Uwe Christian Plachetka / Wissensbasierte Weltsysteme Und Biodiverse Landwirtschaft In Den Anden |
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Uwe Plachetka mit Prof. Freder Arredondo und peruanischer Projektgruppe in Huancayu (Nähe Provinzzentrum Jauja)
Vorbemerkung von FranzNahrada: In diesem Artikel wird gezeigt, daß das Prinzip der Globalen Dörfer vielleicht viel älter ist als die elektronische Technologie. Die faszinierenden Forschungsergebnisse von Uwe haben aber auch noch eine zweite wichtige Botschaft: Globale Dörfer als weltweit benötigte Strategie zum Erhalt der GENRESERVEN unserer Nahrungsmittelpflanzen und als Grundlage einer "environmental control", die in der Lage ist, scheinbar natürliche Parameter (Niederschlagsmenge) in einer Art planetarem Management auf regionaler Stufe zu beeinflussen. Kommentar Plachetka: Prinzip des Globalen Dorfes nach Franz Nahrada: Ist nicht-erneuerbare Energie durch Information ersetzbar? (Prinzip der technischen Entropie).
Karte des Inkareiches: Riesengrosser Show-case! Siehe auch die Seite OsWald/Mitglieder/WilfriedHartl?
Dieser Artikel präsentiert einige Zwischenergebnisse des Projektes "erdölreduzierte Landwirtschaft" und zwar aus ethnologischer Sicht. Die Fragestellung lautet, wie können die "Germplasmen", das sind jene nicht im Supermarkt erhältlichen Verwandten unserer Nahrungsmittelpflanzen, dort erhalten werden, wo sie von den traditionellen, indigenen Bauern kultiviert werden. Diese Pflanzen, die Verwandte unserer Lebensmittelpflanzen sind, repräsentieren die Genreserven der industriellen Sorten. Der Prozess der "neolithischen Revolution" bedeutete nicht, aus einer "Wildsorte" eine "zivilisierte Sorte" zu züchten, sondern aus Wildsorten eine ganze Bandbreite zivilisierter Sorten, Zwischenstufen usw. aus denen sich die heute noch erhaltenen bäuerlichen Verwandten der industriellen Sorten zusammen setzen. Allerdings ist das Vorkommen geographisch umschriebene Gebiete beschränkt, die als Zentren ursprünglicher Biodiversität bezeichnet werden. Diese Zentren sind nun in jenen Gegenden, die früher als sogenannte "Dritte Welt" bezeichnet wurden, bei genauerem Hinsehen sich aber als die Schauplätze früher Hochkulturen entpuppen. In diesem Zusammenhang stellen die Gebiete der Andenzivilisationen und hier insbesondere die Nachfolgestaaten des Inkareiches, Ecuador, Peru, Bolivien und ein Teil von Chile eine ganz besondere Herausforderung an monokulturell orientierte Entwicklungstheoretiker und -politiker dar: Die Modernisierung der Landwirtschaft, wie sie sich seit der "Grünen Revolution" durchgesetzt hat, scheiterte in den Anden dramatisch. Infolge dessen beschäftigt sich die Mehrheit der international relevanten Amerikanologen, wie Anne Kendall (2003) oder John Earls zusammen mit Agraringenieuren mit der wissenschaftlichen Fragestellung, die für die Grundsicherung der andinen Landbevölkerung und folgerichtig für die Zukunft unserer Ernährungsgrundlage entscheidend ist: Wie haben es die Inka oder die Angehörigen ihrer Vorläuferimperien geschafft, aus einer Bergbauern-Krisenregion ein Überschussgebiet zu machen, welches die Entwicklung von komplexen Zivilisationen ermöglichte" (Torre/Burga 1986, Morlon 1996). Nach Kendall (2003:2) haben die inkaischen Andenes (Terrassen) zwei Ernten pro Jahr erlaubt und die traditionellen Agrarsysteme sind um einiges nachhaltiger als die modernen Systeme in den Anden. Dazu kommt noch, dass "Pluricultivo" in den Anden üblich ist, das bedeutet, dass bei den Kartoffelfeldern mehrere Sorten auf ein und demselben Feld kultiviert werden, je nach Höhenzone erfordert dies entsprechende Fruchtfolge, denn Kartoffeln können ungefähr nur jedes siebente Jahr auf dem selben Feld ausgesät werden, sonst werden sie krank (Braunfäule oder ähnliches). Kurz: In den Anden gilt der alte Spruch: Historia magistra vitae und dies in der grundlegendsten Bedeutung des Wortes, nämlich der Lebensmittelproduktion.
Die Frage, wo der Ackerbau erfunden wurde, ist bis heute unter Paläobotanikern und Archäologen nicht klar. Der Anstoss zu dieser Diskussion stammt vom russischen Agronomen Nikolai I. Vavilov, der die Zentren der heutigen ursprünglichen Biodiversität unserer Nahrungsmittelpflanzen entdeckt hatte. Diese werden nach ihm als "Vavilovzentren" bezeichnet. In diesen Zentren befinden sich die bäuerlichen Verwandten unserer Nahrungsmittelpflanzen, die per se - zwecks Einkreuzung in die weltweit vorherrschenden Varietäten - die Genreserven dieser weltweit verwendeten Nahrungsmittelsorten sind. Denn ständige asexuelle Vermehrung (duch Klonung) schadet dem genetischen Material: Die Kopie n ist schlechter als die Kopie n-1 usw. Daher muss von Zeit zu Zeit eingekreuzt werden. Diese Landrassen können daher plastisch als milestones des Projektes Neolithische Revolution verdeutlicht werden.
Allerdings bedeutet dies nicht, dass die neolithische Revolution von den Zentren auch ausgegangen ist, die heutzutage die maximale Biodiversität haben. Vielmehr sind durch Wanderungen usw, da diese Revolution ein langwieriger Prozess mit allerdings revolutionsähnlichen Resultaten, die diversen Varietäten aus den Gebieten ihrer ursprünglichen Domestikation im Gepäck von Völkerwanderern woanders hin gebracht worden.
Die wenigen Historiker, die sich mit der Frage der ökologischen "fingerprints" der westlichen Expansion intensiv beschäftigen (Crosby 1986) beschreiben zwar das Problem invarsiver Pflanzen, die einheimische Arten verdrängen und kulturalisierende Naturwissenschafter (z.B. Diamond 2004) haben mitunter von Geschichte und menschlichen Kulturen zu einfache Vorstellungen. Jedenfalls wird derzeit davon ausgegangen, dass die neolithische Revolution in der Gegend des heutigen Indonesiens ausgegangen sei, weil am Ende der Eiszeit das steigende Meer den Lebensraum der Menschen derart eingeengt hätte, dass produktive Wirtschaftsformen das Gebot der Stunde gewesen sei. Nur " wie sind dann die Menschen nach Amerika gekommen, wenn die Beringstrasse unter Wasser stand" Die neolithische Revolution hat in Amerika nach dieser Theorie zwangsläufig noch einmal stattgefunden, allerdings sind, wie beide, Crosby 1986 und Diamond (2004:203-220) betonen, die Achsen der Kontinente entscheidend für den Verlauf der neolithischen Revolution gewesen seien: Die Oikoumenê der altweltlichen Zivilisationen läuft von Westen nach Osten, also von Spanien nach Japan. Das bedeutet, die neolithische Revolution konnte durch den Austausch von Saatgut sich rasch verbreiten. Amerika hingegen hat eine Nord-Süd-Achse. Das bedeutet, diese Nord-Süd-Achse durchschneidet sämtliche Breitengrade, deswegen herrschen auf jeder Breite andere klimatische Bedingungen, dazu kommt noch, dass die amerikanischen Zivilisationen sich in den Tropen entwickelten, kurz, jedes Saatgut, das von einer anderen Zivilisation kam, musste erst an die spezifischen Bedingungen des jeweiligen Breitengrades und der jeweiligen Höhenzone angepasst, das heißt, nachgezüchtet werden. Dieses pflanzenphysiologische Problem erforderte von den neolithischen Revolutionären vermutlich bei weitem mehr "Hirnschmalz" als die neolithische Revolution im vorderen Orient, die mit den Cerealien auf Pionierpflanzen aufbaut. Das europäische Brotgetreide ist domestiziertes Unkraut, also Pionierpflanzen und daher wird mit dem Pflugbau künstlich die Humusschicht verwundet, damit diese Pionierpflanzen optimale Umweltbedingungen vorfinden. Diese Vorteile hatten die Amerikaner nicht. Deshalb erforderte, grob gesprochen, der Prozess der Herausbildung der formativen Zivilisationen, wie in Amerika die komplexen Gesellschaften der neolithischen Revolution genannt werden, wahrscheinlich um einiges mehr an "kollektiver Intelligenz" als in der alten Welt. Deshalb war die neolithische Revolution ein langwieriger Prozess, wobei heutzutage, nach Bonavia (1991:80f) davon ausgegangen wird, dass die neolithische Revolution an mehreren Orten stattgefunden hatte. Die Revolution war gleichsam nicht der Prozess der Pflanzendomestikation, sondern die Kulmination dieses Vorganges, der in den Anden mit den erstem ersten Horizont angesetzt werden kann (Bonavia 1991:82). Dieses erste Weltsystem in den Anden (nach der Interpretation von La Lone 2000) war Chávin, das derzeit auf ca. -1800 bis -400 datiert wird. Dieses Weltsystem, das sich archäologisch fassen lässt und vermutlich ein religiöser oder kultischer Synoikismus aber noch kein Staat war " zur Staatenbildung kam es nach herrschender Lehre erst bei den Mochica " breitete sich unmittelbar nach den letzten nachweisbaren Domestikationen in der Entwicklungsgeschichte der Anden aus. Wahrscheinlich war mit dem Abschluss der innovativen Domestikationen die Bevölkerungsdichte hoch genug, um nun komplexere Gesellschaften entwickeln zu können.
