Florian Heiler / Die Kleinste Universität Der Welt / Postmod Uni |
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Auszug aus einem Statement zu einer LVA zum Thema „Institutioneller Wandel und Innovation“ (Florian Heiler, 2005)
Aus persönlicher Betroffenheit, eigenen und gemeinsamen Beobachtungen und Reflexionen was in der Welt und in Unis vorgeht, aus Erfahrungen als Student und jetzt als Universitätsangestellter. Ich möchte vorweg um Verzeihung bitten, dass mein Vortrag eine Vielzahl an Bewertungen enthält, was für eine „objektiv“ geführte Debatte sicher nicht das Förderlichste ist. Ich bin mir dessen bewusst, aber zum einen aufgrund der wenigen Zeit jetzt und fehlender gemeinsamer Vorbereitung auf dieses Thema, ist es fast unumgänglich. Zum anderen, weil ich es zunehmend bedauernd finde, dass die derzeitige Unireform mehr von einer Nichtdebatte geleitet ist, als von einer echten, offenen Debatte über die gesellschaftliche Rolle von Unis. Ich gebe zu, darüber steckt auch ein gewisses Frustrationspotenzial in mir, dass dies so ist und ich auch nicht ganz weiß, wie und was ich, vielleicht auch wir, daran verändern kann/können. Deshalb habe ich mich für dieses Thema entschieden und hoffe auf eine anregende, gehaltsvolle und inspirierende Diskussion anschließend.
Wozu braucht die Gesellschaft Universität? Diese von Kappler (1992) gestellte Grundfrage steht zu Beginn meines Statements. Die Genese der Idee der abendländischen Universität kann vor dem Hintergrund der ihrer bedeutenden orientalen und antiken Vorläufer anhand dreier wesentlicher Entwicklungsphasen skizziert werden. Entlang dieser Entwicklungslinie wandelt sich die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden von der scholastischen zur klassischen und von der klassischen zur postmodernen Universität:
In ihrem Mittelpunkt stand die Vermittlung eines gegebenen Wissenskanons durch die Professoren. Die Vermittlung fand üblicherweise in Form von Vorlesungen statt. Damit steht die scholastische Universität primär im Zeichen der Lehre, weniger im Zeichen der Forschung oder Praxis.
Die Humboldtsche Universitätsreform bringt eine veränderte und erweiterte Idee in den Mittelpunkt des Universitätsgeschehens. Die postulierte „Einheit von Forschung und Lehre“, womit sich der Fokus von der Vermittlung (vor)gegebener Wissensbestände zu dem Forschungsprozess, der der Generierung der betreffenden Wissensbasis zugrunde liegt. Ins Blickfeld rückt so der subjektive Prozess der Erkenntnisgewinnung durch den Forscher. Die Formel „der Forscher in Einsamkeit und Freiheit“ (Humboldt 1990, 274) bildet diesen Zusammenhang ab. Diese Erweiterung öffnet den Blickwinkel für den Prozess der Wissensentstehung. Mit diesem Perspektivenwechsel vollzieht sich auch eine Veränderung der Lehre. Während die klassische Vorlesung die Studierenden lediglich als ZuhörerInnen involviert („Mit-Hören“, „Mit-Denken“), engagiert die nun stärker in den Vordergrund rückende Form des Seminars die Studierenden als Dialog- und GesprächspartnerInnen, als „Mit-Sprechende“
Mit Beginn der dritten Phase (wo wir derzeit stehen oder sollten) der universitären Genese, verschiebt sich der Blickwinkel abermals. Während der vorangegangene Umschwung von der scholastischen zur klassischen Uni den Blickwinkel von der Wissensvermittlung auf die vorgelagerte Wissenserforschung verschoben hat, dreht der gegenwärtige Umschwung diese Schraube noch ein Windung weiter. Was gegenwärtig immer mehr in den Blickpunkt rückt, sind Entstehungsbedingungen in der Praxis, welche die Kontextbedingungen von Forschungsprozessen determinieren. Beispiele hierfür sind etwa:
