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Triesterviertel / Mach Mit Tagebuch / Antonia Coffey Über Partizipation |
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Antonia Coffey
1)Einleitende Bemerkungen 2)Warum BürgerInnenbeteiligung? Veränderungsprozesse werden als Bedrohung gesehen und verursachen Ängste und Widerstände gegen Planungen Aktive und engagierte Beteiligung möglichst vieler von den Planungsprozessen Betroffener und die Transparenz von Entscheidungsfindungsprozessen vergrößert die Akzeptanz von Projekten und verringert die Erfolgsaussichten populistischer Manipulation Die EU Initiative URBAN zur Verbesserung der Lebensbedingungen in benachteiligten städtischen Gebieten und die von der UNO beschlossene „Lokale Agenda 21“ basieren auf der Erkenntnis, dass eine nachhaltige Verbesserung ohne aktive Beteiligung der Betroffenen im Sinne von „Empowerment“ nicht möglich ist. ( Auf demselben Grundsatz beruht auch das Programm „soziale Stadt“ der deutschen Bundesregierung) Es hat immer schon Gruppen von BürgerInnen gegeben, die es auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung schafften bzw. noch immer schaffen, Einfluss auf Planungen zu nehmen. Die Institutionalisierung der BürgerInnenbeteiligung? sollte zu mehr Chancengleichheit beitragen Auch qualifizierte und erfahrene PlanerInnen sind vor Fehlplanungen nicht gefeit und täten gut daran, sich das vorhandene „Wissen vor Ort“ zunutze zu machen 3)Arten der BürgerInnenbeteiligung 4)Häufig vorgebrachte Argumente gegen die BürgerInnenbeteiligung -„Bürgerbeteiligungsverfahren verlangsamen und verteuern die Realisierung von Projekten“ -„zukunftsweisende Architekturprojekte sind nicht mehr möglich“ -betroffene BürgerInnen sind grundsätzlich gegen jede Änderung; BürgerInnenbeteiligung bietet lediglich Querulanten ein Forum zur Selbstdarstellung“ -BürgerInnenbeteiligung ist elitär, die Interessen sozial Benachteiligter oder von Minderheiten gehen unter“ -BürgerInnenbeteiligung stellt eine Bedrohung der repräsentativen Demokratie dar“ 5)Beispiele für erfolgreiche BürgerInnenbeteiligung im In- und Ausland 6)Fehler bei Bürgerbeteiligungsverfahren und Voraussetzungen für erfolgreiche BB. 7)Vorschläge und Schlussfolgerungen
Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Ausführungen einige sehr persönliche Anmerkungen, um meine Einstellung zur BürgerInnenbeteiligung? zu illustrieren: Ich habe nach Abschluss meines Architekturstudiums in zwei Architekturbüros gearbeitet und war dabei sehr unzufrieden. Der Grund: Beide planten an den offensichtlichen Bedürfnissen der NutzerInnen ihrer Gebäude völlig vorbei – vor allem bei ihren Wohngebäuden, der eine, weil er nur daran dachte, sich selbst Denkmäler zu setzen und daher aus ästhetischen Gründen zum Beispiel auch ausschließlich nach Norden orientierte Wohnungen in Kauf nahm, der andere, weil er für sich den höchstmöglichen Gewinn erzielen wollte, indem er beispielsweise die Dicke der Wohnungstrennwände auf Kosten des Schallschutzes auf das absolute Minimum reduzierte, um die Wohnnutzfläche und damit seinen Verdienst zu maximieren. Ich nehme an, zumindest hoffe ich das, das diese Häufung von Negativbeispielen Zufall war, aber sie hat meine weitere Berufslaufbahn entscheidend geprägt, nicht nur dass ich der Architektur den Rücken kehrte und mich intensiv mit Stadtplanung zu beschäftigen begann, beschäftigte ich mich seither, also seit mittlerweile fast 25 Jahren intensiv mit dem Thema BürgerInnenbeteiligung. Später war ich auch selbst in verschiedenen Bürgerinitiativen und Selbsthilfegruppen tätig, wo ich teils positive, teils negative Erfahrungen gemacht habe, wodurch mein Zugang zum Thema mitunter sicher auch etwas emotionell gefärbt ist.
