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Habe die Arcologyseite gesehen und naja, beeindruckend.

(Zusammenfassung der folgenden Abhandlung: Die Grösse einer Siedlung ist kein hinreichendes Kriterium, um den Unterschied zwischen einem Dorf und einer Stadt zu ziehen).

Auf der Arcology-Seite heisst es:

I would argue that the main mistake of Arcology Theory so far was the idea that you could build a city of any magnitude without considering the dense network of social relations that constitute its life.

When we look at our main competitor, the suburbia cluster, the first thing you have to admit that they have been very successfully been able to outsource the social relations problem to their main tool, the automobile. Levittown was not only possible because it was cheap, but mainly because it was a social relations parasite. It left all questions of work, education, health and one thousand other fields of social relations outside the core concept of construction. That is the reason we see incredible scales of development in this completely irrational mode happening.

Was nun die Grösse und dergl. betrifft: In Europa unterscheiden sich insbesondere in Mittelmeergebiet Städte durch eine andere Soziologie von Dörfern: Nämlich die städtischen Freiheiten durch eine besondere Gründung: Die Polis. Nichts desto trotz ist die Grösse gemessen an Entfernungen entscheidend, nämlich ob noch eine face-to-face - Society möglich ist oder nicht, anders gesagt: Wie viele Kilometer muss ich zurücklegen, um meine sozialen Netzwerke pflegen zu können. Aber auch das ist nicht ganz hinreichend, weil Bergbauern ja auch oft kilometerweit voneinander entfernt leben, bei denen ist das Dorf das soziale Zentrum.

Beispiel für das historische Entstehen der Stadt

Eine Stadt ist in erster Linie ein soziologisches Phänomen, meistens abhängig von der Warenwirtschaft. Die Stadtmauer hatte nicht nur Schutzfunktion, sondern war auch sinnfälliger Ausdruck dieser anderen Gesellschaft - der Stadtgesellschaft - gegenüber der Gesellschaft am flachen Lande.

Venedig war m.E. die letzte typische Polis der antiken Welt, weil sich Venedig durch die Wahl des Dogen = des byzantinischen Governeurs von Ostrom unabhängig gemacht hat. Dann lief die Entwicklung Venedigs ausgesprochen folgerichtig zu einer Oligarchie (wie dies für die griechischen Städte bereits Nathan Denis Fistel de Coulagues beschrieben hatte.

Kulturwissenschaftliche Eckdaten der Städte

Dann kam Gordon Childe mit der "neolithischen Revolution", der die "urbane Revolution" folgte. Die aufgrund der "fueros" (spanisch: übertragene Autonomiekompetenzen, Statuten usw.) beruhende grundsätzlich andere Soziologie in einer Stadtgesellschaft ist dabei aussen vor geblieben. Wichtig ist, dass die Stadtgesellschaft sich von den agrarisch bedingten Lebensrhytmen emanzipierte, wohingegen die Bauern als unfreie Klasse meist in der "chore" blieben, welche die Polis versorgte und meistens eine eigene Soziologie hatten. Da gibts das wunderschöne Werk von Billie Isbell "To defend ourselves" jetzt mit Updates auf spanisch erschienen, wo so eine Dorfsoziologie in den Anden beschrieben wird. Das ist extrem rigide, hat aber auch pflanzenphysiologische Gründe, meine ich, nämlich den Saatgutaustausch, damit der Gen-Pool des einzelnen Bauern nicht ausleiert. Wer da individualistisch ist oder exzentrisch, fliegt gnadenlos aus der Gemeinde raus, da er das Gleichgewicht der kooperativen Kultur stört. Die Städter hingegen haben sich in einem ersten Schritt von dieser "Verwurzelung auf der Scholle" emanzipiert, da sie andere Wirtschaftsformen gefunden haben. Dieses "auf der Scholle wurzeln" wurde später als "gesundes Landleben" romantifiziert und es gibt Zivilisationen, welche die "leichtfüssigen Händler" und damit die Städte eher mißtrauisch beäugten, wie beispielsweise China bis zu Deng Xiaoping.