Die "Weltsystemtheorie" nahm ihren Ausgang aus den entwicklungspolitischen Debatten und wurde von Immanuel Wallerstein und André Gunder Frank in zwei zu einander konkurrierenden Modellen entwickelt. Beide sind sich allerdings darin einig, dass ein Weltsystem aus einem entwickeltem core und einer weniger entwickelten und abhängigen periphery besteht. Dies stimmt laut D"Altroy (2002:3-5) für das Inkareich jedoch in diesem Ausmaß nicht. Heute, im 21. Jahrhundert nimmt zwar kein ernstzunehmender Entwicklungsplaner die Dependenztheorie mehr ernst, aber Wallerstein rettete sie sozusagen, indem er es zuließ, dass die Weltsystemtheorie für das historische Studium früher Großreiche umgelegt wird. Diese Diskussionen finden derzeit im Online- Journal: Journal of World-Systems Research statt. Der Zusammenhang zwischen Weltsystemforschung und den Debatten um Staatenbildung und Imperien (Empire-Focus) ergibt sich aus folgender Definition von Empire: Ein Empire ist ein Weltsystem unter der Kontrolle einer zentralen Autorität (z.B. Doyle 1986). Es gibt freilich noch andere Definitionsansätze. Relevante Links:
Wenn wir irgendein Eckdatum nennen wollen, an dem die Weltsystemstudien begonnen hatten, konkret zu werden, so könnte das Werk des Politikwissenschafters Doyle (1986) zitiert werden, der die Dependenztheorie von André Gunder Frank (1967) auf die frühen Großreiche umgelegt hatte. Doyle entwickelte ein Modell der Imperien, das als "behavioral model" bekannt geworden ist. Dieses Modell wurde von D"Altroy (1992) seiner Befundung eines Provinzzentrums des Inkareiches unterlegt, nämlich dem Zentrum Xauxa oder Jauja im oberen Mantarotal in Peru. Das grundlegende Argument D"Altroys, um das Inkareich mittels der Theorie von Doyle (1986) zu analysieren, war, dass die bisherige Lehrmeinung vom Inkareich als riesige Tauschzentrale, aufbauend auf der staatlichen Reziprozität, wie sie John Victor Murra ([1956] 1980) in seiner klassischen Arbeit vertreten hatte, deswegen nicht stimmen konnte, weil die Durchführung eines staatlich gelenkten Austauschsystems die Transportkapazitäten, über welche das Inkareich verfügte, bei weitem überstiegen hätte. Es folgte geradezu ein Boom der Weltsystemstudien unter Historikern und Archäologen, um herauszufinden, wie ein Empire funktionierte. Dies gipfelte in dem Symposiumsband Empires, herausgegeben von Alcock, D"Altroy und anderen (Alcock et.al. eds. 2001) wobei es darum ging, ein Modell von Imperien zu entwickeln, welches komparative Studien erlaubt (D"Altroy 2002:06). Dies gelang nicht wirklich und zwar - und dieser Gedankengang soll in diesem Artikel verfolgt werden " weil die paradigmatischen Imperien der kollektiven Erfahrung der westlichen Zivilisation Imperien wie das Imperium Romanum oder das britische Empire sind. Diese Imperien sind, wenn wir so wollen "commodity based empires", also Imperien, bei denen die Flagge dem Handel folgte oder umgekehrt. Anders stellt sich die Sache jedoch im Falle des Inkareiches dar. Obwohl das Werk von D"Altroy (2002) den heute gültigen Stand der Forschung bezüglich der Andenzivilisation darstellt, sind manche Analysen, etwa die Frage der Prestigegüter, welche leicht zu transportieren sind, mitunter doch allzu sehr der Theorie geschuldet. Schließlich muss die große Masse der Bevölkerung ihre Lebensmittel haben und die cura annoniae, das Grundsicherungs-Brotgetreide, mit dem der römische Plebs zu imperialen Zeiten durchgefüttert wurde, war aus denselben technischen Gründen im Inkareich nicht möglich, aus denen das Inkareich kein vorindustrielles Pendant zur Europäischen Union sein konnte, wie dies Rostworowski (1988) zwischen den Zeilen andeutet. Deshalb schreibt sie auch stets, dass das Inkareich kein Reich im altweltlichen Sinne war, sie nennt es bei seinem indigenen Namen, Tawantinusyu und lässt die Sache dabei bewenden. Aber die Europäische Union ist das Ergebnis des (etwas nebulosen) "Europäischen Integrationsprozesses", der aufgrund der Konsequenzen zweier zerstörerischer Weltkriege in Europa nach 1945 in Gang gekommen war. Damit wenden wir uns der Frage zu, warum Imperien untergehen. Die klassische, historische Studie über den Aufstieg und Fall von Imperien, das Werk von Paul Kennedy mit dem programmatischen Titel "Aufstieg und Fall der großen Mächte" (Kennedy 1989) führte den Begriff des "overstretched Empires" ein. Dies bedeutet, dass das Imperium einfach zu groß wird, die Kosten seines Selbsterhaltes alle produktiven Kräfte absorbieren und es an seiner eigenen Größe und Selbsterhaltungsaufgaben zugrunde geht. Aber dies war nicht der einzige Grund, weswegen Imperien unter gehen können. In ihrer empirischen Studie über die Sonneninsel und Mondinsel im Titicacasee, auf denen einer Legende nach Manco Capac und Mamma Occlo von ihrem Vater, der Sonne, zur Erde gekommen sein sollen, um die Menschheit zu zivilisieren und die Hauptstadt des Inkareiches, Cusco zu gründen, nennen Bauer/Stanish (2003:59) die heute gängigen Gründe für den Untergang von Imperien: Politische Fraktionsbildung und Niedergang der Biodiversität und der Wirtschaft. Die Zerstörung der Biodiversität durch das römische Weltreich ist bis heute im Mittelmeergebiet sichtbar: Die Karstflächen als Ergebnis von Raubbau an den Wäldern des Balkans. Aber dies bedeutet noch lange nicht, dass dies für jedes Imperium gelten muss. Das stärkste Gegenargument gegen die These, dass jedes Weltsystem beziehungsweise jedes Imperium zur Reduktion von Biodiversität führt, sind die heute noch vorhandenen Gebiete genetischer Biodiversität an Nahrungsmittelpflanzen, die deckungsgleich mit den Gebieten der sogenannten "formativen Zivilisationen" sind, also jenen Reichen, die unmittelbar aus der neolithischen Revolution hervor gegangen waren. Diese Gebiete werden als Vavilov-Zentren, nach ihrem Entdecker, dem russischen Agronomen Nikolai I. Vavilov bezeichnet. Diese Gebiete der ursprünglichen Sortenvielfalt an Nahrungsmittelpflanzen sind nun das Ergebnis der "neolithischen Revolution". Es hatte nun außerhalb dieser Gebiete Zivilisationen gegeben, nur waren diese Zivilisationen in keiner Weise nachhaltig. Derartige Zivilisationen, die anscheinend auf zu schmaler Bandbreite an agronomischer Biodiversität aufgebaut waren, waren die Missisippital-Zivilisation in den USA, die allerdings auch aus komplexen innenpolitischen Gründen der jungen USA aus der Weltgeschichte gestrichen wurde (Kennedy 1996) und die Amazonas-Zivilisation, die erst zögerlich als solche erkannt wird. Beide verschwanden wahrscheinlich ohne direkte Einwirkung der europäischen Conquistadores, wohingegen das Inkareich in Peru und das Herrschaftsgebiet der Azteken erst erobert werden musste, wobei in beiden Fällen die Conquistadores innere Streitigkeiten für sich ausnützten (Hemming 1970, Espinoza Sorriano 1973). Hinterher setzten die Conquistadores aus komplexen innenpolitischen Gründen ihrer Zeit die Legende von den "weißen Göttern" in die Welt, auf deren Rückkehr die Indigenen angeblich gewartet und sich nicht gewehrt hätten (Stenzel 1980). Dies bedeutet