Ich möchte betonen, dass ich der Meinung bin, dass der hier skizzierte Prozess zur postmodernen Uni nicht irgendwann in Zukunft passieren wird, sondern längst im Laufen ist. Und er erfolgt mit oder Unis. Ein Beispiel gefällig: Ein Großteil der in Silicon Valley tätigen Unternehmer (Silicon Valley wird immer als einer der globalen Innovationsräume dargestellt, in dem letztlich auch viel neues Wissen hervorgebracht wird) besitzt keinen Uni-Abschluss. Die Kompetenzen und das Wissen, dass diese Leute brauchen um in der Praxis erfolgreich zu sein, lernen sie (demnach) nicht auf Universitäten. Ich bin mir aber bewusst, dass der Prozess zur postmodernen Uni seine eigenen Pathologien aufweist. Beispielsweise weil sich die Subsysteme der Wissenschaft autopoietisch nur um ihre eigene Binnenwelt drehen, ohne die eigentliche Herausforderung auch nur zu sehen, nämlich als WissenschaftlerInnen die Grenzen der wissenschaftlichen Binnenwelt zu transzendieren und die Wissenschaft in den Dienst der Praxis und der ihr innewohnenden Zukunftspotenziale zu stellen.
Die Ausgangsfrage, die der skizzierten Entwicklung zugrunde liegt, lautet:
Die hier angebotene Grundbewegung ist in beiden Fällen (Lernende und Lehrende) die gleiche Bewegung von scholastischen Wissensbeständen über die Teilnahme am Forschungsprozess hin zur dialogischen Wissensschöpfung qua Wirklichkeitserzeugung. (Ist auch Kernpunkt einer Nachhaltigen Entwicklung per se und einer nachhaltigen Uni)
Die 4½ folgenden Thesen hängen für mich eng und inderdependent zusammen und sind bitte auch als einheitliches Thesen- und Strategiefeld zu sehen.
Laut Verfassung sind die Wissenschaft und ihre Lehre frei (Art. 17 a StGG , 1867). Dem wird man einerseits zur Zeit dahingehend gerecht, indem man den Unis eine zunehmende Autonomie zukommen lässt, der Staat sich also zu einem gewissen Teil zurückzieht. Ich denke, dass ist, wie ich gleich noch kurz erklären werde, ein wichtiger Schritt. Für mich besteht aber doch die Frage nach der tatsächlichen Freiheit im Zuge der derzeitigen Universitätsreform für die (jeweilige) Universität, die Forscher, Lehrenden und Lernenden. Ein oder das in der zweiten Entwicklungsphase errungene Funktionsprinzip der Unis ist für mich jenes der Freiheit, der authentischen Selbstbestimmung (was und wie erforscht wird), der Selbstverantwortung. Als geistiges Wesen strebt der Mensch nach Entfaltung und Entwicklung (seiner Persönlichkeit, seiner Potenziale) und nimmt am geistig-kulturellen Leben der Gesellschaft teil (vgl. etwa Abraham Maslow). Um diese Funktion erfüllen zu können, muss deshalb im geistig-kulturellen Leben das Hauptprinzip der Freiheit wirken, indem jedem Individuum Freiheit der Meinungsäußerung, Freiheit des Denkens, Forschens und Lehrens, Schulwahl, Berufsausbildung, etc. garantiert wird. Den Institutionen im geistig-kulturellen Bereich der Gesellschaft - beispielsweise der Uni - muss demnach eine größtmögliche Autonomie, Freiheit der Richtung und Freiheit im Gestalten und Verwalten der Einrichtung gewährt werden. Staatliche Gängelung führt andernfalls zu Sterilität. Ein staatliches Bildungswesen, das Ziele, Inhalte und Formen des Unterrichts zu bestimmen sucht, führt als Quasi-„Staatsreligion“ (Reimer 1927, Illich 