generali Stiftung, erschienen im Januar 2015 in Berlin. Download als pdf