Die Eroberung des Inkareiches lief noch perfider ab, denn Pizarro, der Eroberer des Inkareiches marschierte mit seinen Leuten einfach hinter der Hauptstreitmacht der Truppen von Atahuallpa nach, die im Thronfolgekrieg die Truppen von Huascár niederwalzten, nachdem er zunächst auf den Erkundungsfahrten, die der Eroberung des Inkareiches vorangegangen war, einmal eine Mikroben-Schockwelle an altweltlichen Krankheitserregern losgelassen haben dürfte, gegen welche die Indigenen keine Abwehrkräfte hatten und an welcher der letzte unbestrittene Inka, Huayna Capac, starb. Dies stürzte das Reich letztlich in Thronfolgekämpfe insbesondere zwischen Atahuallpa, den die Armee auf den Schild gehoben hatte, und Huascár. Atahuallpa nahmen die Spanier in Cajamarca gefangen, erpreßten eine phantastische Lösegeldsumme, richteten ihn trotzdem hin und versuchten einen ihnen passenden Kandidaten um den Inkathron ins Rennen zu schicken. Dies gelang ihnen erst mit Manco Inca, mit dessen Truppen sie zuerst das Reich von den Parteigängern Atahuallpas säuberten und gegen den sie dann putschten, aber Manco Inca hatte schon längst die nationale Befreiungsfront organisiert gehabt, um die Spanier aus dem Reich zu vertreiben. Dies war in diesem Falle wirklich eine "nationale Befreiungsfront", da Pizarros Versuche, einen Gegenkandidaten gegen Manco Inca ins Rennen zu schicken, dermaßen scheiterten, dass nicht einmal bekannt ist, wie dieser Gegenkandidat hieß. Allerdings scheiterte der Versuch Mancos, das Reich zurück zu erobern, denn die Inka-Aristokraten waren untereinander dermaßen zerstritten, dass sie bis ins 18. Jahrhundert hinein spanische Gerichte bemühten. Wegen des "nationalen Widerstandes" dauerte in Wahrheit die Eroberung Perus ziemlich lange, da von 1532, dem Beginn der spanischen Invarsion bis 1571 im Ostteil der Widerstandsstaat von Vilcabamba existiert hatte (Hemming 1970,passim). Jedoch war die wichtigste Waffe, welche die Spanier in ihrem Arsenal mitführten, ihnen gar nicht bewußt, nämlich die Krankheiten, die sie in die Neue Welt einschleppten und die zu "virgin soil" -Epidemien führten. Nochmals: Die Theorien von der angeblichen Unterlegenheit der amerikanischen Zivilisationen sind zu einem Großteil auf Geschichtsquellen aufgebaut, die ihrerseits Produkt von historischen Vertuschungsaktionen sind. Dies hat Stenzel (1980) im Falle der Legende von den weißen Göttern in Mexiko akribisch nachgezeichnet. Nun läuft in Peru seit längerer Zeit das eingangs erwähnte Programm zum Wiederaufbau der andinen Agrartechnologie als Alternative zur Abhöngigkeit von Agrarchemie, Erdöl und anderen kostspieligen Vorprodukten, von welchen die industrielle Landwirtschaft abhängt. Dies alles führt " für Agronomen " zu einem weit profunderem Verständnis der Funktionsweise des Inkareiches als sozio-ökonomisches System, als es bisher Ethnologen, Historikern und Archäologen, wie im nächsten Abschnitt gezeigt, möglich war.
Seit den Forschungsergebnissen des "Upper Mantaro Valley Research Project" der University of California in den frühen 1990er - Jahren wird das Inkareich meist mit den Weltsystemtheorien oder den Theorien des anthropologischen "Empire-Schwerpunktes" beforscht. Das derzeitige Standardwerk über das Inkareich von Terence N. D"Altroy (2002) baut auf diesen Theorien und Methodologien auf, da sich die Wissenschafter der Forschungsrichtung "Evolutionismus" bis heute nicht feststellen konnten, welche Produktionsweise das Inkareich hatte. Die klassischen Ansätze zur Erforschung der sozialen Evolution bauen den Fragen nach Ideologie und Staatenbildung auf. Siehe: EvolutionäreAnthropologie In der klassischen Diskussion bis etwa Ende der 1980er Jahre spielte die Frage, welche Produktionsweise das Inkareich hatte, eine wesentliche Rolle. Nun ist die Frage nach der Produktionsweise des Inkareiches seit langem ergebnislos diskutiert worden, aber der peruanische Historiker Espinoza Soriano (1978, 2. Aufl. 1981) hatte die wichtigsten Beiträge in einer spanischen Antologie herausgegeben. Nun ist bekannt, dass Maurice Godelier eine sehr anspruchsvolle Theorie über die sogenannte "asiatische Produktionsweise" entwickelt hatte, wobei dies wahrscheinlich anhand des Inkareiches geschehen war. Nun hatten Geoffrey/Demarest (1984) sämtliche damals gängige Theorien der evolutionären Anthropologie, die auf die Neue Welt anzuwenden gewesen wären, einer Art benchmark unterzogen. Sie stellten eine vergleichende Geschichte des alten Mexikos und des alten Perus dar und prüften anhand dieser ethnohistorischen Teststrecke die gängigen Erklärungsmodelle der evolutionären Anthropologie, worauf sie im Verlauf ihrer Untersuchung zunehmend Marvin Harris kritisierten (Conrad/Demarest [1984] 1988:238-241). Die Ansätze von Godelier erscheinen in dieser Untersuchung als diejenigen mit den höchsten Erklärungswert, allerdings wird das Werk von Conrad/Demarest (1984) allgemein dahingehend interpretiert, dass sie die Gründe für die Imperiumsbildung im Religiösen suchen. Dabei ist davon auszugehen, dass Maurice Godelier (1974) die theoretischen Ansätze von Murra und zwar in der Form, wie sie Nathan Wachtel referierte, scharf zurückwies, weil mit keinem Wort etwas über die Produktionsweise im Sinne von Produktion an sich verlautet wurde. Solcherart entwickelte Godelier im Jahre 1971 eine programmatische Vorstellung darüber, was eine "sozio-ökonomische Formation" ist und zwar anhand der Inka (in: Espinoza Sorriano 1978:265-282). Godelier geht im wesentlichen ebenso vom ideologischen Faktor aus, wobei der Begriff "Ideologie" hier zu kurz gegriffen ist. Ideologie bedeutet im Zusammenhang mit dem anthropologischen Denken Godeliers, dem "strukturalistischem Marxismus" (marxismo estructuralista) in etwa Denkweise oder "Episteme" im Sinne von Foucault. Dennoch habe der Inkastaat neue Produktionsverhältnisse durchgesetzt. Woher er allerdings die Machtmittel dafür genommen haben soll, wird nicht beantwortet. Ebenso jedoch ist der Empire-Ansatz etwas problematisch, sodass D"Altory (2002:6-9) eine Reihe von Theorien über Imperien vorstellt, da die Weltsystemansätze nach Wallerstein alleine nicht ausreichen, um die Entwicklung des Inkareiches zu erklären. Jedoch ist eine Tatsache unbestritten: Die Inka hatten einfach nicht die Transportkapazitäten, um die "staatliche Reziprozität", von der etwa Rostworowski (1988,1999) im Gefolge von John Victor Murra ([1956] 1980) aus geht, auch durchzuführen. Lamakarawanen sind dafür zu kostspielig und ineffizient, da Lamas nur bis zu 50 Kilogramm Nutzlast transportieren können. Im Zuge des Projektes "oil reduced agriculture" stieß der Autor jedoch auf die Forschungsarbeiten von John Earls und sprach mit ihm lange persönlich, ebenso das zweite Projektmitglied, Wilfried Hartl, seines Zeichens Experte für organischen Landbau bei Bioforschung Austria. Im Folgenden beschreibe ich daher kurz das Setting des Projektes, die grundlegenden Hypothesen und stelle sozialwissenschaftlich relevante Zwischenergebnisse vor, um zu beschreiben, wodurch die hier dargestellten Erkenntnisse zustande gekommen sind. Das ist zwar in der Geschichtswissenschaft unüblich, aber in den Naturwissenschaften unumgänglich.
