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(Dieser Reader wird von Markus Blümel von der katholischen Sozialakademie herausgegeben und soll eine Konferenz Solidarische Ökonomie in Wien 2009 vorbereiten helfen.)

Freie Software - Modell für eine andere Ökonomie?

Freie Software hat das Potenzial, Produktivität und Effektivität menschlichen Wissens in ungeahnter Weise zu steigern. In einem solidarischen Miteinander von ProgrammiererInnen und BenutzerInnen enstehen Werte, die nicht mehr in Geld gemessen werden können - sozusagen „wert – frei“ und höchst „wert – voll“ zugleich.

Freie Software ist nur vordergründig ein technisches Thema, sie ist vor allem auch ein soziales Phänomen, genauer gesagt eine soziale Innovation. Diese Innovation passierte lange, bevor man begann sich mit ihr theoretisch auseinanderzusetzen. Sie hat sich nicht nur als lebensfähig erwiesen, sondern auch und vor allem als fähig, in einen Wettstreit mit den üblichen Formen der Organisation von geistiger Produktion einzutreten, der mit jedem Tag an Schärfe und Tragweite zunimmt - und das obwohl oder gerade weil freie Software vom herrschenden Wirtschaftssystem mittlerweile als nützliche und unentbehrliche Ressource gehandhabt wird. Mittlerweile gibt sie ein Modell ab, das auch für andere Bereiche der menschlichen Produktion inspirierend wirkt, und manche trauen ihr zu, die Keimform einer anderen, solidarischen und kooperativen Ökonomie zu verkörpern, in der sogar das Tauschprinzip überwunden und gesellschaftlicher Reichtum in nie dagewesenem Übermaß geschaffen werden kann.

Das Kochtopf - Prinzip

Selbst wenn man diese Erwartungen nicht oder nur bedingt teilt, so ist doch erstaunlich zu beobachten , wie eine Gruppe von Menschen um die andere in rein freiwilliger Selbstorganisation erstaunlich komplexe Projekt auf die Füsse stellt. Das Betriebssystem Linux zum Beispiel hatte im Jahr 2004 5,7 Millionen Programmzeilen, doch wesentlich weniger Fehler als ein vergleichbares kommerzielles Produkt. Es wird wegen seiner Verlässlichkeit in vielen technischen Geräten von Autos bis Telefonanlagen verwendet. Das Geheimnis dahinter ist, dass schon in der frühen Phase der Produktentwicklung nicht nur einige wenige ausgewählte Tester, sondern eine grosse Gemeinschaft mit dem Entwurf konfrontiert wird. Was aber treibt diese Entwickler dazu, sich freiwillig und in den meisten Fällen ohne direkte Bezahlung für Mitarbeit, Testen, Dokumentation zur Verfügung zu stellen? Eine Antwort ist, dass es hier um eine klare ökonomische Rationalität geht: Ein jeder gibt einen kleinen Teil in die "digitale Almende", den gemeinsamen Bestand an geistigen Gütern, und hat Anteil an der ganzen Fülle der Resultate aller. Wer einen Fehler entdeckt, kann auch gleich versuchen ihn zu beheben. Wer eine Funktionalität vermisst, ist herzlich eingeladen diese hinzuzufügen. Jeder einzelne profitiert – und läßt alle anderen mitprofitieren, einfach so. Mit ein wenig mehr Aufwand und mit einem geänderten Arbeitsstil entstehen Werte für alle. Und es besteht ein gemeinsames Interesse an einer sauberen und gelungenen Integration dieser Verbesserungen, weswegen auch ein "Chefkoch" oder eine Koordinationsgruppe in den allermeisten Fällen unabdingbar ist - mit mehr oder weniger demokratischer Ermächtigung ausgestattet. Manche Projekte haben eine Verfassung, manche sind einfach sehr pragmatisch aufgebaut. Wem die Suppe - sprich die Arbeit des Maintainers, des "wohlwollenden Diktators" - nicht schmeckt, der kann ja ohnehin versuchen, eine Spaltung des Projektes herbeizuführen, einen sogenannten "Fork", der je nach Umständen eine positive Erweiterung oder eine wesentliche Schwächung eines Projektes zur Folge hat. Freie Software ist also freie Kooperation, die auf vier Grundlagen fusst; Freiheit des Benutzens, Freiheit des Analysierens, Freiheit des Veränderns und Verbesserns und Freiheit der Weitergabe. Verboten ist eigentlich nur eines: im Falle der Weitergabe der unveränderten oder veränderten Software diese Freiheiten bei anderen zu beschränken.

