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Franz Nahrada / Texte / Die Vision Von GIVE |
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erschienen erstmals in der Zeitschrift MONITOR, März 1998
"Ich habe das Gefühl, daß in unserer Gesellschaft im Detail alles besser, perfekter und rationeller funktioniert, während im Ganzen, im Zusammenspiel der Prozesse und Akteure, es immer unvernünftiger zugeht" -
diese Aussage eines Mitarbeiters der amerikanischen Gruppe "New Alchemy" könnte wie kaum eine zweite die Ausgangssituation und die Bedürfnisse umfassen, die zur Gründung des Vereins GIVE Die Effizienz der technischen Mittel, durch die wir unsere Ziele erreichen, führt zu einer verstärkten Blockade durch die aggregierten Folgewirkungen - eine Erkenntnis, die spätestens seit den Staus auf der Autobahn zum Allgemeingut geworden sein müßte. Dabei sind die Folgewirkungen nicht nur prozeßimmanent (auf so zweifelhafte Technologien wie nukleare und Gentechnologie soll also gar nicht angespielt werden). Vielmehr ist jeder Technologie immanent, daß sie Folgewirkungen akkumuliert, die in irgendeiner Form zu überlegen sind und neue Handlungsnotwendigkeiten schaffen. Eine Gesellschaft, die angesichts fortschreitender Automation vom "Ende der Arbeit" spricht, hat diese Handlungsnotwendigkeiten weitgehend tabuisiert. "Je komplexer die Welt, desto mehr Anstrengung braucht es, sie in Ordnung zu halten. Zwei Dinge gehörig in Beziehung zu setzen braucht gestern 4, heute 8 und morgen 16 Überlegungen und wer an das Ende der Arbeit glaubt muß mindestens hinterm Mond sein" schreibt der Erlanger Technologiephilosoph Ulrich Sigor dazu.
Übertragen auf die Informationsgesellschaft heißt das, daß je mehr Information produziert wird, die Aufgabe der Interpretation und Ordnung dieser Information zunimmt; je komplexer Programme und Infrastrukturen werden, desto mehr wächst der Aufwand der Anpassung. Im Umkreis der neuen Technologien und der Informationsflut entstehen so ständig neue Aufgaben, Meta-Arbeit. Wie aber diese Arbeit bezahlen, wenn Arbeit nur mehr betriebswirtschaftlich gesehen wird, die Buchhaltung hier nicht mitmacht und der Staat für den Erfolg seiner Wirtschaft spart? Wenn der Erfolg im Wettbewerb davon abhängt, ohne jede Rationalität die Lebenswelt möglichst mit "Produkten" zu überfluten, und die Zunahme von Unordnung dabei genauso in Kauf zu nehmen wie die Umweltverschmutzung?
Hier setzt die Notwendigkeit ein, nicht neue Organisationen zu schaffen, sondern die bestehenden dazu zu bringen, sich die gestiegenen Effizienzpotentiale anderer Akteure zunutze zu machen, sozusagen die richtigen Reflexe zu lernen, um das Synergiepotential mit ihrer Umwelt neu zu lernen. Wir waren eben noch nie so vergesellschaftet wie heute und müssen auch die immanente "Umweltverschmutzung" durch die Produktion technologischen Schrotts und informationellen Overkills erst als solche erkennen und beheben lernen, sozusagen Informationsökologie betreiben. Der kalifornische Computervisionär
Ein ganz zentrales Element in dieser Situation ist der Umstand, daß im Zeitalter der Globalisierung sich das Machtverhältnis von Politik und Unternehmen verschoben hat, daß die Frage der "Verantwortung fürs Ganze" von der einen Seite nicht mehr wahrgenommen werden kann, von der anderen Seite (noch) nicht wahrgenommen werden will. "Bootstrap Communities" funktionieren nach dem Prinzip, daß sich die Arrangements der Akteure selbst offen erweisen für die Konstruktion einer nachhaltigen, integrationsfähigen Gesamtlösung, daß wir zwar die Politik benötigen, um Entscheidungen zu treffen, daß aber diese Entscheidungen immer nur so gut oder so schlecht sind wie der gesellschaftliche Lernprozeß und Konstruktionsprozeß von wechselseitigen Vorteilen, der dazu geführt hat. Und diese Konstruktionsprozesse sind wesentlich "postpolitisch", das heißt das Wissen über die Handlungsweise der verschiedenen Akteure existiert zunehmend weniger in einem zentralen Apparat, sondern bei den Akteuren selbst, die daher mit neuen Formen ihres Zusammenwirkens experimentieren müssen. Viel Theorie, aber erleben wir nicht das genaue Gegenteil? Erleben wir nicht wie sich Oligarchien, Machtballungen, herausbilden, wie die immer schnelleren Züge auf dem Schachbrett der wirtschaftlichen Spekulation über Effizienzvorteile jede langfristige Berechnung hinfällig machen und sogar legal außer Kraft setzen wollen, wie sich dies vor allem in der Debatte über das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) gezeigt hat? Wie das staatlich geförderte Konkurrenzsystem dazu führt, daß statt der notwendigen Aufarbeitung der Folgen dieser Effizienzvorteile wir mit immer mehr Schrott überflutet werden? Die Zukunftsvisionen der Gegenwart zeigen denn auch die Welt der Zukunft als einen gigantischen Schrottplatz, unfähig der Bewältigung ihres eigenen Stoffwechsels.
