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Andreas Grzybowski


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Maurer- und Betonbauermeister, Künstler, kreativer Kopf und Netzwerker. Andreas Grzybowski lebt und baut heute in Friedrichstadt (D/Schleswig Holstein ), ist Vorsitzender von Kulturgut e.V.. Der Verein hat seit Gründung seine Aufgabe darin gesehen, Kultur, das Land und Handwerk zum Thema zu machen und zu verbinden. Daher auch Präsenz im Dorfwiki.

Seit 21 Jahren mit ChristineAx verheiratet, ist er Coach, Freund und Berater der "Handwerk-der-Zukunft" bzw. NewCraft-Bewegung.

In seiner Wahlheimat Friedrichstadt baut er derzeit auf den Resten der ehemaligen Viehwage Friedrichstadt ein Wohn/Gewerbehaus, das dem zukunftsfähigem Handwerk einen Raum bieten wird.

Seine Hobbies sind malen, fotographieren und Freundschaften pflegen und natürlich die große Patchwork-Familie(drei Töchter: Louise, Catarina, Theresa und einen Sohn: Eike).
Kontakt: grzybowski(AT)kulturgut-ev.de
http://www.kulturgut-ev.de in
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichstadt


Die Zukunft hat eine Gestalt....'

....und wir sollten sie nicht alleine den Designern überlassen....

Welche Farbe hat die Zukunft? Ist sie mauve, gelb, magenta oder grasgrün? Ist sie eckig oder rund oder hat sie womöglich die Form einer Kugel? Hat sie Schuppen oder ein Fell? Ist sie weich oder hart, grob oder zart, oder beides? Utopien brauchen Formen und Farben, sie brauchen einen Geruch und einen Geschmack. Sie brauchen eine Gestalt, damit wir die Zukunft nicht nur denken sondern auch wahrnehmen und fühlen können. Sie braucht eine Gestalt die uns verändert so wie wir sie verändern und gestalten.

Als die Industrie Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Siegeszug in England antrat entstand eine von Künstlern, Intellektuellen und Handwerkern getragene Gegenbewegung, die sich „art and craft“ NewCraft nannte. William Morris, Ruskin und andere, die zu den Vordenkern dieser Bewegung gehörten standen den Produkten der Industriekultur kritisch gegenüber und ihre Bedenken waren sowohl ästhetischer als auch sozialpolitischer Natur. Sie fanden die Maschinenprodukte nicht nur häßlich und von minderer Qualität, sie sahen auch den Zusammenhang zwischen der Maschinenästhetik und den Produktionsprozessen. Sie kritisierten die sozialen Verhältnisse (Armut und entfremdete Maschinenarbeit) und warnten davor, daß die industrielle Fertigung aus den Produzenten selber auch Maschinen mache. Das von Morris reklamierte „Recht auf Schönheit“ bezog sich nicht nur auf die Produkte. Morris verband seine Kritik mit einem vehementen Plädoyer gegen die entmenschende Fabrikarbeit und die sozialen Mißstände die hiermit verbunden waren. Für ihn war der Zusammenhang zwischen der Produktionsweise und der ästhetischen Qualität der Produkte ganz offensichtlich. (1)

Obgleich Ästhetik und die Ideale von „Arts and Craft“ sich am Mittelalter orientierten und in mancherlei Hinsicht rückwärtsgewandt oder romantisierend war, so war ihre Kritik an der Industriegesellschaft aus heutiger Sicht deshalb so bemerkenswert, weil sie authentisch den Kulturbruch dokumentiert, der mit der Maschinenkultur und der Massenproduktion einherging. Der Mensch als Produzent, der alleine in der Lage ist, den Sinn von Gegenständen produzierend oder als Nutzer zu generieren stand in ihren Betrachtungen immer wieder im Mittelpunkt.