Mit dem Titel des heutigen Workshops „Durch Mitbestimmung Akzeptanz fördern“, habe ich gewisse Probleme: Zweifellos steigt die Akzeptanz von Projekten, die mit BürgerInnenbeteiligung geplant und durchgeführt wurden, allerdings nur dann, wenn während des Prozesses noch Entscheidungsspielräume bestehen. Jede (sogenannte) BürgerInnenbeteiligung ist jedoch zum Scheitern verurteilt, wenn sie nur die Akzeptanz zum Ziel hat, vor allem dann, wenn es sich um bereits beschlossene Projekte handelt. Wenn BürgerInnenbeteiligung ernst genommen wird, muss unter Umständen auch in Kauf genommen werden, dass Projekte gar nicht oder gänzlich anders als geplant zur Realisierung kommen.
werden doch Entscheidungen über die Verteilung Fläche, über (unterschiedliche) Lebensqualität für verschiedene Gruppen der Gesellschaft getroffen, die existierende soziale Ungleichheiten ausgleichen oder aber wesentlich verschärfen können. Es erscheint mir daher selbstverständlich, die Planungsbetroffnen in irgendeiner Form in die Entscheidungen miteinzubeziehen. Manche Gruppen von BürgerInnen können auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung auch heute schon – und sie konnten das immer schon - Einfluss auf die Gestaltung ihrer Umwelt bzw. auf die Stadtentwicklung nehmen. BürgerInnenbeteiligung als eine gezielte politische Maßnahme sollte zu mehr Chancengleichheit beitragen und mehr Leute in die Lage versetzen, ihre Interessen zu vertreten, vor allem diejenigen, die sonst nicht die Möglichkeit dazu haben.
und verursachen deshalb – vor allem bei Fehlen ausreichender Information – Widerstand gegen Planung. Oft sind diese Ängste nicht unbegründet, denn vor allem größere Baumaßnahmen können Eingriffe in bestehende Lebenssituationen bedeuten. Durch umfassende Information und durch Erfassung und möglichst Berücksichtigung der Bedürfnisse der Betroffenen bzw. durch Aushandeln von für alle tragbaren Kompromissen können Härtefälle und damit auch Widerstände häufig vermieden werden
Die genaue Ortskenntnis, die Alltagserfahrungen verschiedener Betroffenengruppen und Bürgerinitiativen bilden ein Potential, auf das die offizielle Planung eigentlich nicht verzichten sollte. Besonders bei komplexen Planungszusammenhängen erscheint mir dessen Nutzung geradezu unerlässlich. Dieser Meinung war offensichtlich auch der Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Volker Hassemer, der nach dem Fall der Mauer und der Hauptstadtentscheidung das Berliner Stadtforum gründete: „Es waren sehr unterschiedliche Überlegungen, die mich zur Einrichtung des Stadtforums führten:
Das Stadtforum ist eben nicht eine Show-Veranstaltung....... Auch ohne eine solche Institution findet bekanntlich Beeinflussung von Politik und Verwaltung statt. ... Das Stadtforum holte diese Kontakte aus der Verschwiegenheit der Amtszimmer heraus und zwang zur Abhandlung in aller Öffentlichkeit. Es führte dazu, dass jedes Argument im Angesicht der möglichen Gegenargumente vorzubringen war, dass so die Argumente unmittelbar öffentlich gemacht werden konnten. Es führte dazu, dass mit großer Sicherheit die meisten gewichtigen Argumente ausgebreitet wurden. Und im öffentlichen Diskurs unterschiedlicher Beteiligter wurden die Argumente stärker auf die Sache gezwungen.“
BürgerInnenbeteiligung kann auch bedeuten, dass verschiedene Gruppen der Gesellschaft miteinander ins Gespräch kommen und dadurch das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Bedürfnisse wächst, wodurch vorhandene soziale Konflikte mitunter entschärft werden können. „ Für die heutige multikulturelle Gesellschaft könnte ein solches Verfahren zugleich mit der räumlich – planerischen Perspektive auch eine sozialpolitische ...Perspektive bieten, nämlich die eines toleranten Miteinander von Diversität und kultureller Andersartigkeit“3
„Die EU Initiative URBAN zur Verbesserung der Lebensbedingungen in benachteiligten städtischen Gebieten und die 1992 in Rio de Janeiro von der UNO beschlossene „Lokale Agenda 21“ basieren auf der Erkenntnis, dass eine nachhaltige Verbesserung der Lebens- und Umweltsituation in den Quartieren ohne aktive Beteiligung der Betroffenen im Sinne von „Empowerment“ nicht möglich ist. (Auf demselben Grundsatz beruht auch das Programm „soziale Stadt“ der deutschen Bundesregierung4)
Natürlich ist BürgerInnenbeteiligungnicht unumstritten. Viele PlanerInnen, aber auch PolitikerInnen stehen ihr nach wie vor skeptisch gegenüber. Dabei werden u.a. folgende Argumente vorgebracht.