Herleitung der globalen Dörfer auf dem 'wissensbasierten Pfad der sozio-ökonomischen Entwicklung'

In der Archäologie der Anden gibt es einen absurden Streit, ob die Inkastädte nun Inkastädte waren oder Paläste. Ich habe die Sache mit dem wissensorientierten Vektor der sozialen Evolution in den Anden deshalb eingeführt, weil die Inkastädte auf diesem Entwicklungsvector liegen, nicht auf dem Vektor der "commodity based world systems". Das hängt mit den Transportkapazitäten zusammen und wenn Venedig eine Riesenstadt war, dann wohl deshalb, weil mit den venezianischen Gondeln der öffentliche Verkehr effizient betrieben werden konnte - Venedig steht ja im Wasser. Die ganze Entwicklung der griechischen Demokratie und des römischen Weltreiches war meiner Ansicht, die ich in einer leider maschinschriftlichen Arbeit bei Fr. Prof. Edith Specht (Seminar: Transport als politischer Faktor) dargelegt hatte, deshalb möglich, weil die Transportstückkosten per Schiff niedrig waren. Zum Vergleich mussten die Assyrer für jeden Ferntransport mit Eselskarawanen ein eigenes Finanzierungskonsortium aufstellen, wo die Tempel sich daran beteiligten. Diese Vorgänge fanden in Tontafelverträgen ihren Niederschlag, die sich bis heute erhalten hatten. Ich hab damals das bewegte Kapital mit dem des assyrischen Inmobilienmarktes und den dortigen Umsätzen verglichen und konnte daher das Kapitalvolumen, das für den Transport aufgewendet werden musste, in Liegenschaften mit Häusern umrechnen, also es war gigantisch, ein Transport kostete etwa 10 Häuser. Das ist typisch commodity-based world system mit "assisted trade" (Karl Polanyi). Die Inkastädte gehören zusammen mit den Globalen Dörfern zum knowledge-based world system und zwar deswegen, weil Massentransporte von der Energiebilanz her unmöglich waren (Lamakarawanen). Das heisst, auf dem eher wissensbasierten Entwicklungspfad ist die Diskussion, was ein Dorf und was eine Stadt ist, eher sinnlos, denn diese Entwicklung führt in Gebiete, die wir aus unserer europäischen Geschichte her nicht kennen.

Neue Erkenntnisse aufgrund meiner diesjährigen Projektexpedition

Das Inkareich war ein post-collapse - scenario, weil die Waris mit ihren Riesenstädten wie Piquillaqta (das war, wie wir jetzt wissen, eine Riesenstadt) den peak-wood erreicht haben dürften, also die Infiltrationswälder abgeholzt hatten und dann auf dem Trockenen sassen.

Fig 1:Teil von Piquillaqta, von dem der Mythos der Prinzessin ohne Wasser erzählt wird. Bitte auf dem Hügel die Erosionsrillen beachten.

Die enormen Erosionsrillen auf dem Hügel auf Fig.1. können nicht nur auf die Spanier zurück gegangen sein - dafür sind bis Andahuaillillas die Rillen einfach zu tief und zu zahlreich im Vergleich zu Cusco.

Die Gegend (das Lucre - Basin) ist BIS HEUTE NAHEZU BAUMLOS und es wurde niemals wieder eine Stadt in dieser Gegend gegründet.

Natürlich ist es jetzt ein bisschen defätistisch, aus der Tatsache, dass die globalen Dörfer der Inka aus einem post-collapse scenario entstanden sind (ich bin mit Wilfried Hartl am Auswerten des Ganzen, also das sind einmal vorläufige Schlussfolgerungen) zu schliessen, dass "unsere" Globalen Dörfer auf eine post-collapse Zeit nach dem Peak Oil warten müssen, um sich global durchzusetzen.

Momentan laufen aber ALLE Rohstoffe auf den Peak zu (dazu gibt es ein Spiegel Spezial - Heft: Kampf um Rohstoffe).

Schlussfolgerung aus dieser Abhandlung
  1. Im Kontext der Globalen Dörfer ist es wurscht, ob eine Siedlung nun eine Stadt oder ein Dorf ist, da anderer Entwicklungspfad.
  2. Die Stadt definiert sich eher durch ihre Soziologie und weniger durch ihre Grösse.
  3. Wir sollten die soliden Arbeiten der klassischen Kulturanthropologie zu diesem Thema nicht aussen vor lassen, da können Helmut Lukas und sein Mitarbeiter Khaled Hakami einiges erzählen --> http://homepage.univie.ac.at/khaled.hakami/. Zwar wird das in Wien heute eher scheel angesehen - man ist ja in der Postmoderne - aber solange ich mein Abendessen nicht als freeware downloaden kann, ist die ganze Postmoderne eher eine Postre-Moderne (postre: spanisch für Nachspeise).
  4. Wilfried Hartl würde sich sicher einen Haxen ausfreuen, wenn es uns gelänge, auf die Tour eine naturwissenschaftliche (Agri-)-Kulturanthropologie aus der Taufe zu heben, denn seit Earls die physikalischen Grundlagen der Globalen Dörfer dargelegt hat, ist die Diskussion auf einer bodenständigen Ebene und in der ökologischen Landwirtschaft bedarf es derartiger Ethnologen, das wird schon in Perú so praktiziert. Das hat ganz spezifische Gründe wegen der Sortenverbesserung, aber das kann Wilfried viel besser erklären.
UweChristianPlachetka