Auch das Bauhaus in Dessau hatte zu Beginn eine handwerkliches Herangehen an die Ausbildung und die ästhetischen Vorstellungen seiner Zeit. Gropius knüpfte ursprünglich an die mittelalterliche Bauhüttentradition und die Einheit von Kunst und Handwerk an: „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk ! Denn es gibt keine „Kunst von Beruf“. Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers. Gnade des Himmels läßt in seltenen Lichtmomenten, die jenseits des Wollens stehen, unbewußt Kunst aus dem Werk einer Hand erblühen, die Grundlage des Werkmäßigen aber ist unerläßlich für jeden Künstler. Dort ist der Urquell des schöpferischen Gestaltens. Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker, ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens“ (2)

Erst die ökonomische Notwendigkeit „maschinengerechte“ Produktentwürfe zu entwickeln, führte im Bauhaus zur Dominanz einer funktionalen Ästhetik, die später mit dem Schlagwort „form follows function“ oder der „guten Form“ ideologisch überhöht wurde und letztlich im Kern ein Ausdruck der Ohnmacht der professionellen Gestalter vor der Übermacht der großen Produktions- und Vertriebsmaschinerie war.

Das industrielle Paradigma, die perfekte Reproduktion der Urform, die das Wesen der industriellen Fertigung ist, ist eine unmenschliche Erfindung. Sie macht den Menschen zum Maschinenbediener. Denn nicht nur die Arbeit wird hier geteilt, sondern auch der Mensch wird – wie Ruskin bereits so treffend beschrieb - in tausend Teile zersplittert bis jedes Teil seines Selbst schließlich möglichst unabhängig von einander funktionierte.... Und gerade in dieser Disziplin haben wir es heute doch sehr weit gebracht: unser Konsument in uns ist bleibt säuberlich getrennt vom Produzenten, der Bürger in uns, der Ansprüche formuliert hat kaum noch Kontakt mit dem Teil des Selbst der Steuern zahlen muß und das Fraktal, das möglichst billig einkauft, weiß in diesen Augenblicken plötzlich nichts mehr von dem Teil des Selbst, dass einen Arbeitsplatz braucht und nach fairem Handel und gesunden Produkten verlangt.. Der Funktionalismus, die „Gute (Industrie-)Form“ hat einen zweiten problematischen Kern: die Gegenstände werden in erster Linie formal definiert, werden in ihrer Gestalt reduziert als Mittel zum Zweck. (3)

Doch genau dies entwertet nicht nur die Produkte, es entwertet auch den herstellenden Menschen, und den Menschen für den diese Dinge hergestellt werden. Objekte, die Mittel zum Zweck sind und nicht auch Selbstzweck erlauben dem Betrachter keine über den engeren Zweck hinausgehendes ästhetisches Erlebnis. Als Spiegel reflektieren sie den Betrachter nur mit seinen gleichermaßen auf seine Funktionalität reduzierten Anteilen, als Mittel zum Zweck. Jeder Gang in in Heimat- oder Völkerkundemuseen ist hier aufschlußreich: durch alle Kulturen und Zeiten hindurch wies die Sprache der Dinge über sich selbst hinaus: entsprachen über den engeren funktionalen Zweck anderen weniger rationalen Bedürfnissen. Sie wurden aufwendig gestaltet und wiesen über sich selber hinaus. Sie erzählen Geschichten über ihre Produzenten un ihren magischen Welten. Die Fähigkeit und die Gelegenheit die eigene Welt selber mitzugestalten, eine Arbeit die nicht nur den Lebensunterhalt sichert sondern auch Spaß macht und Individuation erlaubt, sind weit verbreitete menschliche Bedürfnisse. Für den Menschen ist - wie es Ortega y Gasset einst schrieb - nur das objektiv Überflüssige überhaupt zugleich das objektiv Notwendige. (4)

Die Charakteristik der Massenproduktion ist nicht im übrigen nicht nur ein sehr ineffizienter Einsatz von Ressourcen (Arbeit, Rohstoffe, Energie) – wir wissen beispielsweise heute, dass in der Textilen Wertschöpfung rund ein Drittel der Ressourcen verschwendet sind. Die Massenproduktion selber ist darüber hinaus auch Ursache für Entwertungswertungs- und Trivialisieurngsprozesse, für eine Banalisierung der Welt. Der schöne Schein, die glänzende Oberfläche und die perfekte Reproduktion der Urform, die Seelenlosigkeit der Arbeitsprozesse spiegeln sich in ihren trivialen Ergebnissen und tragen auf diese Weise zur Ressourcenverschwendung, zur Entwertung bei.