Wie bei keinem anderen mir bekannten Bürgerbeteiligungsmodell in dieser Deutlichkeit zeigt sich hier, dass BürgerInnenbeteiligungfür alle Betroffenen und für die Qualität des Ergebnisses durchaus eine Bereicherung darstellen kann, wenn PolitikerInnen bereit sind zu akzeptieren, dass BürgerInnen qualitativ zur Gestaltung ihrer Umwelt und der Gesellschaft beitragen können und dass sie dazu auch das Recht haben. Dafür müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, welche die Betroffenen in die Entscheidungsprozesse miteinbeziehen und so ein gewisses Maß an Verbindlichkeit herstellen. Dadurch wird die Entscheidungsgewalt, die Verpflichtung für den (die) Politiker(in) Stellung zu beziehen, keineswegs aufgehoben oder eingeschränkt. Der Entscheidungsprozeß wird nur transparenter und die Chance, in diesen Entscheidungsprozeß Einfluss zu nehmen, wird gleichmäßiger aufgeteilt und bleibt nicht auf einige wenige beschränkt. Das Rotterdamer Projektgruppenmodell geht auf die frühen siebziger Jahre zurück. Die sozialdemokratische Partei machte 1974 BürgerInnenbeteiligung? und eine auf die Bedürfnisse der BewohnerInnen bezogene Stadterneuerung zum Wahlkampfthema, das dann letztlich auch wahlentscheidend sein sollte. Den Wahlen in 1974 waren massive Proteste von BewohnerInnen der alten Stadtviertel gegen die Sanierungspolitik der Gemeinde, gegen den Verfall und die Verarmung von Wohnquartieren, gegen die Verdrängung von Wohnnutzung durch Büros, Banken, Straßendurchbrüche etc. vorausgegangen, die 1972 in einem Marsch der vereinigten Bewohnerorganisationen aufs Rathaus gipfelten. Unter dem Schlagwort "Bauen fürs Quartier" wurden die Erhaltung und Verbesserung der Wohnhäuser wo immer möglich, oder der Bau von bezahlbaren Wohnungen für die QuartiersbewohnerInnen gefordert. Die neue Stadtregierung erklärte die Stadterneuerung zu ihrer höchsten Priorität mit dem Ziel einer Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen für die AltstadtbewohnerInnen. In den bis 1982 ausgewiesenen 22 Stadterneuerungsgebieten wurden Projektgruppen mit der Planung und Durchführung des Stadterneuerungsprozesses betraut. Diese Projektgruppen setzten sich aus entscheidungsbefugten BeamtInnen der verschiedenen Fachabteilungen der Planungsbehörde einerseits und den VertreterInnen der BewohnerInnen andererseits zusammen. Diese hatten auch das Recht, externe ExpertInnen ihrer Wahl, die von der Stadt finanziert wurden, beizuziehen. Bemerkenswert ist dabei, dass die BewohnervertreterInnen und ihre externen ExpertInnen immer mit einer Stimme Mehrheit gegenüber den BeamtInnen vertreten waren. Die Projektgruppen hatten die Aufgabe, einen Stadtteilentwicklungsplan für das jeweilige Stadterneuerungsgebiet und daraus einen Bebauungsplan sowie Maßnahmen und Ablaufpläne zu erarbeiten und die Durchführung der einzelnen Stadterneuerungsmaßnahmen in allen Bereichen wie Wohnungsbau, Wohnfolgeeinrichtungen, Verkehrs- und Freiraumplanung oder die Umsiedlung bzw. Renovierung von Gewerbebetrieben und Läden zu koordinieren. Sie waren direkt dem Senator und dem Ausschuss für Stadterneuerung des Abgeordnetenhauses unterstellt, sodass viele Probleme schnell auf politischer Ebene entschieden wurden. Die VertreterInnen der BewohnerInnen in den Projektgruppen hatten auch das Recht, an den ihr Gebiet betreffenden Sitzungen des Senatsausschusses teilzunehmen und in strittigen Fragen ihre Standpunkte darzulegen.