Die digitale Brotvermehrung

Informationen lassen sich von ihrer Natur her unbeschränkt weitergeben, das Teilen macht sie nicht kleiner. Jeder hat an freier Software An-Teil, und jeder kann auf die Verbesserungen der anderen zurückgreifen. Jede Kopie ist ein neues Original und trägt zugleich den Keim unzähliger Mutationen in sich. Zugleich verbraucht sich die einmal geschaffene Software in ihren Wirkungen nicht, wenn die Prozesse die sie steuert gleich bleiben. Ein Musikalgorithmus der einen Barpianisten simuliert spielt bis ans Ende der Welt immer neue Musik. Ein Fabrikationsprogramm das einen Automaten steuert, wird nie müde. Zugleich stehen alle freien geistigen Güter in einer jederzeitig aktualisierbaren Beziehung zueinander. Dadurch ist auch der Erfolg des größten freien Projekts im Bereich des Wissens, der Wikipedia, erklärbar. Verweise bauen aufeinander auf, Teile ergänzen einander. Freiheit heisst dann auch Freiheit der Verknüpfung zu größeren und komplexeren Einheiten, genauso wie sie es ermöglicht sich einen kleinen Teil herauszunehmen und an die eigenen Bedürfnisse anzupassen. Auf diese Art und Weise potenziert sich Produktivität und Effektivität menschlichen Wissens in zuvor nie dagewesener Weise. Vielleicht sollte man das aber auch im Konjunktiv sagen, denn genau diese potentielle Produktivität läuft den Zielen unserer Wirtschaft diametral entgegen. Deswegen entwickelt sich die herkömmliche proprietäre Technologie anders als freie Software, deswegen stören die beiden Welten einander gewaltig. Wo die einen auf Verknüpfbarkeit setzen, steigern die anderen künstlich die Komplexität und machen die Dinge füreinander unbrauchbar. In einer Welt freier Produkte wären bildlich gesprochen fünfzig verschiedene Stecker bei Handyladegeräten absurd, ja schon das Wort "Kundenbindung" würde als bösartige Verfehlung gegen den Zweck der Produktion erkenntlich. Und Patentierung wäre eine widersinnige Behinderung anderer beim Testen und Verbessern von Designs.

Freie Hardware = freies Design

Im letzten Absatz wurde es schon ausgedrückt: der Übergang von der freien Software zur materiellen Welt ist fließend. Warum kann „freie Software“ sogar zum Enstehen „freier Hardware“ führen? Die Antwort ist: weil die materielle Welt immer mehr aus Information besteht. Automation bedeutet Steuerung durch Information, und je komplexer die Information, je perfekter die Automaten werden, umso mächtiger wird ihr Zusammenspiel. Es gilt dieselbe Rationalität wie bei der Software. Eine Ziegelpressmaschine, ein Auto, ein Windgenerator kann nicht nur im Netz entworfen werden, das Design steuert auch die Tätigkeit der Maschinen die die Güter produzieren. Freies Design macht Sinn, denn an vielen Orten können Verbesserungen entstehen und diese Produkte können mit selbstkonfigurierenden Drehbänken etc. lokal nachgebaut werden. Sie werden nicht primär für große Märkte, sondern für Eigenbedarf oder im Kundenauftrag produziert.

Die Globalen Dörfer

Wenn Ressourcen nicht knapp und menschliche Aktivitäten im Kreislauf aufeinander abgestimmt wären, ergäben sich daraus noch viel weitergehende Perspektiven: statt einer auf Austausch basierenden Ökonomie eine Keislaufwirtschaft nach biologischem Muster zu erzeugen, in der materielle Prozesse einander rückstandsfrei „füttern“ und befördern. Eine „grüne Chemie“ arbeitet bereist daran, hundertprozentige Kreislauffähigkeit in unsere Produkte einzubauen.. Ein Entwurf zukünftiger menschlicher Wirtschaft und Gesellschaft kann an diesen Potentialen nicht mehr vorbei. Wir erkennen, dass unsere Technologien durch ihre steigende Komplexität und Selbststeuerungsfägikeit sich immer mehr den Wundern der Natur annähern und immense Reichtumspotentiale enthalten – im Sinn eines mühelosen, kontemplativen und weitgehend arbeitsfreien Lebens. Abbau und Wiederverwertung ist ein komplexer Prozess, aber er lohnt sich. Eine Herangehensweise an diese Verbindung ist die Theorie der Globalen Dörfer, in der freies Wissen - das in weltweiten online communities nach dem Muster der freien Software entwickelt wird - für das Leben in dezentralen und energetisch und materiell weitgehend autarken Gemeinschaften in stofflich und sozial optimierten Größen dient.

Autor:

Franz Nahrada, Jahrgang 1954, lebt in Wien – Floridsdorf im Familienbetrieb Hotel Karolinenhof. Er studierte Soziologie und hat auf vielen Reisen Wissen und Erlebnisse zusammengetragen, die er zur Vision der Globalen Dörfer amalgamierte. Derzeit ist er dabei, eine Bildungsinstitution für vernetzte dezentrale Räume auf Basis „Video über Breitband“ (VideoBridge) aufzubauen und eine Infrastruktur für Open Source Hardware – ein Netz aus Universitäten, Handwerk und Kleinbetrieben im Verbund - zu schaffen.

Literatur

Volker Grassmuck, Freie Software Zwischen Privat- und Gemeineigentum

kritische Stimmen:

Markus Hammerschmidt, Luftbuchungen der freien Softwareszene

Beat Weber, Offen aber Arm