Das kreative Potenzial, das Bedürfnis der Produzenten nach Gestaltung hat keinen Raum in den alten industriellen Produktionsstrukturen. Das „Vermächtnis der Hand“ wurde verspielt und an seine Stelle treten auch im Handwerk in Zukunft immer häufiger rechnergestützte Konstruktions- und Planungs- und Fertigungswerkzeuge. Dies muß allerdings weder unter Aspekten der Humanisierung der Arbeitswelt noch Ästhetisch ein Rückschritt sein, sofern es uns gelingt, die Entwicklung und die Aneignungsprozesse der neuen Werkzeuge nicht nur zu erleiden, sondern aktiv zu gestalten. Unter welchen Bedingungen, so stellt sich die Frage, könnte die (neo)handwerkliche Produktionsweise, darunter die für handwerkliche Manukturen so typische Produktion und Gestaltung in ganzheitlichen Arbeitsprozessen gesichert werden und auf eine zeitgemäße Art in „Technofakturen“ wiederbelebt werden?

Unsere Machbarkeitsstudie „NewArts? and Crafts“ der Beitrag des Tischlerhandwerks zur Stärkung regionaler Ökonomien, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gestaltung erarbeitet wurde untersucht beispielhaft für den Bereich der Möbelproduktion, dass die gestalterischen Potenziale der C-Technologien für die Produktion exponentiell Wachsen während ihre (theoretische) Verfügbarkeit über sinkende Preise ständig steigt. Die Individualsierung von Angebot und Nachfrage die derzeit überall zu beobachten ist, eröffnet in Verbindung mit diesem technologischen Trend dem Handwerk und seinen Kunden auch ästhetisch neue Fenster. (5) Dies trifft das Handwerk allerdings nur zum Teil vorbereitet.

Seit dem Siegeszug der Industrialisierung hat das Handwerk einen dramatischen Wandel erlebt. Das Paradigma der industriellen Fertigung und der Mythos Maschine führten zu einer dramatischen Angleichung in der Denk- und Arbeitsweise. Die Präfabrikate - von der Kachel über den Ofen bis hin zur Convinience-Backmischung für Brot und Kuchen bestimmen die Arbeits- und Denkweise des „Mainstream-Handwerks“. Der „Boss-Anzug“ hat die Zunftkleidung als Statussymbol ablöst. Auch der herrschende Geschmack, die an industriellen Standards und industrieller Ästhetik orientierte Nachfrage führten dazu, daß gutes Handwerk nicht mehr nachgefragt und daher auch immer seltener ausgeübt wurde – auch weil dank der Verteuerung des Faktors Arbeit die Handarbeit zum Luxus wurde, den sich hauptsächlich die Besserverdienenden leisten können. Der Markt verlangt Billigprodukte und lässt traditionellen handwerklichen Qualitätsvorstellungen wenig Raum. Analogien zur krisenhaften Entwicklung im Bereich der Nahrungsmittelversorgung drängen sich auf und dürften früher oder später auch offensichtlich werden. Der Niedergang des Bauhandwerks in Folge einer preisinduzierten Industrialisieurung des Bauens in Verbindung mit mörderischen Wettbewerbsbedingungen ist gegenwärtig besonders drängendes Beispiele dafür, wie Humankapital vernichtet wird und auf immer verloren geht.

Denn Handwerkstechniken, die nicht mehr ausgeübt werden können auch nicht an die nächste Generation weitergegeben werden. Sie sterben aus, gehen verloren. Ein Verlust den wir uns auch und gerade dann nicht leisten sollten, wenn der Übergang zu einer computerbasierten Produktion warscheinlicher wird. Gerade wegen der virtuellen Dimension in der sich die neuen (IuK?-basierte) Produkte vor ihrer Materialisierung darstellern werden, sind und bleiben die realen, sinnlichen Erfahrungen im Umgang mit Material und die hierfür benötigten Fertigkeiten umso wertvoller. Selbst eine virtuelle Ästhetik braucht eine materielle Basis, braucht Sinnlichkeit als Erfahrungshintergrund und nicht nur theoretische sondern auch praktische Erfahrungen mit dem Material das es zu Bearbeiten gilt.