Ein wesentliches Element der BürgerInnenbeteiligung in Rotterdam stellen die Bewohnerorganisationen dar. Sie stellen die BewohnervertreterInnen in den Projektgruppen. Entstanden sind sie aus Bürgerinitiativen in den "heißen" Siebzigerjahren. Ab 1974 wurden sie von der Gemeinde als Interessensvertretung der BewohnerInnen anerkannt und durch besondere Förderung gewissermaßen institutionalisiert. Die Unterstützung durch die Gemeinde besteht in der Finanzierung von Büromiete und Angestellten, der Bezahlung von Sachverständigen, z. B. ArchitektInnen oder PlanerInnen und der Bereitstellung von Gemeinwesen- und Sozialarbeitern. Zu den Aufgaben der Bewohnerorganisation gehören unter anderem die Vorbereitung, Planung und Organisation des Mitentscheidungsprozesses der betroffenen QuartiersbewohnerInnen, die Organisation von Bewohnerversammlungen, die Organisation von Festen und anderen Aktionen, die Information der Bevölkerung, unter anderem durch Herausgabe einer Quartierszeitung, Beratung in Problemfällen sowie eine Reihe sozialer Aufgaben. Die BewohnervertreterInnen in der Projektgruppe informieren die Bewohnerversammlung, die allen QuartiersbewohnerInnen offen steht und bei Bedarf einberufen wird, über die Arbeit der Projektgruppe und erörtern mit den Anwesenden die Stellungnahmen oder Haltungen, welche die BewohnervertreterInnen in der Projektgruppe abzugeben haben.
-Planung mit BürgerInnenbeteiligung ist effizient Das Beispiel Rotterdam widerlegt die Ansicht, dass Planung mit BürgerInnenbeteiligung langsam, teuer und ineffizient ist und dass die Planungsbetroffenen prinzipiell jede Veränderung ablehnen. In Rotterdam jedenfalls erwies sich die intensive Einbindung der BewohnerInnen in den Stadterneuerungsprozess und deren Mit-Entscheidungsmöglichkeiten als äußerst effizient. In den Altbauquartieren sind 60 000 Wohnungen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues seit 1974 entstanden, zum Großteil durch Renovierung ehemals privater Mietwohnungen und durch Neubau in Baulücken oder auf ehemaligen Industrie- und Hafenstandorten. Es wurde aber auch ein erheblicher Anteil an Häusern in den Stadterneuerungsgebieten abgebrochen und neu gebaut. Da die BewohnerInnen ihre eigenen PlanerInnen bzw. ArchitektInnen beiziehen konnten und da auch die von der Stadt beauftragten ExpertInnen bereit waren, mit den tatsächlichen NutzerInnen der von ihnen geschaffenen Bauwerke zusammenzuarbeiten und sie gewissermaßen als Mitauftraggeber zu akzeptieren, entstanden Planungen von hoher technischer, funktionaler und ästhetischer Qualität. Eine grundlegende Verbesserung erfuhren auch die Versorgung mit Wohnfolgeeinrichtungen, die Grünanlagen sowie die