1972, 25) zur größten Unfreiheit und Dysfunktionalität. (vgl. als ein historisches Beispiel den Kommunismus). Überall dort wo Gesinnungsterror, Meinungszensur oder Bindung der Forschung und Lehre an die ökonomischen und politischen Interessen gegeben sind, wird die Grundvoraussetzung der Freiheit im geistig-kulturellen Bereich verneint. Was folgt: es mangelt dann der Gesellschaft an einer funktionierenden Quelle der Selbsterneuerung. Ich finde es deshalb als hinterfragenswert in wie weit Freiheit von Forschung, Lehre, etc. im Zuge der Universitätsreform in Österreich und im speziellen auch auf der BOKU gegeben ist oder auch nicht. (Beispiel Zentralisierungstendenzen innerhalb der Universitäten, politisch-strategische Besetzung des Universitätsrates, „Allmacht“ des Rektors, Bindung der Uni an rein ökonomisch orientierte Unternehmen und damit Interessen, …)
Universität erscheint mir bezogen auf ihre Idee und Rolle Ideen- und konzeptlos (Ausgangspunkt dieser These ist die zuvor beschriebene Genese der Unis) Der Universität als solches fehlt es an grundlegenden, aktivierten und aktualisierten Visionen, Ideen und Konzepten, was sie wirklich ist oder sein will in dieser Zeit. Ich habe (kurz) aufgezeigt was Uni im Laufe ihrer Genese gewesen ist. Wesentlich ist, dass Unis sich in ihrer Idee, in ihrem Verständnis von sich selbst und ihrer Rolle in der Gesellschaft, immer wieder verändert haben oder positiv ausgedrückt entwickelt und erweitert haben. Gegenwärtig entpuppt sich diese Frage für mich als eine Kernfrage. In einer massiv sich verändernden Welt (Raum, Zeit, Struktur, Materie und Wettbewerb) verändert sich auch der gesellschaftliche Kontext von Unis massiv. Man scheint sich in Anbetracht der sich vollziehenden Unireformen der Tatsache einer Veränderung bewusst, aber ich sehe in der (Nicht-)Debatte nicht, die grundlegende Idee, eine greifbare Vision, Identität, die Ziele und Werte (außer die von mir angeführten und zum Teil auch zunehmend dogmatisch verteidigten historischen Werte der Wissenschaft - die aber in diesem Zusammenhang nicht wirklich reflektiert werden), was Uni heute ist! (siehe These 3)
Eine erforderliche profunde Neuschöpfung der Universität muss über eine Reform von Strukturen und Prozessen hinausgehen und auf eine Neuschöpfung ihres „inneren Kerns“ zielen, in dem die klassische Universität - die Humboldtsche „Einheit von Forschung und Lehre“ - erweitert und auf eine neue Grundlage gestellt wird, der „Einheit von Praxis, Forschung und Lehre“. Diese These folgt aus der eingangs beschriebenen Genese der Universitäten. Das Problem der aktuellen Universitätsreform (und laut Literatur zumindest der letzten 30 Jahre) ist, dass zwar eine Menge neuer Prozesse und Strukturen implementiert werden, aber keine neue, aktualisierte (upgedatete) Idee von Universität hervorgebracht wird. Gemessen an den gegenwärtigen Aufgabe - die Unis im Kontext weltweit globaler Veränderungen neu zu erfinden, ihr eine zeitgemäße Idee zu geben - muss die aktuelle Universitätsreform als gescheitert betrachtet werden, da sie nur Symptome kuriert, nicht aber an die Neuschöpfung des „inneren Kerns“ heranreicht. Der Grundcharakter einer erneuerten Universitätsidee zielte hingegen nicht auf eine Wissenschaft, die die Welt lediglich reflektiert und spiegelt, sondern auf eine Wissenschaft, die in der Lage ist, die Wirklichkeit von ihren Grundkräften des Werdens her zu begreifen. In einer solchen Uni wandelt sich die Rolle der Lernenden und Forschenden zunehmend von äußeren Beobachtern zu schöpferischen Mitgestaltern einer sich entwickelnden Praxis. (Damit ergeben sich für künftige Absolventen im Übrigen die Möglichkeiten gleich von der Uni weg sich unternehmerisch Berufsfelder zu gestalten, was mir als zunehmend bedeutend erscheint, bei der derzeitigen Arbeitsmarktentwicklung)