Dem läßt sich nur entgegenhalten; es wird immer teurer, Schrott zu produzieren und nicht abzusetzen. Die zunehmende Verwandlung von Wirtschaft in Finanzspekulation und das verzweifelte Bemühen um Firmenzusammenschlüsse von gigantischen Dimensionen verraten, daß die bedingten Reflexe des Industriezeitalters auch der Industrie nicht mehr guttun, sodaß ihr die Frage, in welchem Umfeld sie agiert, mitunter doch mehr als dringlich zu Bewußtsein kommt. Die institutionellen Umbrüche zu supranationalen Einheiten schaffen auch ein günstiges Klima für Innovationen der anderen Art, und neben der Globalisierung gibt es auch ein ganz neues Bewußtwerden des Wertes von Regionalisierung, Akteurspakten, gemeinsamer Problembewältigung. Die Forderung der "Group of Lisbon" nach einem "neuen Sozialvertrag" ist innerhalb der Europäischen Union nicht ungehört geblieben und hat zu vielerlei regionalpolitischen Arbeitsgemeinschaften geführt, die gerade auch mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet werden. Das ist auch ganz logisch und entspricht strenggenommen auch dem Gedanken wirtschaftlicher Effizienz: denn wenn ein System beständig seine Komplexität erhöhen muß, um den Anforderungen der Außenwelt zu genügen, dann ergibt sich daraus eine Zunahme der Menge an Funktionen, Wegen und Prozessen. Wenn in einer Zeit der Beschleunigung der Produktzyklen es prinzipiell nicht mehr tolerabel ist, auf die Behebung eines technischen Problems länger als eine halbe Stunde zu warten, ist es mehr als notwendig, in einer "intelligenten" Umgebung zu agieren, die eine Vielzahl von Funktionen bereitstellen kann, mit kurzen Wegen und wenig Energieaufwand, die sich dann in Summe auch als ein Weniger an toten Kosten summieren. Small is beautiful und Diversity is essential.
Geht so der Zug der Zeit zumindest teilweise in eine Wiederentdeckung des Werts der unmittelbaren Umwelt, so versucht das Labor GIVE
Ausgangspunkt der Tätigkeit von GIVE
Vieles von dieser Anpassungsarbeit setzt noch die unmittelbare Präsenz vor Ort voraus, vieles kann aber zunehmend auf Distanz erledigt werden. Das Potential der Telekommunikation, Arbeitsplätze ortsunabhängig zu gestalten, und damit den Beitrag von Telearbeit, von Teledienstleistungen, der Distance Education und so fort für die Entwicklung der "kritischen Masse" lokaler Diversität sichtbar zu machen ist der Ausgangspunkt der Arbeit von GIVE Dabei bezieht sich lokale Diversität nicht nur oder vielleicht gar nicht primär auf die rein technologischen Funktionen; auf einen Telearbeiter kommen in der "global integrierten Dorfumgebung" vielleicht vier rein "lokale" Arbeiten, die dennoch ökonomisch und technologisch von der Präsenz und dem Funktionieren von Telearbeit abhängig sind.