Verkehrsinfrastruktur. Der Verslumungsprozess konnte gestoppt werden, ohne dass die mit Revitalisierungsmaßnahmen oft Hand in Hand gehenden Verdrängungseffekte in nennenswertem Umfang stattfanden. -Transparenz politischer Entscheidungsprozesse Durch die Schaffung einer sehr klaren Organisationsstruktur für die Stadterneuerung, durch die organisatorische Einbettung der BürgerInnenbeteiligung in das System der parlamentarischen Demokratie wurde auch der politische Entscheidungsprozeß transparent und für alle kontrollierbar gemacht. Die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsfindung erhöht auch die Akzeptanz der Ergebnisse. -BürgerInnenbeteiligung muss nicht elitär sein Das Rotterdamer Projektgruppenmodell widerlegt auch die These, dass BürgerInnenbeteiligung hauptsächlich eine Sache der Mittelklasse ist und die Bedürfnisse der sozial Schwachen nicht oder kaum berücksichtigt werden. In Rotterdam gingen die Bewohnerorganisationen aus Bürgerinitiativen hervor, die den Verlust ihrer schlechten, aber bezahlbaren Wohnungen in den verfallenden Altbaugebieten befürchteten, aus jenen BewohnerInnen, denen die Umsiedlung in Stadtrandgebiete nicht möglich war, die also sicher zu den sozial Schwächsten gehörten, und den sozial Schwachen kommt diese Art der Stadterneuerung auch am meisten zugute. Die Tatsache, dass heute fast alle Bewohnerorganisationen auch soziale Aufgaben übernehmen und dass die Beratung und Betreuung der ausländischen MitbewohnerInnen einen fixen Bestandteil dieser sozialen Aufgaben darstellt, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die BürgerInnenbeteiligung in Rotterdam sicher nicht elitär ist. -BürgerInnenbeteiligungerfordert politischen Willen, die Schaffung geeigneter Organisationsstrukturen und finanzielle Ausstattung Die für Rotterdam und auch für andere holländische Städte charakteristische, nicht elitäre Form der BürgerInnenbeteiligung beruht darauf, dass diese ein bewusstes Ziel der Planungspolitik war. Die Stadt hat die Mitentscheidung der Betroffenen nicht nur zugelassen, sondern aktiv gefördert, indem sie einerseits Strukturen geschaffen hat, die dieser Mitentscheidung eine gewisse Verbindlichkeit einräumten, und indem sie andererseits den Betroffenen finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung stellte, damit sie diesen Aufgaben auch nachkommen konnten. In Rotterdam war und ist der politische Wille vorhanden, tatsächlich die Bedürfnisse der Betroffenen zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass die PolitikerInnen es akzeptieren, auch zwischen den Wahlen ständig mit den Problemen der BewohnerInnen konfrontiert zu werden und jede ihrer Entscheidungen begründen zu müssen.