Die grundlegende theoretische Arbeit, mit welcher das peruanische Programm zum Wiederaufbau der traditionellen, andinen Agrikultur begann, schrieb bereits in den 1970er - Jahren der australische Physiker und peruanische Ethnologe John Earls (1976) mit dem programmatischen Titel: Die Entwicklung des Ökomanagements des Inkareiches. Dazu berief er sich auf eine eher wenig bekannte Quelle, die für gewöhnlich nicht im Quellenkanon der historisch-ethnographischen Quellen zur Andenzivilisation zu finden ist: Eine anonyme Chronik mit dem Titel: Discurso de la sucesión y gobierno de los Yngas, herausgegeben in einer Quellensammlung, welche völkerrechtlich relevante Dokumente für die Grenzziehung zwischen der Republik Peru und Bolivien enthält (Anonimo 1908). Diese Quelle behandelt die Geschichte des inkaischen Agrarmanagementsystems " und hier ist in keiner Weise die Rede von staatlich gelenktem Austausch oder ähnlichem, sondern von der Entwicklung des wissensbasierten Landbaus in den Anden. Auch wird nicht den angeblich großen Taten einzelner Inka gedacht, sondern deren Beiträgen zur Entwicklung von Kalendern. Diese Quelle beginnt mit der Feststellung, dass in der Vor-Inka-Zeit die Indigenen keine Kalender hatten, obwohl ihnen sehr wohl klar gewesen war, dass in den Anden eine extreme mesoklimatische Kammerung herrscht: "... aunque verdad ser notable la uariedad de tan diferentes temples" (Anonimo 1908:149), wobei "temple" Regionalklima heißt, nicht "Tempel". Im Altiplano, der Gegend um den Titicacasee herrschte jedoch überall das gleiche Klima. Dort konnte nur Kartoffel angebaut werden, in einem Fruchtwechsel von cañagua (recte: canigua, einer Leguminose) und Quinua. Der achte Inka (Viracocha Inka) begann nun "mehr Ordnung" zu schaffen. Das bedeutete, er begann damit, die unsicheren Indikatoren der Pflanzenwelt wie "Frühjahrsboten" durch einen reichseinheitlichen Kalender zu ersetzen. Das funktionierte auch einigermaßen im Altiplano, aber eben nicht in Cusco und Umgebung (Anonimo 1908:150). Sein Nachfolger, Inca Yupangue (Inka Yupanki Pachacutek) richtete, dieser Quelle zufolge, die Wohnviertel der Inkaaristokraten gemäß dem Kalender ein und schickte die ältesten seines Rates los, um nun passende Regionalkalender für die einzelnen Ökozonen einzurichten. Nach der Interpretation dieser Quelle durch Earls (1978) basierte diese Anpassung des Reichskalenders an die lokalen Vegetationsperioden je nach ökologischer Höhenzone auf einer sinnreichen Anordung von astronomischen Uhren, welche die Vegetationsperioden in anderen Höhenstufen der Anden für Cusco anzeigten. Dies war deshalb notwendig, weil von Cusco aus extra eingerichtete Reichsbeamte losgeschickt worden sind. Diese Reichsbeamten hießen Tocricuq. Diese Reichsbeamten hatten zu befehlen. Nach dem europäischen Verständnis besagt diese Quelle, dass diese Tocricuqs die Bevorratung kontrollierten und als Visitatoren generell die Durchführung der Anordnungen des Inkas zu überprüfen hatten. Diese Quelle wurde nun in Puno den Kollegen der Aymará-NGO "Pez de Oro" vorgelegt, da die interkulturelle Übersetzung zwischen der andinen Denkweise und der europäischen Denkweise deren Spezialität ist (Plachetka 2003). Diese interpretierten die Textstelle in der anonymen Quelle (Anonimo 1908:151f) bezüglich des Tocricuqs hinsichtlich der kompletten Erzählstruktur und kamen zu dem Schluß, dass die Tocricuqs Bauernberater gewesen sein müssen, welche die Umsetzung der errechneten Daten von den astronomischen Uhren und "Sternencomputern" seitens der Bauern ermöglichen. Diese Interpretation jener Quelle unterstützt die Messungen von John Earls an Moray, jener riesigen landwirtschaftlichen Versuchsstadtion in der Nähe des Dorfes Maras, deren mikroklimatische Gradienten identisch mit denjenigen auf den Terrassen der Inkastadt Ollantaytambo sind. Mit anderen Worten: Die Anlage von Moray dürfte eine Art "Bio-Computer" gewesen sein, der die mikroklimatischen Bedingungen der umgebenden ökologischen Höhenzonen simulierte und jene Daten lieferte, die für die Bewirtschaftung der Terrassenfelder in Inkastädten wie Ollantaytampu relevant waren. Wir können auch aufgrund einer unpublizierten Arbeit von Earls (n.d.) annehmen, dass Anlagen wie Moray sozusagen "Master-Computer" waren, welche die Clients, nämlich die astronomischen Uhren in den Inkastädten eineichten. Wie realistisch ist diese Annahme"
Moray: Haupt-Biocomputer zur Parallelerrechnung des aktuellen Agrarkalenders für die umliegenden Städte
Die Forschungsstrategie des Projektes "erdölfreie Landwirtschaft", um Technologie zu finden welche im großen Stile organischen Landbau erlauben, der Stadtbevölkerungen ernähren kann, beruht auf dem Zusammenhang früher Reiche mit dichtbesiedelten Städten und den Zentren ursprünglicher Biodiversität der Nahrungsmittlpflanzen, die sogenannten Vavilovzentren. Diese Zentren sind geographisch umgrenzte Gebiete sehr häufigen Vorkommens verschiedener Varianten unserer Nahrungsmittelpflanzen. Diese "Landrassen" (land races) stellen, sehr einfach gesprochen, das genetische back-up der heute handelsüblichen Sorten (modern races) der Volksnahrungsmittel (staple food) der Weltbevölkerung dar. Sie wurden von N.I. Vavilov bestimmt und stellen daher "open-source - food backup" dar, da die dort vorkommenden Sorten zur Verbesserung des genetischen Materials ein nicht oder kaum patentierbares Hilfsmittel zum Erhalt der Nahrungsmittelsicherheit auf genetischer Ebene darstellen. Vier wichtige Faktoren sind oft mit den geographischen Regionen korreliert worden, die ein hohes Niveau an genetischer Biodiversität auf der Saatgutebene aufweisen.
a) oca (Oxalis tuberosa) b) Ullucu (Ulluca tuberosus) c) anu (Tripaeolum tuberosum) (=Mashwa) d) Tarwi (Lupinus mutabilis) e) Quinua (Chenopodium quinoa) f) Canihua (C. paliodicaule). (Merrick 1990:05)In anderen Fällen können die Orte der Domestikation der Pflanzen ausserhalb der Gebiete höchster Biodiversität liegen. Diese Gebiete sind aber deckungsgleich mit den Gebieten der "formativen Zivilisationen". Formative Zivilisationen sind Zivilisationen, die es seit der neolithischen Revolution gibt. Dabei ist mit dem Begriff "neolithische Revolution" besonders vorsichtig umzugehen, da es sich hierbei um einen sehr langen Prozess der Pflanzendomestikation handelt, der über mehrere Zwischenstufen, die heute noch von den indigenen Bauern kultiviert werden die heute handelsüblichen Nahrungsmittelpfanzen hervor gebracht hatte. Diese Zwischenstufen werden heute noch von den indigenen Bauern kultiviert und stellen daher die genetischen Reserven für die heutigen Volksnahrungsmittel dar. Daraus ergab sich die Frage, mit welcher Technologie und welchen sozio-ökonomischen Konfigurationen ("Produktionsweisen") war es möglich, im Gegensatz zur rentablen, aber homogenisierenden Landwirtschaft heutiger Zeit eine biodiverse Landwirtschaft zu betreiben. Dadurch ergab sich folgende Agenda:
Tafel 1: Formative Zivilisationen und Zentren originärer genetischer Biodiversität
http://www.adastra.at/cultura/zeit/zivilisationen.htm (Diana, kannst bitte den Link wieder aktivieren?) Übersichtsgraphik auf: http://www.adastra.at/cultura/zeit/zivilisationen.htm
Um es kurz zusammen zu fassen: Die formativen Zivilisationen das sind die Zivilisationen, die direkt aus der sogenannten "neolithischen Revolution" hervor gegangen sind, sind geographisch in den als Vavilovzentren bezeichneten Arealen angesiedelt. In einem zweiten Gedankenschritt wurde zwecks Hypothesenbildung die Theorie der kulturellen Evolution des bekannten brasilianischen Ethnologen Darcy Ribeiro heran gezogen, der die heutigen Nationalstaaten Amerikas (und teilweise auch Ostasiens) in folgende kulturelle Konfigurationen einteilte (Ribeiro 1969,1970,1985).