Neuschöpfung der Uni ist ein sozialer Lernprozess, der entsprechender Infrastrukturen des Lernens und einer gemeinsamen Willensbildung bedarf: Was Uni im 21. Jahrhundert sein soll/wird muss (gemeinsam) identifiziert und entwickelt werden. Das dies ein sozialer und auch breit(er) angelegter Lernprozess sein sollte erscheint passend (Large Scale Change Processes; Stichwort: Institutionelle Innovation) Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir es bei der derzeitigen Uni-Reform (generell und auf der BOKU) nicht mit einem profunden sozialen Lern- und Veränderungsprozess zu tun haben. Sondern hier wird ein UOG und ein wie und wo auch immer ausgearbeitetes Strategiepapier mit (Informations-)Beteiligung umgesetzt und zwar in rasendem Tempo (wie etwa auf der BOKU). Betroffene werden nur zum Teil zu Beteiligten gemacht und zugegebenermaßen wollen, so mein Eindruck, einige lieber Betroffene als Beteiligte sein. Infrastrukturen des Lernens sind alle Räume, Werkzeuge und Hilfsmittel, die TeilnehmerInnen einer Organisation helfen, schneller und besser Erfahrungen wahrzunehmen und aus ihnen zu lernen. (Wir könnten anschließend darüber nachdenken, wie das konkreter aussehen kann) Die Fähigkeit, individuelle und gemeinsame Energie- und Wissensquellen zu mobilisieren, ist eine wichtige Schlüsselkompetenz aller individuellen und kollektiven Spitzenleistungen. Doch ist die Schulung dieser Fähigkeit, was einerseits die derzeitige Reform der Unis (BOKU), andererseits in universitären Lernkontexten wie ich sie erlebt habe und zum Teil kenne in weiten Teilen der Unilandschaft abwesend.
Die These impliziert die Frage, wie helfen wir Lernenden (Studierenden) brachliegende innere und äußere Potenziale zu identifizieren, zu aktivieren und umzusetzen? Für mich bedeutet das, mittels Lehre zu entwickeln, wie wir als Teil der Ausbildung zum Landschaftsplaner, zum Agrarökonomen, zum Kulturtechniker, zum Arzt, zum Juristen etc. Lernende unterstützen können mit ihren eigenen schöpferischen Quellen und Willenskräften in Berührung zu kommen. Das erscheint mir eine zunehmende bedeutende Lernerfahrung zu sein. In den Worten Maslow: „Persons who have achieved their identity (Anm.: “knowing who you are, where you are going, what you want) are „causers” rather than “caused”. An dieser Stelle auch ein bisschen Kritik an der gesamthaften Uni-Ausbildung, die zu stark auf Wissensreproduktion und nicht auf Wissensentwicklung setzt. Für mich ist die Art wie diese LVA abgehalten wird, ein erster wichtiger Schritt in die angesprochene Richtung. Wir sind aufgefordert uns einzubringen, begegnen uns partnerschaftlich (Lehrende und Lernende), gestalten die LVA aktiv mit („Instrumentalisieren“), man hat die Möglichkeit eigenen Themen, die einen beschäftigen einzubringen, es gibt eine gewisse Offenheit, wie die LVA inhaltlich, formal ablaufen wird (was für den LVA-Leiter auch jedes Jahr gewisse Neuheiten, Überraschungen bringt, etc.).
Offene Liste ohne Reflexion durch die Gruppe
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