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Die Zweidimensionale Gesellschaft


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"Die zweidimensionale Gesellschaft. Ein Essay zur neokonsumistischen Geisteshaltung." von Manfred Prisching.

HelmutLeitner: Die zwei Dimensionen sind "Geld" und "Spaß", aber das sind nur Spitzen eines Eisberges, den Prisching nicht trivialisiert. Im Detail analysiert er die Überbietungslogik (Steigerungszwang), den Multioptionalismus, die Vermarktlichung, Identitätsfiktionen, etc. um nur einige Hauptkapitelüberschriften anzuführen. Sehr viele Verweise, die aber gut strukturiert sind und die Klarsichtigkeit nie stören. Der Grazer Univ. Prof. Manfred Prisching hat ein ungemein umfassendes und eindringliches Buch über die postmoderne Konsumgesellschaft bzw. den Konsumismus geschrieben, das man nur jedem empfehlen kann, der sich mit Gesellschaftsthemen beschäftigt.

FritzEndl: Ein sehr empfehlenswertes Buch zu diesem Thema:

Benjamin R.Barber: Consumed! Wie der Markt Kinder verführt, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie untergräbt. (Verlag C.H.Beck, 2007)

Benjamin R.Barber ist Professor of Civil Society an der Universität of Maryland und einer der einflussreichsten Politikwissenschafler der USA. Er war innenpolitischer Berater der Clinton-Regierung.

Über das Buch schreibt Robert Misik im „Falter“ 11/08 unter der Überschrift „Homo shoppiensis - Die Konsumkultur wird von einem infantilistischen Ethos getragen, das aus Bürgern Kinder macht, meint Benjamin Barber:

Die Totalkommerzialisierung mache nicht nur Kinder zu Konsumenten, sondern Konsumenten zu Kindern. Überraschungseier würden an der Supermarktkasse so präsentiert, dass die Kinder garantiert „Ich will“ rufen – aber auch Erwachsene würden darauf gedrillt, immer „Ich will“ zu rufen. Der Konsumkapitalismus hat demnach sein spezifisches Ethos - ein infantilistisches. Man will Dinge haben, schnell haben, unkompliziert haben, und die Güter werden wie Spielzeug beworben, was ihrer Funktion oftmals auch entspricht. Barbers Schlüsselthese: Vor hundert Jahren war der Kapitalismus durch das, was Max Weber sein „protestantisches Ethos“ nannte, noch mit gewissen Tugenden verbündet, heute sei er jedoch verbündet mit Lastern. Die Folgen: Narzissmus, Verantwortungslosigkeit, Verschwinden des Bürgersinns, Kulturverlust.
Barbers Streitschrift lappt mehr als nur ein wenig in Richtung Klagelied, und der Sinn für Ambivalenz ist nicht die größte Stärke dieses Autors...Barber ist ein amerikanischer Linksliberaler mit einer starken Prise konservativem Kulturpessimismus. Nur: Falsch sind die Dinge deswegen noch lange nicht, die er schreibt. Im Gegenteil: Schon sein Buch „Jihad vs. Mc.World“ (1995) brachte eine Weltkonstellation auf einen griffigen Nenner, noch bevor irgendjemand von El Kaida gehört hatte.“

Einige Passagen aus dem Buch, die ich besonders in Hinblick auf das DorfWiki als sehr bemerkenswert betrachte:

Unter „Wiederherstellung der Bürgerrolle“ (S.335-338, Hervorhebungen FE)

„Das Internet wird immer häufiger angepriesen als ein Ort des Protestes gegen die Hegemonie des Staates wie des Marktes. Weblogs (Blogs) zum Beispiel verschaffen dem einzelnen ein digitales Megaphon und lassen Privatpersonen zu Kritikern und „Muckrakern“ werden. Das Bloggen erlaubt wie die E-Mail und das i-Messaging eine direkte, „horizontale“ Kommunikation quer durch die ganze Welt. Waren das traditionelle Entertainment, der Rundfunk, das Fernsehen und die Informationsdienste hierarchisch in vertikalen Strukturen organisiert, wo die wenigen zu den vielen sprachen, so gestatten die neuen horizontalen Organisation des Webs und die „Demokratisierung der Informationen“ durch Suchmaschinen wie Google eine direkte Kommunikation zwischen vielen, und sie erleichtern den potentiellen Widerstand gegen Hierarchien und eine übergestülpte Autorität.