Aufgrund dieser Korrelation ist der Autor (als Ethnologe) von folgenden Hypothesen ausgegangen:
Die Anden sind ein Bestandteil der amerikanischen Cordillera, die entstand, als die amerikanischen Kontinentalplatten auf die pazifische Platte aufliefen. Südamerika hatte sich dabei von Afrika gelöst und triftete nach Westen, ehe es auf die pazfische Platte auflief. Die andine Ökoregion ist daher ein Hochgebirgssystem, das sich in drei ökologische und klimatische Teilregionen aufgliedern läßt:
Tafel 3: Standardliste der "pisos ecologicos" in den Anden
(Espinoza Sorriano 1997:18-27, D"Altroy 2002:29 bezieht sich auf Pulgar Vidal (1987)). Diese ökologischen Stockwerke erfordern eine gesonderte Diskussion. Ursprünglich wurde der "Verticalismo" als eigene, andine Produktionsweise betrachtet, dies ging auf eine Quellenarbeit von John Victor Murra zurück, der darüber in Mexiko 1972 einen Vortrag hielt. Murra entdeckte dieses System aufgrund seiner Auswertung eines Dokumentes spanischer Kolonialethnographie und zwar den Visitationsbericht einer Inspektionsreise des Iñigo Ortíz de Zuñiga im Jahre 1562. Daraufhin setzte sich die Vorstellung der simultanen Nutzung verschiedener Ökozonen durch mehrere ethnische Gruppen durch. Dies wurde als "archipelago ecológico" bezeichnet (ökologisches Archipelsystem). In seinem Artikel "Fünfzehn Jahre danach: Bilanz des Archipelbegriffes" hinterfrägt Murra (in Morlon 1996:130-136) mit der Frage, wieso im vorkolumbianischen Peru die höchste Bevölkerungsdichte in Gebieten über 3000 Meter Seehöhe gelegen hat. Es wird daher davon ausgegangen, dass die simultane Nutzung der verschiedenen pisos ecologicos das Ergebnis makroökonomischer Staatspolitik war und in keiner Weise das Ergebnis bäuerlicher Agrikultur (ebd.S.130). Dies hat aktuelle politische Bedeutung, da in Bolivien durch das Ley INRA im Rahmen der Multikulturalisierung der Verfassung die indigenen Landnutzungsmuster unter staatlichen Schutz gestellt wurden. Dies geschah im Rahmen der Gesetze des Ley de la participación popular (Bürgerbeteiligungsgesetz) und Ley de la descentalisación administrativa (Dezentralisierungsgesetz), die Diskussion dieser beiden Gesetze als Elemente multikultureller Verfassungen waren Gegenstand eines anderen Projektes von Plachetka . Nichts desto trotz sind diese alten Techniken aufgrund des Bevölkerungsrückganges in der Kolonialzeit abhanden gekommen.
Laut der Graphik in Morlon (1996:137) stellt sich die indigene Bevölkerungsentwicklung wie folgt dar: Tafel 4: Entwicklung der indigenen Bevölkerung in Peru
Dieser Statistik ist zu entnehmen, dass die derzeit laufenden Programme zum Wiederaufbau der andinen Agrartechnologie sich aus folgenden, immer wieder betonten Tatsachen ergeben: Die moderne, industrielle Landwirtschaft, wie sie sich seit der "Grünen Revolution" entwickelt hatte, scheitert insbesondere im Andenhochland. Die europäischen Formen des Landbesitzes und der Landnutzung hatten sich durchgesetzt, als ein Bevölkerungsminimum herrschte, mit anderen Worten, ineffiziente Landnutzung war deswegen möglich, weil weniger Leute zu ernähren waren und relativ wenig bäuerliche Bevölkerung in Peru lebte, die freilich Land braucht, als vor der Eroberung Perus. Deshalb stellt, aus historischer Sicht, das Programm zum Wiederaufbau der andinen Agrartechnologie gleichsam eine Zeitreise dar. Allerdings ist die zeithistorische Fragestellung, wann dieses Programm begonnen hatte und wie es verlaufen ist, in zwei Epochen zu unterteilen:
Tafel 5: Korrelation domestizierter Pflanzen mit archäologisch fassbaren Kulturen
Abkürzungen:
Besuchte ökologische Zonen der Expedition von Dr. Hartl und Dr. Plachetka
Abkürzungen:
Nach der Abreise von Wilfried Hartl blieb Plachetka alleine in Peru und fuhr zu seinen ethnologischen Kollegen nach Huancayo ins zentrale Andengebiet. Es hatte sich nun die Projektgruppe aus peruanischen Ethnologen um Freder Arredondo (UNCP) spontan zusammen geschlossen gehabt- sodass Plachetka nun nach Huancayo fuhr. Schließlich wurde bei den Diskussionen am nationalen Ethnologenkongress (Antropológia antes el Perú de hoy- veranstaltet von der UMSM und der PUCP) beschlossen- eine peruweite Kammer für Ethnologen einzurichten- da Ethnologie (antropológia social) ein geschützter Beruf werden soll- wie dies in Peru beispielsweise für Soziologen bereits der Fall ist. Momentan gibt es nur regionale Kammern für die Ethnologen in Cusco und Huancayo. Gleichzeitig beklagten sich verschiedene Kolleginnen und Kollegen vom Agraringenieurwesen- dass es in Perú zu wenig "antropologós indigenístas" gäbe und dieser Mangel gefährdet die Programme zur ländlichen Entwicklung. Nun bedeutet allerdings "antropología indigenista" " und Darcy Ribeiro kommt aus dieser Schule " de facto "on-farm research" und dies heisst- Quechua oder sonstige indigene Sprachen auf dem Niveau zu beherrschen- auf dem Sinologen Chinesisch beherrschen müssen. Solcherart wurde mit der Gruppe Huancayo nachstehender Fragebogen zur Erforschung "aktiver Vavilovzentren" entwickelt- um sie im Sinne der klassischen Ethnologie erforschen zu können. Tafel 8: Ethnologischer Fragebogen zur Datenerhebung für die agronomischen Eckdaten
Tafel 9: In Peru gebräuchliche ethnologische Theorien / Werkzeuge für agronomisches On-farm research
Im Folgenden gehe ich nun nicht auf die Forschungsergebnisse des Projektes ein- sondern auf die unpublizierbare Arbeit von Earls (n.d.)- die in Israel 1998 vorgetragen wurde. Allerdings haben Naturwissenschafter mitunter Probleme mit Textverständnis- die Daten müssen in Graphiken aufbereitet werden und dies bedeutet Unmengen von Bits- sodass derartige Arbeiten für den E-Mail-Versand zu schwer werden- wie dies in Peru ausgedrückt wird. Folgerichtig können die Dateien nur auf CD gebrannt werden und erreichen daher nur selten ihre Verleger. Earls geht ausführlich auf die Gradienten ein- die für das Wachstum der Pflanzen wesentlich sind- wie die Gradienten der Sonnenstrahlung- des Luftdrucks- der Luftfeuchtigkeit- der Temperatur. In weiterer Folge diskutiert er die Forschungen von Winterhalder (1994) über die Öko-Klimatologie in den Anden und die Vorhersagbarkeit der Vegetationsperioden in den Anden. Das Problem mit den Agrarzyklen in den Anden besteht- grob gesagt- darin- dass kein Verlaß ist- dass das Wetter sich an den Kalender hält. Die Vorhersehbarkeit nimmt mit zunehmender Seehöhe ab. Dies hängt damit zusammen- dass die Klimazonen- definiert durch die Gradienten- auf der Westseite der Anden etwas anders aussehen- als auf der Ostseite- wo die Anden an das Amazonasbecken grenzen (Earls n.d.:06). Die Regressionen Winterthalers bezüglich der Wahrscheinlichkeit- dass die Vegetationszyklen sich an den Kalender halten- zeigen deutlich- dass die Wahrscheinlichkeit der Vorhersehbarkeit des Wetters auf 4000 Meter Seehöhe zwar gleich groß ist (40%) aber an der Westflanke der Anden deutlich rascher ansteigen- als auf der Ostseite. Auf Meeresniveau beträgt die Verläßlichkeit 70%- dies gilt als ausreichend. Infolgedessen geht Earls auf die Grundlagen andiner Risikomanagementsysteme ein. Dazu leiht er sich den Begriff des "massiven Parallelismus" aus der Terminologie der Informatik- den er allerdings einmal unerklärt stehen läßt. Earls (n.d.:09) sieht daher die sogenannten "ökologischen Archipele" in erster Linie als Risikominimierungsstrategie- nicht nur als Strategie- möglichst viele Produkte für sich selbst anpflanzen zu können. Die zweite Risikominimierungsstrategie nach Earls ist multiple Kultivierung. Dies erfuhren wir auch in Quillcas- im oberen Mantarotal- wo wir versuchten- eine Feldstudie gemäß des entwickelten Fragebogens durchzuführen- wofür allerdings die Zeit nicht reichte- dies ordentlich durchzuführen- sodass wir den Fragebogen (Tafel 8) einmal testeten- ob dies überhaupt Sinn macht. Multiple Kultivierung bedeutet- mehrere Sorten von Kartoffeln oder anderen Feldfrüchten auf demselben Feld anzupflanzen. Die (befragten) Bauern meinen- dies sei aus phytosanitären Gründen notwendig. Nach Earls hängt dies allerdings mit der Gefahr unvorhersehbarer Klimastürze