Das Entstehen eines neuen, eines postindustriellen (Kunst)Handwerks, einer NoueauArtNouveau? auf der Basis der neuen Werkzeuge ist heute möglich und warscheinlich. Die Dezentralisierungspotentiale der neuen rechnergestützten Werkzeuge in Verbindung mit ihren neuen gestalterischen Potentialen versetzen die Werkstätten der Zukunft in die Lage der economie of scale Strategien der „Art-Customization“ entgegenzusetzen die auch ästhetisch neue Horizonte eröffnet.

Fazit: Seit der Arts and Crafts Bewegung - also seit dem offensichtlichen Sieg der industriellen Massenproduktion über die traditionelle handwerkliche Produktionsweise - diskutieren die Menschen das Verhältnis Mensch-Umwelt-Maschine. Wobei die Frage nach der Qualität und den menschenwürdigen Bedingungen von Arbeit und ihren Ergebnissen immer auch ihre ästhetische Dimensionen mit betrachtete. Neue Werkzeuge in Verbindung mit der digitalen Revolution sorgen heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals für Rahmenbedingungen, die nicht so sehr eine Umkehr bedeuten als vielmehr eine neue ästhetische Qualität von Arbeit und Produken erlauben, die alte Visionen Wirklichkeit werden lassen können... aber nicht müssen. Im Kern geht es um eine Produktionsweise, die die kreativen und die kommunikativen Aspekte der (kundenindividuellen) Fertigung in die Region, in die persönliche Interaktion des Produzenten mit dem Kunden zurückholt. Die heute zu beobachtenden, realen Aneignungsprozesse in den Unternehmen entscheiden darüber, wer von diesen Werkzeugen letztlich profitiert, welche Ästhetik sich durchsetzen wird, welche Arbeitsteilung wir schließlich in den Werkstätten vorfinden werden. Es wäre wünschenswert, dass die ganzheitliche Qualität von Arbeit auf dieser neuen technologischen Basis nicht verloren wird sondern auf eine neu Art und Weise verwirklicht und auf diese Weise auch in den Produkten sichtbar wird.

(1) Oskar Wilde, ein Zeitgenosse kommentierte diesen ästhetischen Zusammenhang mit der zynischen Beobachtung: „Wenn die Armen nicht so häßlich wären, dann wäre die soziale Frage längst gelöst.“

(2) Archiv (Hg.:), Bauhaus 1919-1933, Köln 1990, S. 18

(3) Der Gelsenkirchener Barock, den die Arbeiter an der Ruhr den Bauhaus-Entwürfen vorzogen, legen hiervon ein beredtes Zeugnis ab.

(4) „Daher ist für den Menschen nur das objektiv Überflüssige notwendig. Dies wird man für paradox halten, aber es ist die pure Wahrheit. Die biologisch objektiven Notwendigkeiten an sich sind nicht notwendig für ihn. Findet er, daß er sich ganz auf sie beschränken muß, so weigert er sich, sie zu befriedigen, und zieht es vor, zu unterliegen. Sie verwandeln sich in Notwendigkeiten nur, wenn sie als Bedienungen des „in der Welt sein“ erscheinen, das seinerseits in subjektiver Form notwendig ist, d.h. weil es das Sich-wohl-Befinden in der Welt und das Überflüssige notwendig macht. Daraus geht hervor, daß selbst das objektiv Notwendige für den Menschen nur im Hinblick auf das Überflüssige notwendig ist...“ Zitiert nach C.Graf von Krockow, Luxus: Von der Notwendigkeit des Überflusses, in: D. Steffen (Hg.), Welche Dinge braucht der Mensch?, Gießen, Anabis Verlag 1995

(5) J. Gros, D.Steffen, F. Sulzer, C. Ax, W. Bierter, Stärkung regionaler Ökonomien- NewArts?&Crafts als exemplarischer Beitrag des Tischlerhandwerks, Machbarkeitsstudie im Auftrag des BMBF, Offenbach, Februar 2001 Akademie Gestaltung


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