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(FranzNahrada:) JosefBaum aus Purkersdorf ist ein Regionalökonom, der sich intensiv mit innovativen Entwicklungen im ländlichen Raum befaßt.

Ich traf ihn beim Regionalgeldkongreß in Purkersdorf und er erzählte mir, daß er eine Studie über Kautzen veröffentlicht hat, jenes legendäre Dorf im nördlichen Waldviertel, das schon vor 20 Jahren ein Vorreiter nachhaltiger Entwicklung war.

Josef Baum: Die Entwicklung lokaler Nachhaltigkeit am Beispiel der Region Kautzen in Niederösterreich. Bedingungen, Erfolge und Probleme beim Einschlagen des Weges einer nachhaltigen Entwicklung. Research on Cases and Theories Volume 11, Rainer Hampp Verlag München Mering 2004 ISBN 3-87988-871-X. (BuchEntwicklungKautzen)


Im folgenden eine kurze Zusammenfassung des Inhalts die mir Josef Baum, den ich für das Forschungsnetzwerk gewinnen möchte, übersandte. Wäre interessant ob sich hier im Dorfwiki dazu eine Interaktion mit den Bewohnern und AkteurInnen organisieren läßt:

" Kautzen hatte in den letzten zwanzig Jahren wegen vielerlei Initiativen gewisse Berühmtheit erlangt. In der Literatur ist Kautzen als 'Symbol einer Trendwende im ländlichen Raum. Aber was seit damals in Kautzen gelaufen ist, gibt es heute in dutzenden Gemeinden Österreichs. Das Besondere an Kautzen liegt darin, dass die Entwicklung schon vor zwanzig Jahren begann...

Die Gemeinde Kautzen ist eine relativ kleine Gemeinde mit 1.275 Einwohner bestehend aus insgesamt zehn Dörfern. Kautzen liegt im Bezirk Waidhofen/Thaya, welcher meist höchste Arbeitslosen- und Abwanderungsraten im gesamten Waldviertel aufweist. Die Probleme wurden insbesondere seit Ende der 1970er Jahre sehr massiv, als die regionale Textilindustrie in die Krise gelangt. Der Bewusstwerdungsprozess ist eng verbunden mit der geplanten Lagerung von Atommülle im Waldviertel des (letztlich doch nicht in Betrieb gegangenen) Atomkraftwerkes Zwentendorf. Aus der Bewegung, die aus dieser Situation heraus entstand und aufgrund des allgemeinen Problemdrucks entstanden sehr positive Initiativen wie z.B. der Waldviertelplan und viele andere originelle Entwicklungen in der gesamten Regionalpolitik. Damals sprach man noch nicht von Nachhaltigkeit, es gab aber viele Elemente davon in der damaligen Waldviertelstrategie. In der Zwischenzeit ist das Waldviertel leider in Bezug auf vergleichbare Regionen wieder zurückgefallen und die Regionalpolitik hat aus verschiedenen Gründen an Dynamik verloren....

Sozialökologischer Innovationszyklus Phase 1

Take-off-Konstellation

Anfang der 1980er Jahre inmitten einer allgemeinen latenten Aufbruchsstimmung gab es in der Gemeinde Kautzen eine besondere Konstellation, nämliche eine hohe Innovationsbereitschaft, geistige Aufgeschlossenheit und Interessensgruppen als Träger für Veränderung. Warum dies v.a. in Kautzen und nicht etwa auch in anderen Gemeinden der Fall war, lässt sich schwer feststellen, wenn man nur die letzten hundert Jahre betrachtet. Dies würde eine eingehende soziologisch historische Analyse verlangen. Die Gemeinde Kautzen war von je her sehr innovationsbereit und anderen Gemeinden in der Umgebung voran. Sie hatte als erste eine Straßenbeleuchtung, sie konnte eine Hauptschule errichten usw. In einer lokalen Schrift steht "Kautzen war stets dem Fortschritt zugewandt?". Wichtig ist - und das ist für das Waldviertel nicht selbstverständlich - dass die Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber Zugezogenen und "Außenseitern" relativ groß ist. Dies lässt sich empirisch belegen. Diese Leute werden nicht bekämpft, sondern integriert, was bis heute so der Fall ist.