zusammen- da einige Sorten schlechtem Klima besser widerstehen können- als andere Sorten. Daneben gibt es biologische und meteorologische Indikatoren- etwa die Wildenten am Titicacasee- die Veränderungen des Wasserspiegels vorher sehen können und daher ihre Nester entsprechend bauen. Ein runder Regenbogen- der die Sonne umkreist- zeigt Trockenheit an und dem Volkswissen nach kann die Beobachtung der Pleyaden Klimavorhersagen ermöglichen- da die Leuchtkraft des Siebengestirns durch gewisse im Jet-Stream der Stratosphäre fliegende und mit freiem Auge unsichtbare Wolken beeinträchtigt wird. Das landwirtschaftliche System der Inka stellte nun eine Synthesis aller vorhandenen Technologien der vorangegangenen Regionalkulturen dar. Nun gibt es mehrere Orte- in denen die Entwicklung der präinkaischen Landwirtschaft intensiv beforscht wurde- darunter das Collcatal in der Nähe von Arequipa- die alte Provinz Colecsuyu oder "los Collaguas". Die agronomischen Forschungen zum Gebrauch der Andenes sind von John Treacy (1994) durchgeführt worden. Dabei kam heraus- dass die ältesten Terrassenfelder ohne Bewässerung angelegt wurden. Als dann die Gegend in das Wari-Reich (das bitte nicht identisch mit dem Tiwanakureich ist) integriert wurde- nach dem siebenten Jahrhundert unserer Zeitrechnung- begannen Trockenperioden und Feuchtperioden einander abzuwechseln- bis sich das Klima auf eine Feuchtperiode zwischen 760 und 1040 unserer Zeitrechnung stabilisierte. Nach den heute gülitigen Daten zerbricht der "Mittelhorizont"- also das Warireich ab 1000- hundert Jahre zuvor war Piquillaqta aufgegeben worden. Aber im Collcatal herrschte zwischen 1160 und 1500 eine Trockenperiode- weshalb die Terrassenfelder mit Bewässerung erschienen. Diese technologische Veränderung fiel mit dem Einmarsch der Inka zusammen- die dies beschleunigten. In den Südanden diente die künstliche Bewässerung- anders als in den Wüstenkulturen in den Nordanden- nicht dazu- dass die Pflanzen überhaupt gegossen werden- sondern sie diente als System der Risikosteuerung. Dies hängt mit der Notwendigkeit zusammen- die Klimaschwankungen auszugleichen und dazu bedurfte es eines hierarchischen Systems von Kanälen. Im Gegensatz dazu wurde am Andenostabfall auf ständig bewässerte Systeme- etwa in Sandia oder Mocomoco verzichtet- allerdings sind die Kanäle der Terrassenfelder entweder Bewässerungs- oder Entwässerungs- d.h. Drainagekanäle. Jedenfalls mussten die Wasserzu- und Ableitungen je nach den kultivierten Feldfrüchten eingestellt werden. Neben den Andénes- den Terrassenfeldern- gibt es noch die erhöhten Felder (camellones- waru-waru in Quechua und sukka qolla in Aymará)- die von Clark Erikson studiert wurden und auf denen sehr wahrscheinlich das Tiwanakureich seine ökonomisch-technologische Basis hatte. Diese- von Kanälen umgebenen- erhöhten Felder gibt es zwar auch in Dänemark und Österreich in Gebieten mit sehr hohem Grundwasserspiegel und in den feuchten Hochebenen in Papua Neuguinea. Diese erhöhten Felder verhindern- dass das Saatgut im feuchten Boden verfault- aber im Altiplano ist Wasser auch ein Wärmespeicher und dadurch kann das Saatgut gegen die häufigen Nachtfröste geschützt werden. Die qochas sind künstliche Seen- um die herum Felder angelegt werden. Nun- das Wari-Reich- das den peruanischen Teil des "Mittelhorizontes" hinterlassen hatte- also zeitgleich mit dem Tiwanakureich sich ausgedehnt hatte- veränderte zwar drastisch die landwirtschaftlichen Systeme- hinterließ riesige Terrassenfeldanlagen- hatte aber sein Kerngebiet in genau jenen Teilen Perus- in denen sich später die moderne Landwirtschaft europäischen Stils breit machte. Mit anderen Worten- die Waris sind für die Entwicklung der spezifischen andinen Landwirtschaft unerheblich (Earls n.d.:13)- mit Ausnahme der Einführung der Produktionszonen- wie Earls (ibid.) postuliert- das Tiwanakureich habe dieses System übernommen. Dem kann der Autor allerdings nicht ganz folgen- weil dies im eklatanten Widerspruch zu der einzigen Quelle (Anonimo 1908) steht- die eine Interpretation der Anlage von Moray erlaubt und welche zu verstehen gibt- dass es vom Altiplano aus- wo das Tiwanaku sein Kerngebiet hatte- es keinerlei Strategien bedurfte- den folgenden biologisch-physikalischen Bedingungen der andinen Landwirtschaft gerecht zu werden. Dies betrifft die optimale Bewirtschaftung der "pisos ecologicos". Diese ist um einiges komplizierter- als bisher angenommen und Jürgen Golte (1980) hatte diesem Problem eine eigene Studie gewidtmet. Da ein Mensch nicht gleichzeitig an zwei oder mehreren Orten arbeiten kann- jedoch jede Ökozone ihren eigenen Kalender hatte- da- polemisch ausgedrückt- in jedem Dorf andere Vegetationszyklen herrschten- bedurfte es einer Art "Online-Zusammenarbeit" und folgerichtig einer durchdachten Organisation- die zu dauerhaften Sozialorganisationen führte- die über die bloße Verwandtschaft hinaus gingen. Dadurch wurde verhindert- dass die Arbeitszeit zersplittert wird- sodass jeder in ihrer oder seiner Ökozone arbeiten kann und aufgrund der Verpflichtungen und Forderungen der Mitglieder seines "Ayllús"- der hier eine Gruppe von Vertrauten heißt- von den anderen beliefert wird und selbst an die anderen liefert. Dies würde auch die spätere Einrichtung des rimanacuy erklären- einer Solidaritätsgruppe- deren Mitglieder unter das Inzesttabu heiraten. Im Gegensatz zu europäischen Vorstellungen von Ebenbürtigkeit ist das andine Verwandtschaftssystem in einer Weise organisiert- dass möglichst fremde Personen als Sexual- und Ehepartner in Frage kommen (Ortiz Rescaniere 1989-1993). Nun erhebt sich die Frage- wie eine Art "Online-Zusammenarbeit" ohne Internet möglich ist. Jedenfalls brach dieses System mit der Eroberung durch die Spanier zusammen. Die Inka hatten nämlich ein Pendant zum Erasmus-Programm der Europäischen Union- dies nannte sich mitmac- wo Bauern aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen umgesiedelt wurden. Diese Bauern waren teilweise Spezialisten- die auf den urbanen Anlagen etwa in Ollantaytambo arbeiteten und mit der spanischen Invarsion sofort nach Hause zurückkehrten. Die Spanier führten freilich ihr Ausbeutungssystem der encomienda und repartimientos ein- nichts verstehend und alles demolierend. Die Bewässerungskanäle wurden vielfach blokiert und das Wasser direkt auf die Terrassen geleitet. Earls führte im Jahre 1994 Feldforschungen in Willcoq und Patascancha nahe von Ollantaytambo durch- wo die Indigenen ihm erzählten- dass die Inka hier ein riesiges Agrarentwicklungsprogramm durchzuführen gedachten. Die riesigen Systeme der Terrassenfelder hatten niemals ihnen gehört- aber sie wußten die eher rustikalen Terrassen des "Intermedio tardio"- (900 bis 1400) die ihre Vorfahren gebaut hatten- von den inkaischen Reichsterrassen zu unterscheiden (Earls ibid-:Anm. 19). Jedenfalls bauten die Inka auf den Reichsterrassen Mais- wohingegen die wichtigste Feldfrucht des Tiwanakus sehr wahrscheinlich die Kartoffel war. Nun ist der Maisbau in den Anden äußerst kompliziert- da der Mais noch viel unterschiedlichere Vegetationszyklen aufweist. Das führte zu einer besonderen Betonung der Astronomie im Inkareich- die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Grob gesprochen- und damit nähern wir uns dem Problem an- wie "Online-Zusammenarbeit" ohne Internet möglich ist- wurde zu Methoden der "astronomischen Datenverarbeitung" gegriffen - wobei die Berichte der Spanier über die Astronomie der Inka laut Earls generell mißverständlich sind (ebensogut hätten wir von den spanischen Chronisten verlangen können- die Funktionsweise des Computers zu erklären- auf dem ich dies hier schreibe). Grundsätzlich baute der Inkastaat auf eine maximale Autonomie der untergeordneten Einheiten für die eigene Produktion auf. Allerdings kassierte er Arbeitsstunden an Steuern- wobei die Bürokratie des Reiches hauptsächlich mit der Datenerhebung und dem Knüpfen von Berichten auf Knotenschnüren (quipus) beschäftigt war- die sie nach Cusco per Reichspost (Chasqui) schickten. Ansonsten kümmerte sich der Staat um die