Auch in Wien wurde ab 1974 angesichts der schwerwiegenden sozialen Auswirkungen der in vielen europäischen Städten praktizierten "Kahlschlagsanierungen" versucht, in Anlehnung an das Rotterdamer Modell die sogenannte "sanfte Stadterneuerung" praktiziert mit dem Ziel, die Lebensbedingungen der in einem Gebiet lebenden Bevölkerung unter aktiver Beteiligung der Betroffenen zu verbessern, vor allem durch Sanierung und maßvolle Modernisierung der Häuser und auch durch Verbesserung der Umweltbedingungen. Zu diesem Zweck wurden, nach dem Vorbild der Rotterdamer Projektgruppen lokale Gebietsbetreuungen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, zwischen den verschiedenen Beteiligten des Stadterneuerungsprozesses (BewohnerInnen, Beamte, Gewerbetreibende, PolitikerInnen, etc.) zu vermitteln, den BewohnerInnen und anderen Akteuren im Gebiet Information über deren Rechte und über geplante Maßnahmen zu geben, Anregungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie bei Problemen zu beraten und notfalls Hilfestellung anzubieten. Manche Maßnahmen zur Gestaltung des öffentlichen Raumes werden unter aktiver Bewohnerbeteiligung durchgeführt. Im Gegensatz zum holländischen Vorbild wurden aber die Kompetenzen der Gebietsbetreuungen nie klar festgelegt. Diese haben keinen festgelegten Standort in den bürokratischen Entscheidungsabläufen. Die GebietsbetreuerInnen werden manchmal nicht einmal von Planungen in ihrem Gebiet informiert und es hängt vom persönlichen Engagement und Beharrungsvermögen der einzelnen GebietsbetreuerInnen ab, bzw. von deren Geschick im Umgang mit Behörden, wie viel an Informationsaustausch zwischen Gebietsbetreuung und Behörden einerseits und Betroffenen und Gebietsbetreuung andererseits stattfindet. Auch die Möglichkeiten der BewohnerInnen, sich aktiv in das Planungsgeschehen bzw. in das Leben im Stadtteil einzubringen, hängen vom guten Willen und von der Bereitschaft der GebietsbetreuerInnen ab, diese zu unterstützen und auch von der Bereitschaft der gewählten BezirksvertreterInnen, sich auf den Dialog mit den BürgerInnen einzulassen. Dennoch wurden eine Reihe positiver Projekte mit BürgerInnenbeteiligung geplant und durchgeführt. Einzelprojekte in diesem Zusammenhang betreffen größere Verkehrsprojekte sowie allgemein die Verkehrsorganisation im jeweiligen Gebiet, Die Schaffung bzw. die Gestaltung öffentlicher Grünflächen, die Gestaltung von Innenhöfen, Die Entscheidung über die Situierung von Tiefgaragen, Haussanierungen, Erstellung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen.
Im Spätsommer 1991 beschloss die Stadt Wien die Erarbeitung eines neuen Verkehrskonzepts, wobei nach dem Willen der verantwortliche Politiker bei der Erarbeitung dieses Verkehrskonzeptes die Einbindung der Bevölkerung von Beginn an vorgesehen war. Für die Erarbeitung des Konzeptes wurde eine eigene Organisationsstruktur geschaffen, unter anderem wurde ein Projektteam bestehend aus einem Raumplaner und einem Sozialwissenschafter mit der Moderation für die Abwicklung des Bürgerbeteiligungsverfahrens beauftragt Ziele der BürgerInnenbeteiligung, an der etwa 70 Bürgerinitiativen aus dem Verkehrsbereich, sowohl lokale Initiativen als auch Umweltinitiativen und –vereine teilnahmen, waren die Entwicklung eines konzentrierten und beidseitigen Informations- und Diskussionsprozesses zwischen Bürger(initiative)n, BeamtInnen, VerkehrsplanerInnen und PolitikerInnen, die Ausarbeitung von zwischen den Beteiligten bestehenden Übereinstimmungen bzw. Widersprüchen und Gegensätzen. die Nutzung des fundierten Betroffenenwissens und des Engagements Die Bürgerinitiativen erarbeiteten einen eigenen Entwurf zu den Verkehrsleitlinien einen Kataloges von Sofortmaßnahmen sowie Vorschläge für Pilotprojekte. Gleichzeitig