......Schließlich ist das Internet horizontal aufgebaut, und es hat auch sonst noch etliche Eigenschaften, die für Gleichmacherei und Widerstand gegen Autorität taugen. Zeigt sich in den neuen Technologien die Kraft, die Joseph Schumpeter schöpferische Zerstörung nannte, nämlich die Fähigkeit des Kapitalismus, durch stürmische Entwicklungen, die er selbst hervorgebracht hat, seine Krankheiten zu heilen ? Vielleicht.

....Was eine angewandte Technologie wert ist, hängt letztlich nicht von ihrer Architektur ab, sondern von den Zwecken, für die sie genutzt wird.

.....John Stuart Mill hatte begriffen, dass es dem Liberalismus nicht um die Freiheit geht, die sich in einer endlosen Zahl trivialer Wahlmöglichkeiten erschöpft, sondern um den Pluralismus der menschlichen Existenzformen und um die Offenheit der menschlichen Entwicklung. Dies ist die Freiheit, für welche die Demokratie die Voraussetzung – und das infantilistische Ethos das Hindernis ist.

Doch gegenwärtig, da die Märkte global sind, die Demokratie aber immer noch national ist, fällt es den demokratischen Kräften innerhalb nationaler Gesellschaften schwer, über nationale Grenzen hinweg zu kooperieren. Im globalen Rahmen ist von liberaler Vielfalt nichts zu spüren, da von öffentlicher Freiheit und bürgerlichem Pluralismus überhaupt nicht die Rede sein kann.

....Einen Ausweg bietet die Demokratisierung der Globalisierung. Sie würde durch Überwindung der bürgerlichen Schizophrenie den Kapitalismus neu beleben und das Gleichgewicht zwischen Staatsbürgern und Verbrauchern wiederherstellen. Die Trumpfkarte läge wieder in den Händen der Öffentlichkeit, die jetzt die gesamte Welt umfassen würde, und die Stimmer der Erwachsenen, die gegen den internationalen kulturellen Einfluss der Infantilisierung protestieren, würde gestärkt. In John Updikes Roman „Der Coup“ bemerkt ein Afrikaner namens Ellellou: „Ich erkannte, dass ein Mann in Amerika ein unreifer Junge ist.“ Verbraucher sind allenthalben unreife Menschen, jung und gierig gemacht von einer Kultur des Infantilismus, die sie nicht erwachsen werden lassen will. Die bürgerliche Berufung sorgt dafür, dass Jungen und Mädchen reif und schließlich Bürger werden. In ihr schwingt die Kultur der Aufklärung mit, die nach Immanuel Kant im „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ besteht. Sie verweist auf Normen der Zusammenarbeit und eine „Ethik der Fürsorge“, in der „Beziehungen zwischen Menschen nicht individuelle Rechte oder individuelle Präferenzen, sondern von übergreifender Bedeutung sind“: Dadurch wird es möglich, dass diese Beziehungen sich ausweiten und Märkten eine Grenze setzen und dass sie die globale Zivilgesellschaft stärken. Die Idee der bürgerlichen Berufung beruht auf innovativen Formen der traditionellen Allmende, darunter auch eine neue Wissens-Allmende, die sich auf neue Technologien stützt. Die neue Allmende (Duden: =Gemeinsam genutztes Gemeindegut), die einigen eben jener Technologien wiederspiegelt, die zur Infantilisierung beitragen, könnte in demokratischer Version eine vielfältige Allmende umfassen: „frei zugängliche Software, freie Lizenzen, wissenschaftliche Zeitungen mit offenem Zugang, digitale Speicher, eine Institutionen-Datenbank und sogenannter Open Content auf Gebieten, die vom Stricken bis zur Musik, von der Landwirtschaft bis zu Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes reichen“, wenngleich der Aufbau einer solchen Allmende „weder einfach noch kostenlos ist“.

Kommentar UweChristianPlachetka

KommentarZweidimensionaleGesellschaft[1].


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[1] Ich erlaube mir einen ausführlichen Kommentar, da ich derzeit damit beschäftigt bin, theoretisch auf den Punkt zu bringen, wie arme Drittweltländer ohne Totalindustrialisierung den Sprung in die Wissensgesellschaft schaffen können.