Bevorratung in den Reichssilos- die zur Ernährung der Bevölkerung für Notfälle angelegt worden waren und diese Notfälle geschahen wegen der unsicheren Klimabedingungen wahrscheinlich sehr häufig. Dieses Berichtwesen war allerdings kein bürokratischer Wildwuchs- sondern hatte in erster Linie damit zu tun- dass in irgendeiner Weise jene Informationsleistungen erbracht werden mussten- die heute das Internet erbringt. Denn- wie es in der Kybernetik heisst: "Jeder gute Regulator eines Systems muss ein gutes Modell dieses Systems sein" (Conant und Ashby cf. Earls n.d.:19). Im Jahre 1975 brachte der Geistliche Enrique Urbano und einige andere Freunde von John Earls diesen nach Moray- da die indigenen Bauern der Umgebung Moray- das damals in einem fürchterlichen Zustand war- als "colegio agrícola inca" bezeichneten- also als inkaisches Studienzentrum für Landwirtschaft und deshalb gäbe es dort unterschiedliche Klimata. Kurz: Die Idee eines mikroklimatischen Simulationszentrums für pflanzenbauliche Experimente- die Moray darstellt- war in keiner Weise die Idee von John Earls- sondern noch lebendige Oraltradition der ansässigen indigenen Bauern. Earls maß nun mit Hilfe von Laboratoriumsthermometern die mikroklimatischen Gradienten nach. Allerdings betont Earls- dass es überhaupt keine Quellenhinweise auf Moray als landwirtschaftliches Experimentierzentrum gibt. Earls leitete dies aus der Logik der ökonomischen Organisation des Inkastaates ab. Moray liegt nun auf 3500 Meter Seehöhe- sieben Kilometer von Maras entfernt im "Heiligen Tal der Inka" (das in den Chroniken als Tal von Yucay bezeichnet wird) ca 32 Km nordöstlich von Cusco. Moray besteht nun aus einer Reihe unterschiedlicher- kraterähnlicher Vertiefungen und ist nun trocken- da das Wasser zur Versorgung von Maras abgeleitet wurde. Derzeit werden die Terrassen in den Vertiefungen rekonstruiert- da diese Krater mit Terrassen ausgekleidet waren. Der tiefste Krateer ist Quechuyoq. Da allerdings die Terrassen nicht mehr bewässert werden und nur teilweise kultiviert werden- lässt sich zwar der Temperaturgradient messen- nicht aber der zur Simulation mikroklimatischer Gegebenheiten notwendige Gradient an Kohlendioxyd- weil Moray eine Kohlendioxydfalle ist. Dadurch entsteht ein Treibhauseffekt- sodass die Temperaturgradienten wärend der Vegetationsperiode zu messen sind. Hier kann ich aber die von Earls gemessenen Gradienten deshalb nicht wiedergeben- da Earls die Messpunkte extrem schwierig codiert hat. Jedenfalls herrscht in Moray je nach Sektor ein anderes Mikroklima- was auch mit der schiefen Oberfläche der Terrassen zusammen hängen mag- da der tiefste Punkt jedes Terrassenringes gegenüber der Wasserzuleitung liegt. Damit fließt das Wasser unter der Oberfläche zu diesem Punkt. Jedenfalls meint Earls- Moray sei ein Experimentations- und Kontrollzentrum für das "urban farming" in den Inkastädten des sogenannten "heiligen Tales" gewesen. Die Terrassen in Pisac und Ollantaytambo sind nämlich nicht gewöhnliche Terrassen- sondern Terrassen- die architektonisch bewußt gebaut wurden- um die mikroklimatischen Gegebenheiten bestimmter Sektoren in Moray zu reprodzieren (Earls n.d.:30). Mit anderen Worten- die Inka testeten in Moray alle klimatischen Eventualitäten durch. Was hätte dies allerdings für einen Sinn gehabt- außer den Kalender auf verschiedene Besonderheiten des Jahres einzueichen" Daher liegt es nahe- anzunehmen- dass Moray der Messwertgeber für die astronomischen Einrichtungen (etwa die eindrucksvolle astronomische Uhr in Pisaq) war- um den Anbau auf den Terrassenfeldern möglichst auf die gerade herrschenden klimatischen Bedingungen zu aktualisieren. Das führt allerdings zur Möglichkeit- dass jedes große "piso ecologico"- also die Yunga- Quechua- Suni- Puna etc. eine eigene Anlage ähnlich der von Moray hatte- das als "Bio-Computer" die Stellwerte für die Eineichung der astronomischen Anlagen der Inkastädte gehabt hatte. Laut persönlicher Auskunft von Earls gibt es eine ähnliche Anlage im Collcatal und in der Nähe von Huancayo gibt es ein sogenanntes "Amphitheater"- das allerdings der Anlage von Moray verdächtig ähnlich sieht. Das Problem ist allerdings der völlige Mangel an ethnohistorischen Quellen zu Moray. Auf diesen Mangel möchte ich in einer anderen Arbeit eingehen- aufbauend auf die Arbeit von Pärsinnen (2003). Hier möchte ich die allgemeine Dimension dieser Untersuchungen erläutern.
John Earls hat mit seinen Arbeiten zum kybernetischen Staat der Inka Bahnbrechendes geleistet, aber in den Sozialwissenschaften lassen sich seine wertvollen Analysen keinem Theoriediskurs zuschreiben, ausser eben dem der Globalen Dörfer. Ein klassisch amerikanologischer Ansatz (wie in den Jahren 2000-2005 vom KonaK vertreten.
Die klassischen Debatten in der Kulturanthropologie über Evolutionismus oder Weltsystemtheorie werden für gewöhnlich in einer Weise geführt- dass aufgrund dieser Theorien Hypothesen gebildet werden- Kriterien der empirischen Überprüfung formuliert werden und diese empirische Überprüfung durchgeführt wird. Es gibt allerdings keine internationale Debatte über kybernetische Staaten- zumindestens haben diese Debatten auf der Ebene der internationalen Journale bis jetzt nicht stattgefunden. In Peru wird jedoch Earls begeistert von denjenigen Agronomen rezipiert- die sich um den Wiederaufbau der traditionellen Agrartechnologie bemühen- allerdings kam noch niemand auf die Idee- die "astronomische Datenverarbeitung" der Inka durch moderne EDV zu ersetzen. Jedoch gibt es in Österreich die passende Theoriedebatte zu diesem Thema- die allerdings ein mehr oder weniger österreichisches Schicksal erleidet.
Seit geraumer Zeit gibt es in Wien das sogenannte Laboratorium GIVE ("Global Integrated Village Environment")- dessen Leiter- Franz Nahrada bereits vor längerer Zeit das Konzept der telematischen Räume und globale Subsistenz entwickelt und in einem programmatischen Text formuliert hatte- den er uns freundlicher Weise zusandte. Der Text erschien in der Zeitschrift Zolltexte der österreichischen Landschaftsökologen und -planer- es ist aber nicht mehr eruierbar- in welcher Nummer. Die Grundlage dieses Textes sind die Theorien des "Globalen Dorfes" von Marshall McLuhan- der damit keine positive Utopie meinte- sondern eine in McLuhans? Sicht schmerzhaften Qualität der Medien (Luhmann 1966 cf. Nahrada n.d.:1). Die Metapher "Globales Dorf" beschreibt die Omnipräsenz der Medien als Konsequenz der Tatsache- "dass der Weltmarkt unmittelbarer Funktionsraum von Wirtschaftssubjekten geworden ist- die immer direkter und ohne Dazwischentreten nationaler Schranken der weltweiten Konkurrenz und ihrem Produktivitäsvergleich ausgesetzt sind" (Nahrada n.d.:01). Mit anderen Worten: Es geht um die Globalisierung- die momentan in einer Weise läuft- dass der Profit privatisiert wird- die Risken aber vergesellschaftet. Dies nannte Alvin Toffler "die Revolte der Reichen": "Durchgängige Binneninfrastrukturen im nationalistischen Rahmen sind nicht mehr lohnend- verursachen tote Kosten" (Nahrada n.d.:02). Nahrada will nun das Konzept des "globalen Dorfes" umdrehen- da die Produktion sowieso enträumlicht ist- zur fabbrica diffusa wurde und die Modernisierung zur Durchdringung aller Lebensbereiche durch auf Bargeld beruhenden Austauschsystemen geführt hatte- die letztlich zu Geldsubjekten ohne Geld führten. Diese Entwicklung führte zur Krisen-Konjungtur der Subsistenzdebatte in den frühen 1990er-Jahren- wobei wichtige Vertreterinnen des Subsistenzansatzes wie Claudia v. Werlhoff und Maria Mies die Subsistenzdebatte mit dem Feminismus verbanden bzw. Gustavo Esteva seinen entwicklungskritsichen Ansatz auf die Subsistenzdebatte aufhing. Das Problem war allerdings- dass diese Diskussion zur "subsistencia neolítica" führte- also zur Rückkehr zum angeblich festlichem Bauerntum der Jungsteinzeit. Wir haben allerdings bislang gesehen- dass die neolithische Revolution alles andere als ein Picknick war. Nahrada meint nun: "... [D]as [Folgende] ist vielleicht das wesentlichste Argument: ... Die herkömmliche Subsistenzvorstellung [ist] tatsächlich ein Programm der Mühsal und Plackerei- in dem sich der Umkreis der Bedürfnisse auf das Allernotwendigste reduziert - und keineswegs die zwanglos-festliche Angelegenheit- als die sie von ihren VertreterInnen hingestellt wird. Die Marktwirtschaft hat in der überwiegenden Anzahl der Fälle gar keine Gewalt anwenden müssen- um die Menschen von der Scholle und ihren landwirtschaftlichen Existenzgrundlagen zu vertreiben. Die freie Luft der Stadt hat im Vergleich der Lebensbedingungen und der Lebensqualität durchaus von selbst besser abgeschnitten. Eine direkte Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft zu propagieren- negiert diese über viele Generationen gewachsene Entwicklung der menschlichen Individualität und Bedürfnisse" (Nahrada n.d.:4). Was Nahrada im Folgenden entwickelt- soll nun als "subsistencia telemática" bezeichnet werden. Er dreht den Begriff "Globales Dorf" um und sieht Land und Stadt nicht als getrennte Einheit- sondern versucht- die Mittel der modernen Telekommunikation und hier vor allem des Internets einzusetzen- um gewissermaßen Stadtfunktionen per Internet auf das Land zu bringen und die Austauschmethoden der "open source communities" oder- um es in den Begriffen Pierre Lévys zu formulieren- eine kollektive Intelligenz zu schaffen (Lévy 1997)- das bedeutet- Kompetenzen flexibel einzusetzen. Natürlich beruht das Konzept des globalen Dorfes laut Nahrada auf dem Konzept der kooperativen Kultur und orientiert sich an den Praktiken der "open source" - Bewegung- deren erfolgreichstes Produkt das Betriebssystem Linux für Computer darstellt. Allerdings ist es zweifelhaft- ob die Praktiken der Open Source - Bewegung- die sich gegen die Transformation von Information zur Ware (also gegen das Copyright) wendet und die mit dem Verschenken von Betriebssystemen das Monopol von Bill Gates und seiner Firma Microsoft bekämpft- sich auf andere Bereiche und hier insbesondere auf die Landwirtschaft umlegen lässt. Grundsätzlich werden die in traditioneller Landwirtschaft erhaltenen Genreserven derzeit durch das Patentieren von Germplasmen bedroht- dies fällt unter den Begriff der Biopiraterie- da irgendjemand- der die Erfindungen der neolithischen Revolutionäre in der heutigen wissenschaftlichen Sprache beschreibt- dies patentieren kann- es sei denn- es gibt bereits veröffentlichte Beschreibungen. Das Ganze ist in Wahrheit geistiger Diebstahl und wird daher als Biopiracy bezeichnet. Andererseits ist der Nachteil bei Open-source - Projekten der- dass die Mitglieder der kollektiven Intelligenzkreise praktisch unbezahlte Arbeit leisten. Da allerdings die Lohnarbeit sowieso in der Krise steckt- entwickelte Frithjof Bergmann (2004) das Konzept der "Neuen Arbeit"- die auf der Idee beruht- dass Lohnarbeitssystem zu verabschieden und stattdessen Stipendien für Arbeit- die Leute wirklich machen wollen- zu vergeben- da mit der neuen Computertechnologie und automatischer Fertigung sowieso die Produktionsarbeit völlig mechanisiert wird. Allerdings kann niemand darauf warten- bis sich dieses System durchsetzt. Hier ist nun nicht der Platz diese Utopien und die dahinter stehenden Technologien- welche die Mitglieder der Netzwerke- die im GIVE - Laboratorium zusammen laufen- zu entwickeln- sondern es geht hier um die konkrete Frage- ob Information den Energieverbrauch reduzieren kann- ob es also möglich ist- dass "lokale- ökologisch tragfähige Kreislaufwirtschaften urbane Mikrokerne aufnehmen und mit ihnen eine Symbiose eingehen" können (Nahrada n.d.:05). Darauf gibt es- aufgrund der bisherigen Analysen über die andine Landwirtschaft und das Inkareich- wahrscheinlich nur eine einzige Antwort: Den Inka ist nichts anderes übrig geblieben- als diesen Weg einzuschlagen- da Massentransporte unmöglich waren und menschliche Arbeitskraft höchst ökonomisch eingesetzt werden musste- da die Werkzeuge ineffizient waren. Den Analysen von John Earls zufolge war das Inkareich- möglicher Weise allerdings nur bis zur geographischen Breite von Huaraz- ein riesiger telematischer Raum- der durch die Informationsnetzwerke und die davon abhängigen kooperativen Arbeitsgruppen zusammen gehalten wurde.
Die Arbeit von Pärsinnen (2004) dekonstruiert grundsätzlich die Quellen zur Geschichte des Inkareiches dahingehend- dass nach der Regierungszeit von Inka Yupanqui Pachacutek anscheinend dessen Zeitgenossen mit der Ausnahme von Viracocha Inka zeitlich in die vorimperiale Zeit des Reiches zurückprojiziert wurden. Hier wurde in der imperialen Überlieferung des Inkareiches einiges vertuscht und in der aktualisierten Neuausgabe der Historia de Tahuantinsuyu von Rostworowski (1999) wird um einiges genauer auf das wesentliche Ereignis der Entwicklung des Inkareiches- den Chankakrieg eingegangen- als in den älteren Ausgaben. Die Durchsetzung des "kybernetischen Staates der Inka" dürfte wahrscheinlich mit einer handfesten Revolution zusammen hängen- sodass der Chankakrieg nur die Spitze des Eisberges der (vertuschten) Revolution darstellen dürfte. Die Analysen der Quelle über die Entwicklung des ökologischen Managements der Inka durch Earls (1976) deutet auch auf eine massive Revolution als Begleiterscheinung der Kalenderumstellungen hin. Allerdings sind diese Forschungsergebnisse in die Diskussion um die Entstehung des Inkareiches noch nicht hinreichend eingeflossen.
Die Besonderheiten der andinen- biodiversen Landwirtschaft ergeben sich aus der Tatsache- dass sich die Andenzivilisation als "knowledge-based world system" in den Ökozonen Quechua- Suni und Puna entwickelt haben dürfte. Die sozio-ökonomischen Besonderheiten der Andenzivilisationen der Hochlandtradition (Tiwanaku und Inka) dürften sich daraus ergeben haben- dass sie ähnlich funktionierten- wie Franz Nahrada sich seine "globalen Dörfer" vorgestellt hat.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für die Genehmigung des Projektes "erdölfreie Landwirtschaft" " oil reduced agriculture. Ebenso bedanke ich mich besonders bei Prof. Wolfgang Kromp- Prof. Wilfried Hartl und Prof. Helga Kolb-Kromp für die Hilfestellung mit den Forschungsanträgen- ferner bei Prof. John Earls- César Germaná (beide Lima) Prof. Freder Arredondo (Huancayo)- Victor ("Pez de Oro"- Puno) und der peruanischen "Académia" die beweist- dass der Spruch "ventus plenus non studet libentus" für die lebenshungrigen- aber benachteiligten Teile der Weltbevölkerung durchaus seine Berechtigung hat.
Graphik der Vavilovzentren: < http://cuke.hort.ncsu.edu/cucurbit/international/internatmain.html > Journal of World-Systems Research: http://jwsr.ucr.edu/index.php < http://jwsr.ucr.edu/index.php>
(beinhaltet auch die Literatur in den Fußnoten der Print-Version dieses Artikels, zur Publikation vorbereitet in Américas, Herausgeber: Institut für Amerikanologie des Forschungs- und Kulturvereines für Kontinentalamerika und die Karibik < http://www.konak-wien.org>
ders[1956] 1980 The Economic Organization of the Inca Empire (Studies in economic anthropology- Suppl.1) Greenwich/Conn.
ders1993 La pareja y el mito. Estudios sobre las concepciónes de la persona y de la pareja en los Andes- 2. Aufl.- Lima
ders1980 "La estructura social de las comunidades andinas in A.A.V.V. Historia del Peru Bd.III- Lima- 205-369 ders1992 Los Indios del Peru (MAPFRE II-1) Madrid
ders2003 "El Pez de Oro descifrado" Pez de Oro. Vigencia y revitalización de la cultura Andina 2(4)- Puno:06 ders2004 "Das Problem des Rechnereinsatzes zum wissensbasierten Risikomanagement fehlerintoleranter Ökosysteme" Américas- Zeitschrift für Kontinentalamerika und die Karibik- Heft 32:25-49
ders 1970 "The Culture - historical Configuration of the American Peoples" Current Anthropology 11(4-5):403-434- erweiterte Ausgabe spanisch: ders.1972 Configuraciónes- Mexico D.F.: 1977 ders. 1985 deutsche Ausgabe von RIBEIRO(1969)- ed: Manfred Wöhlcke: Amerika und die Zivilisation. Die Ursachen der ungleichen Entwicklung der amerikanischen Völker- Frankfurt am Main: suhrkamp.
dies. 1999 Historia del Tawantinsuyu (IEP Historia Andina 13)- Lima.
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