Die Lehrer der Hauptschule bildeten eine Pressure Group. Am Anfang stand eine Initiative für ein Heimatmuseum. Es bildete sich ein Arbeitskreis und der Bürgermeister verfasste ein lokal-historisches Buch. Ein wichtiger Hintergrund bestand in der Reaktion auf die Entdemokratisierung im Zuge der Gemeindezusammenlegung Anfang der 1970er Jahre. In den Dörfern gab es nach wie vor Zellen, welche die eigene Identität aufrechterhalten wollten und sich daraus aktivierten. Neben diesen geistigen Vorbereitern gab es in Kautzen auch materielle Träger für Veränderung. Dies waren einerseits die Bauern und andererseits der Handel. Die Bauern hatten Interesse an zusätzlichem Einkommen insbesondere über die Biomasseprojekte, während die Nahversorger Interesse hatten, weiterhin ausreichend Kunden zu haben. Weitgehend unbeteiligt an diesen Konzepten blieben die unselbständig Beschäftigten.

In diesem Rahmen gab es aber auch unmittelbare Anlässe für wirkliche Änderungen. Einer der wichtigsten davon war, dass es in der Hauptschule sehr hohe Stromkosten wegen einer alten Elektroheizung gab. Es gab also einen Handlungsbedarf, etwas zu machen. In einer so kleinen Gemeinde wie Kautzen spielen bei Innovationen natürlich Personen eine nicht unerhebliche Rolle. Zum einen war dies der damalige Bürgermeister und gleichzeitige Hauptschuldirektor. Weitere wichtige Katalysatoren für Neues waren ein zugezogener bzw. eingeheirateter Architekt aus Wien sowie der jetzige Bürgermeister, der später Nationalratsabgeordneter geworden ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass Kautzen eines der ersten Projekte der Dorferneuerung in Niederösterreich war, wobei sehr gute Arbeit geleistet wurde.

Phase 2 Umsetzung

Mitte der 1980er gab es viele Arbeitskreise und Veranstaltungen unter aktiver Bürgerbeteiligung. Anschließend kam es zu den ersten Energieprojekten mit Beratung von außen und Erstellung von Energiekonzepten. Ähnliches gibt es heute in hunderten Gemeinden in Österreich. Der Punkt war jedoch, dass es dabei nicht nur um Energie ging, sondern um wesentlich mehr. Ein sehr interessanter Aspekt bei den ersten Biomasseheizungen liegt darin, dass 70 % der CO2-Verringerung, auf den es im Wesentlichen ja ankommt, nicht durch die "harte" Technologie der Biomasseheizungen erreicht worden ist, sondern durch"weiche" Aktivitäten wie Beratungen. Eine wesentliche Schlussfolgerung ist daher, dass man durch Beratungen und durch Organisation sehr viel mehr erreichen kann als mit direkten Investitionen. Die Erzielung von Nachhaltigkeit ist demzufolge weniger eine Frage des Geldes sondern v.a. von intelligenten, weichen Maßnahmen. Adolf Kastner meinte einmal, dass "in Kautzen gewöhnliche Sachen sehr gut ausgeführt wurden". Kautzen hat heute nicht nur ein sehenswertes Heimatmuseum, eine Telestube für EDV-Nutzer, eine Mehrzweckanlage sowie einen Kinderspielplatz und ähnliches, was es sonst auch gibt. Dies erscheint nicht unbedingt außergewöhnlich. In Summe bekamen alle diese Einrichtungen und Aktivitäten aber eine gewisse neue Qualität. Kautzen war auch eine der ersten Gemeinden, die grenzüberschreitend tätig geworden sind.

