Hans Gert Graebe / Philo Debatte / 2012-03-15 |
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Mit Blick auf "MINT-Sprache" und "Alltagssprache" stellten wir am 29.02.2012 fest, dass für einigermaßen umfassendes kommunikativ gekoppeltes Handeln Beschreibungen in beiden Sprachen erforderlich und möglich sind, allein erlaubt Mathematik als Sprache "präzisere" und "kompaktere" Ausdrücke (was das auch immer bedeutet). Wichtig ist weiter, relevante Problemstellungen dennoch auch in der Alltagssprache auszudrücken, also Übersetzungsarbeit aus einer Sprache in die andere zu leisten, wenn dies kommunikativ erforderlich ist. Damit wird Sprache als sich wiederholende relative Konstruktion im Spannungsfeld zwischen Kommunizierenden und Kontext sichtbar, Beschreibung von Sprache als was auch immer sollte sich also zunächst auf die Beschreibung einer solchen relativen Konstruktion konzentrieren, ohne dabei die Notwendigkeit von Übersetzungsprozessen zwischen solche relativen Konstruktionen aus dem Auge zu verlieren. Dies wollen wir weiter vertiefen. Hans-Gert Gräbe, 01.03.2012
Die Diskussion endete mit einem möglicherweise frustrierenden Erlebnis - der Erkenntnis, dass Selbstverständlichkeiten für einen Philosophen, die Identifizierung der Begriffe Sprache und Kommunikation, für die Gesprächspartner aus der Informatik schwer zu erarbeitendes Neuland sind. Schließlich wird dort der Begriff Sprache sehr instrumentell als System aus Symbolen und Produktionsregeln eingeführt, dessen Entfaltung als Grammatik Voraussetzung für Kommunikation zu sein scheint. Dabei hätte der Philosoph eigentlich gewarnt sein müssen allein schon von der Überschrift "Sprache und Kommunikation", dass hier noch einiges an Basisarbeit der Verständigung zu tun ist. Dass eine solche Abtrennung des Studiums der potenziellen Expressivität von Sprache von der realen Expressivität von Kommunikation und gar vom Netz der Bedeutungen derartiger nach formalen Regeln entwickelter Beschreibungen allenfalls analytisch sinnvoll ist, wurde allerdings bereits in den letzten Diskussionen mit Fragen nach dem Zusammenhang von Sprache und Sprachvermögen der Sprechenden deutlich. Das abstrakte Problem des Transports von Bedeutungen innerhalb eines Diskursraumes wurde damit ein sehr konkretes der Reflexion über den eigenen Diskurs, wie denn mit festgefügten Mauern - ob nun des Glaubens oder Wissens - auf dem Pfad der Erkenntnis umzugehen ist. Diesen Fragen des komplexen Wechselspiels zwischen Verstehen und Nichtverstehen - möglicherweise elementare Fragen der Wissensreproduktion - wird im weiteren Verlauf der Debatte intensiver nachzugehen sein.
Mit dieser Diskussion wollten wir uns dem Phänomen Sprache aus der Perspektive dessen historischer Genese nähern und dabei die komplexe Vernetzung mit Weitergabe von Erfahrungen (Glauben und Wissen) sowie dem Bezug zu Praxen und sozialen Strukturierungsprozessen genauer zu beleuchten. Startpunkt waren Kens Ausführungen zu Höhlenmalereien als einem der ersten "schriftlichen" Zeugnisse menschlicher Überlieferungsprozesse aus einer Zeit vor etwa 30.000 bis 10.000 Jahren. Danach endete die kleine Eiszeit, begannen Prozesse der Städtebildung und weitere komplexere soziale Strukturierungsprozesse, die die weiter fortschreitende Arbeitsteilung begleiteten. Spannend an den Höhlenmalereien, die sich auf den südeuropäischen und vorderasiatischen Raum konzentrieren, dass es sich um Kunstformen aus einer Zeit handelt, in der der Homo Sapiens in dieser Region mit dem Neandertaler koexistierte, beide Hominidenformen also unter ähnlichen (widrigen) Naturbedingungen existierten und damit vor ähnlichen sozialen Herausforderungen standen. Für beide Hominidenformen lassen sich Momente kultureller Aktivitäten nachweisen, für die Neandertaler etwa Begräbnisrituale und Knochenpfeifen. Allerdings sind für Neandertaler keine symbolischen Kulturformen wie Malereien, Amulette, Statuetten nachgewiesen. Letztere scheinen auf stärker hierarchische soziale Strukturen hinzuweisen, erstere auf stärker urkommunistisch-egalitäre Strukturen. In dem Zusammenhang wurde auf den Klassiker "Die elementaren Formen des religiösen Lebens" von Émile Durkheim aus dem Jahr 1912 verwiesen. Beide Kulturformen wurde auf dem Hintergrund durchdekliniert, dass in dieser Zeit möglicherweise Schließungsprozesse von Gemeinschaften zu Gesellschaften (Plural!) stattfanden in dem Sinne, dass sich "organismische" soziale Strukturen eines "Innen" zum gemeinsamen Auftreten nach außen herausbilden. Besonders die Rolle der Darstellung von Händen als erste Form der "Signierung von Kunstwerken" in der Höhlenmalerei wurde vertieft diskutiert. Nachsatz meinerseits: Zwei Momente wurden dabei ungenügend berücksichtigt:
Eine weitere Diskussion entspann sich um die Art und Weise, wie die anthropologische Forschung, der die weiter oben dargestellten Ergebnisse entnommen sind, strukturiert ist. Ken verwies auf die Rezension von Michael Tomasellos Buchs "Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation" von Volker Sommer in der FR vom 29.07.2009. Offensichtlich liegen hier zwei Herangehensweisen an wissenschaftlichen Theorienbildung vor, eine eher "hierarchische", die primär auf die Ausbildung einer konsistenten Theorie und Schule ausgerichtet ist und Fakten je nach ihrer Tauglichkeit für die Unterstützung der eigenen Theorie "rankt", und eine zweite, die den Diskurs - insbesondere auch von der eigenen Theorie abträglicher Fakten - in den Mittelpunkt stellt. Offensichtlich sind die Erfahrungen mit beiden Wissenschaftskulturen in den "Geistes-" und den "Natur"-Wissenschaften sehr verschieden. Auch darauf wird bei den weiteren Diskussionen über Wissensreproduktion zurückzukommen sein. Hans-Gert Gräbe, 19.03.2012
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