erstellte ein Arbeitskreis bestehend aus FachbeamtInnen und Interessensvertretungen einen Leitlinienrohentwurfs. Die beiden Entwürfe wurden einander gegenübergestellt und in einer "gemeinsamen Erklärung" einer Redaktionsgruppe bestehend aus VertreterInnen der Bürgerinitiativen und des Arbeitskreises Verkehrskonzept mit Dissens- und Konsensbereichen herausgearbeitet. Schließlich erfolgte in einer Gemeinderatskommission die politische Diskussion des Leitlinienkonzeptes auf Grund der vorliegenden Unterlagen und eingelangten Stellungnahmen. Zwei VertreterInnen der Bi waren in dieser Kommission vertreten. Nach der Beschlussfassung der Leitlinien im Gemeinderat im März 1993 wurde ein Entwurf für ein generelles Maßnahmenprogramm durch die Fachbeamten erstellt, zu dem die Bürgerinitiativen wie auch die Interessensvertretungen Stellung nehmen konnte. Versuch einer Bewertung des Bürgerbeteiligungsverfahrens Positiv:
Ein mustergültiges Projekt mit einem Schönheitsfehler Ein Platz an der Grenze zw. 2. und 20. Bezirk, der eigentlich vor der Umgestaltung die Bezeichnung "Platz" gar nicht verdiente. Es war eine reine Verkehrsfläche. Auf Initiative der Gebietsbetreuung Brigittenau wurden interessierte BewohnerInnen der Umgebung zur Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe eingeladen, deren Ziel es war Zielvorstellungen für die Gestaltung dieses Platzes zu erarbeiten und ihn kulturell zu beleben. Bis dahin gab es lediglich Planungen für eine verkehrstechnische Neuregelung, die aber nie verwirklicht wurden. Mit der Gründung des Arbeitskreises wurde ein neues Planungsmodell entwickelt, das auch projektbegleitenden kulturelle Aktivitäten beinhaltete.
Gleichzeitig wurde von der Stadt Wien ein Wettbewerb ausgeschrieben, zu dem 4 Architekten geladen wurden.
Die betroffenen BürgerInnen hatten schon vor Projektbeginn Gelegenheit, eigene Ideen und Vorschläge einzubringen und auch an den folgenden Entscheidungsprozessen mitzuwirken. In 14- tägigen Sitzungen wurden die aus Sicht der BürgerInnen spezifischen Probleme erarbeitet , in einem Bericht zusammen gefasst und als Teil der Ausschreibungsbedingungen an die Architekten ausgegeben. In der Arbeitsgruppe wurden die 4 Projekte diskutiert und eines davon gemeinsam ausgewählt. Das Ergebnis der Jury stimmte mit den Empfehlungen des AK überein. (In der Jury war auch der Bezirksvorsteher). Mit viel Öffentlichkeitsarbeit wurde das Ergebnis bekannt gegeben als Paradebeispiel einer mit den BürgerInnen ausgearbeiteten Lösung, die aus einer Betonwüste wieder einen belebten Platz machen sollte Daraufhin geschah 2 Jahre lang nichts und das Projekt drohte, sanft zu entschlafen. Plötzlich fehlte das Geld, obwohl es zuerst geheißen hatte, die Finanzierung sei gesichert. Die meisten Mitglieder des Arbeitskreises, die ihre Zeit in das Projekt investiert hatten, waren total frustriert, fühlten sich betrogen und zogen sich zurück. Dann erfolgte auf kontinuierliches Betreiben einzelner übrig gebliebener AktivistInnen eine neuerliche Diskussion des Projektes, und plötzlich kamen massive Einwände von Fachdienststellen, die zuvor das Ergebnis zur Kenntnis genommen hatten, und es gelang diesen sich durchzusetzen. Der Bezirk beschloss, das Siegerprojekt nicht zu realisieren. (Auflösung des Kreisverkehrs Wegfall der Verkehrsrelation Obere Donaustraße). Kurze Zeit sah es so aus, als würde nur die Magistratsplanung mit einer reinen Verkehrslösung realisiert. Die BI versuchte noch etwas von den Ideen zu retten und erreichte, dass eines von den ausgeschiedenen Projekten realisiert wurde. Durch persönlichen Einsatz und Einsatz privater Geldmittel gelang den ProjektleiterInnen schließlich doch die Belebung des Platzes: Schanigärten, Kinderspielplatz, Bänke Platzfeste.