Als Bonmot am Rande wurde Kautzen auch für seinen angeblichen UFO-Landeplatz bekannt. Esoterik spielte in der Gemeinde nie eine große Rolle, es spiegelt aber die allgemeine Toleranz und Offenheit in der Gemeinde wider.

Phase 3 Zäsur in der Entwicklung

Ende der 1990er Jahre kam es dann zu einer Zäsur in der Entwicklung als ein ambitioniertes Projekt zur Kraft-Wärme-Kupplung auf Rapsölbasis mit angeschlossenen Verwertungsaktivitäten spektakulär scheiterte. Dafür gab es verschiedene objektive und subjektive Gründe. In Hinblick auf den Markt kam das Projekt wahrscheinlich fünf bis zehn Jahre zu früh. Ein Hauptproblem lag auch darin, dass die Innovateure alle an der GesmbH beteiligt waren und damit das volle Risiko trugen. Letztendlich standen die Hauptakteure dann mit hohen Schulden da und die Luft war damit heraußen.

Man hätte wahrscheinlich damals, um ein Scheitern des Projektes zu verhindern, einer verstärkten Beratung von außen bedurft. Eine externe Beratung war nämlich zu dem Zeitpunkt des Projekts nicht mehr gegeben. Fehler wurden gemacht und werden immer gemacht. Es fragt sich nur, wie geht man damit um und wie kann man sie eingrenzen. Bemerkenswert ist, dass trotz dieses Scheiterns die Haltung innerhalb der Bevölkerung zu allen diesen Projekten sehr positiv blieb. Die Menschen finden die Projekte zwar gut, sehen aber trotzdem für ihre Kinder nur wenig Zukunft, da es in der Region zu wenige Arbeitsplätze gibt.

Der wichtigste positive Punkt - auch aus der Innovationstheorie nahe liegend - war trotz allem die Diffusion der Entwicklung in die Region. Heute machen Gemeinden in der Umgebung, das was Kautzen vorgezeigt hatte. Es gibt u.a. nun auch ein Bezirksenergiekonzept. Noch wichtiger als die Diffusion in die Region war die Vorzeigewirkung.

Insgesamt kamen nach Kautzen angeblich etwa 22.000 Menschen auf Exkursion. Diese stammten z.T. aus ganz Europa und viele sahen dabei zum ersten Mal ein Hackschnitzelheizwerk. Es entstanden dadurch viele neue Impulse, so wurde in der tschechischen Nachbargemeinde Staré Mesto u.a. auch ein Biomasseheizwerk errichtet.

....

Wichtig für die Entwicklung generell waren die Aktivierungsschritte bzw. das Empowerment. Leider ist der Entwicklungszyklus in der Region Kautzen nun mehr oder weniger beendet. Die Jahre von 1985 bis 1995 kann man aber was die Bürgerbeteiligung betrifft als vorbildlich ansehen. Interessant waren auch die Entwicklungen innerhalb der einzelnen Genossenschaften und Projekte, da es dabei immer auch sehr viele Konflikte gab, welche in zumindest einem Fall sogar die ganze Entwicklung kippten. Auch die Informationspolitik war lange Zeit sehr vorbildhaft.

Interessant ist auch, dass beim Aufschwung Frauen beteiligt waren. In Kautzen gab es z.B. eine Vizebürgermeisterin, die für die Entwicklung sehr wichtig war. Heute gibt es im Gemeinderat keine einzige Frau mehr. Frauen hatten insbesondere das Leben der vielen Vereine mitgetragen und tun dies auch weiterhin. Festzuhalten ist auch, dass die Gemeindeverwaltung während der Hochphase keine große Stütze darstellte. Später wurde diese eher sogar zu einem negativen Faktor. Die wirklichen Arbeit und Aktionen erfolgten im Wesentlichen außerhalb der Gemeindeverwaltung.