Die Untersuchungen verschiedener Modelle der BB zeigen deutlich, dass BürgerInnenbeteiligung auf allen Ebenen der Planung (eigene Wohnung, Wohnumgebung, Wohnviertel, Planungskonzepte) i.d.R. eine wesentliche Qualitätssteigerung bedeuten, eine Verbesserung der Akzeptanz und der Identifikation der Betroffenen mit den Ergebnissen, sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt werden:
- je früher die Betroffenen in den Planungsprozess mit einbezogen werden - je besser der gegenseitige Informationsfluss zwischen BürgerInnen, BeamtInnen und PolitikerInnen organisiert ist. - je klarer die Aufgabenstellung und Verbindlichkeit der BürgerInnenbeteiligung definiert wurde. - je stärker die Kontinuität der BürgerInnenbeteiligung spürbar ist und sich auch in den durchgeführten Maßnahmen niederschlägt
Ich habe den Eindruck , dass sich PolitikerInnen aller Parteien über die Notwendigkeit der stärkeren Hinwendung zu den BürgerInnen in irgendeiner Form im Klaren zu sein scheinen. Während jedoch die einen zweifellos vorhandene Ohnmachtgefühle bzw. Unzufriedenheiten der Betroffenen mit den existierenden Möglichkeiten der Partizipation Daher werden gesetzlich festgelegte Regeln oder Rahmenbedingungen, die PolitikerInnen oder die Verwaltung zu einem gewissen Maß an BürgerInnenbeteiligung verpflichten, als Einschränkung der Repräsentativen Demokratie, vielfach sogar als Bedrohung angesehen. Es werden zwar gelegentlich – auch durchaus erfolgreiche - Projekte mit BürgerInnenbeteiligung durchgeführt, aber ohne konkrete Vereinbarungen über die Verwertung der Ergebnisse der Diskussionen. Betroffene dürfen Arbeit investieren, ihre Freizeit opfern, aber PolitikerInnen und BeamtInnen dürfen das Produkt dieser Arbeit beliebig nutzen oder auch nicht, ohne zu irgendeiner Gegenleistung verpflichtet zu sein, ohne sich an irgendwelche Abmachungen halten zu müssen. Hier unterscheidet sich die österreichische Auffassung von Betroffenenbeteiligung ganz massiv von der in anderen Ländern, beispielsweise in den Niederlanden. Gerade wenn ein breiter Meinungsbildungsprozess stattgefunden hat, bei dem alle sozialen Gruppen bzw. Interessensgruppen eine gleiche Chance haben, sich einzubringen, sind PolitikerInnen umso mehr gefordert, Position zu beziehen und im Falle eines unlösbaren Interessenskonfliktes klar zu deklarieren, welchen sozialen Gruppierungen, welchen Interessen Priorität eingeräumt werden soll, und dies auch zu begründen. Das heißt es bedarf vor allem einer Einstellungsänderung der PolitikerInnen, ohne die auch gesetzliche oder organisatorische Maßnahmen wirkungslos bleiben.
- Änderung des Verfahrens zur Erstellung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen - Im Baubewilligungsverfahren Parteienstellung und verbesserte Information von MieterInnen (Ediktalverfahren statt persönliche Ladung) - Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung (bzw Raumverträglichkeitsprüfung) mit entsprechendem Bürgerbeteiligungsverfahren bei allen größeren Bauprojekten, Verkehrsprojekten etc. - Ausbau des Instruments der BürgerInnenversammlung
Publiziert in: Michael Häupl / Kilian Franer(Hg.) „BÜRGERINNENBETEILIGUNG UND POLITISCHE PARTIZIPATION“ - Sozialdemokratische Konzepte zur Entwicklung der Demokratie in der Stadt; Wien, 2002, Edition Forschung
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(Einige Fragezeichen haben rein technische Ursachen, vielleicht bekomme ich dieses Problem einmal in den "Griff", Hervorhebungen durch Fritz Endl)
Fritz schau mal hier: wenn Du reguläre Überschriften machst kriegst Du als Gratisgabe ein Inhaltsverzeichnis dazu!! Vergleiche andere Artikel. und die Benennung der Seite des Beitrags macht es möglich, diesen Artikel auch in anderen Zusammenhängen zu zitieren. Zum Beispiel würd ich die Seite so nennen: AntoniaCoffeyÜberPartizipation
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