Es wurde auch das Verhältnis zu anderen Institutionen im Bezirk und Land untersucht. Es zeigte sich, dass bei den Entscheidungsträgern, v.a. bei den Bürgermeistern aus den Nachbargemeinden, am Anfang eine sehr große negative Haltung vorhanden war. Es gab Neid, Missgunst und dann Schadenfreude. Inzwischen sind diese Haltungen wieder abgeflaut. Ein wesentlicher Mangel bei der Entwicklung lag darin, dass zuwenig auf den Dienstleistungsbereich geachtet wurde. Man versuchte primär traditionelle Produktionsbetriebe anzusiedeln, Eine Schwerpunktsetzung auf kleinere Dienstleitungsbetriebe wäre wahrscheinlich langfristig sinnvoller gewesen. Denn letztere Projekte weisen eine geringere Kapitalintensivität auf und sind daher auch weniger förderungsintensiv. Sie bergen geringere Risiken, haben aber gleichzeitig eine höhere Arbeitsintensität.

Raumordung, Zersiedlung und ökologisches Bauen spielen in der Region wenig Rolle. In Hinblick auf die CO2 Reduktion als Indikator zeigte sich auch nur wenig. Im Verkehrsbereich geschah ebenfalls kaum etwas. Es gab da nur sehr beschränkte Ansätze. Allerdings ist es sehr schwierig in einem peripheren Raum den öffentlichen Verkehr zu fördern. Vor kurzem wurden die öffentlichen Busse privatisiert und es bleibt offen, wie es in Zukunft weiter geht. Betrachtet man die Ergebnisse dieser Entwicklung zu lokaler Nachhaltigkeit so gab es rein nach den ökonomischen Indikatoren nur einen sehr geringen Zuwachs an Arbeitsplätzen.

  • In der Landwirtschaft wurden etliche Arbeitsplätze abgesichert, v.a. durch Lieferung an das Heizwerk. Weiters wurde ein kleiner Betrieb an das Heizwerk angeschlossen, der für eine Möbelfabrik zuliefert. Insgesamt sind etwa zehn Arbeitsplätze entstanden, gleichzeitig wurde aber im größten Betrieb in der Gemeinde, einer Stickerei, die Belegschaft von 110 auf 60 abgebaut. Der Arbeitsplatzeffekt ist also per Saldo deutlich negativ.
  • Die Abwanderungsindikatoren waren mindestens so negativ wie in anderen Gemeinden, die eine solche Entwicklung nicht gemacht haben. D.h. sowohl von der Arbeitsplatzentwicklung als auch von der Migration her zeigen sich keine positiven Effekte. Aber das liegt ursächlich nicht an der nachhaltigen Entwicklung an sich , sondern weil die Entwicklung zuwenig weitgehend war.
  • Die Parteien haben relativ wenig Bedeutung und es wird diesen auch nur wenig Zukunftskompetenz zugemessen. Pfarre und die Vereine genießen in der Bevölkerung hingegen die höchste Kompetenz. Wenn man zuletzt die Ergebnisse der Gemeinderatswahl 2005 analysiert so zeigt sich, dass eine Bürgerliste gewann. Es haben sich die Koordinaten innerhalb der Gemeinde verschoben. Früher gab es eine eher ökologisch orientiert Bürgerliste, nunmehr gibt es eine FPÖ nahe Bürgerliste. Es wäre interessant weitere vergleichende Studien durchzuführen. Andere Gemeinden, die etwas später in die Entwicklung eingestiegen sind, haben interessanterweise wesentlich mehr profitiert. Sie haben gewisse Fehler nicht mehr gemacht. So hat die Region Güssing die Biomasse kultiviert. Das Know-how wird nun nach ganz Europa exportiert. Auch die Waldviertler Gemeinde Vitis war erfolgreicher. Einige Leute von Kautzen sind nun sogar nach Vitis gegangen."
Josef Baum arbeitet weiter an einem allgemeinen Modell für Nachhaltigkeit, als eine Entwicklung in Raum und Zeit.

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