Es geht also um eine ökologische Betrachtung, die nicht technologiefeindlich ist sondern in höchstem Maße an bestimmten Technologien - vor allem an der Telekommunikation - interessiert ist und diese im Kontext ganzheitlicher Modelle lokaler Entwicklung sieht. Daß dabei "ganzheitlich" auch im Sinne der größtmöglichen Außensynergien verschiedener Räume und Regionen gemeint ist, versteht sich fast von selbst. GIVE
Hauptachse der Tätigkeit ist also die Frage nach der Auswirkung der Telematik auf den Raum, wobei Raum auch die sichtbarste und konkreteste Ausdrucksform gesellschaftlicher Kategorien ist. Lebenschancen, Status, Macht, soziale Integration: all das drückt sich in Räumen und ihrer Ausgestaltung aus. Architektur und Raumplanung sind exekutive Gewalt sozialer Kräfteverhältnisse und Werthaltungen. Räumliche Grenzen und ihre Durchlässigkeit geben mehr Auskunft über das Funktionieren der Gesellschaft als irgendein anderer Faktor. Vor allem aber ist der Raum das Medium des stofflichen Metabolismus, der physikalischen, biologischen und chemischen Prozesse, die unser Leben tragen. Der Raum ist präsent, er braucht nicht hertransportiert werden, er ist sozusagen eine ewige Gratisgabe. Intelligenter Umgang mit Raum ist daher mehr gefordert als alles andere. John Todd hat in seiner "Arche", einem Glashaus im New Alchemy Institute auf Cape Codd in Massachusets, den Nachweis geführt, daß sich "lebende Maschinen" bauen lassen, in denen hunderte von Naturprozessen so verbunden sind wie in einem Industriebetrieb mit einem einzigen Unterschied: es braucht keine Rohmaterialien und es gibt keinen Abfall. Die Energie der Sonne (und der Anpassungsarbeit leistenden Menschen) kombiniert mit der Vielgestaltigkeit der Materie reicht aus, eine Fülle von Prozessen am Laufen zu halten, die wie von selbst Wärme, Nahrung, Baumaterial und alles Lebensnotwendige in Hülle und Fülle hervorbringen. Dieses "Paradigma der Pflanze" (Terence McKenna?), die mit ihrem Raum und ihrer Umwelt optimal korrespondiert, ist das Grundmodell für die menschlichen Siedlungsformen, die aus der Erkenntnis der systemischen Gesetzmäßigkeiten entstehen könnten; es ist leicht einzusehen, daß damit "Senkung der Lebenshaltungskosten" in höchstem Maße einhergeht, wenn frei verfügbare lokale Ressourcen und Prozesse aus einer großen Fülle von Möglichkeiten, den lokalen Gegebenheiten angepaßt, optimal kombiniert werden können. Auch verfügen wir schon längst über Modelle der Eigenarbeit und über Partnerschaften zwischen Industrie und dem Sektor der anpassenden Eigenarbeit, wovon der Boom der Baumärkte ein sichtbares Zeugnis ablegt. Daß diese Spielart von Eigenarbeit eher ein Notnagel von amateurhafter Mangelbewältigung ist, weil der Schrott billig und die eigene Arbeit gratis ist, tut der prinzipiellen Möglichkeit keinen Abbruch, daß lokale Metabolismen mit Hilfe fortgeschrittener Technologien konstruiert und verfeinert werden können, die mit Hilfe industrieller Produktion zustande kommen. Die dramatische Verbesserung der Ressourceneffizienz, etwa durch Biomasseeinsatz in dörflichen Kleinkraftwerken, ist ohne industrielle Forschung und Entwicklung nicht zu haben. Ebenso bietet die "Noosphäre", die Möglichkeit des Austausches von Information über die elektronischen Medien, weit besser als alle bisherigen Methoden des Wissenstransfers die Möglichkeit, die lokalen Besonderheiten und den Reichtum an globalen Lösungsmöglichkeiten einander gegenüberzustellen, Lösungen simulativ zu erproben und ständig neue Bausteine einzufügen. Schon jetzt sind Faktoren für Entscheidungen im landwirtschaftlichen Anbau, die sich auf lokale Besonderheiten stützen, mit Satellitenbildern und Computerauswertungen besser zu treffen als rein aufgrund von lokaler Erfahrung oder Vermutungen über die globale Marktlage. Dies könnte sich ebensogut auf die immanent- ökologische Gestaltung von Stadt-Pflanzen beziehen, auf die Berechnung von Stoffströmen, optimalen Standorten und optimalen Synergien. Wesentlich ist, daß die Technik nicht um der Technik willen eingesetzt wird, sondern weil wir erkennen, daß sie unseren Blick für komplexe Vorgänge, Wechselwirkungen und zukünftige Entwicklungen zu schärfen vermag.
Als Promotor dieser "ökologischen Vision" agiert das Labor GIVE
Die Funktion von GIVE
GIVE
Derzeit existieren vier Arbeitsbereiche, die durch ein kleines Team koordiniert werden und in denen jeweils eigene und externe Projekte durchgeführt werden. Es ist Organisationsprinzip von GIVE
In besonderem Maße gilt dies für die eigene Involvierung in die Entwicklung lokaler Akteursnetze und Tele-Öko-Communities. Das Prinzip der Beachtung des räumlichen Zusammenhanges soll natürlich auch bei uns selber beachtet werden: daher ist die katalytische Arbeit in der engeren Umgebung (sprich: in Floridsdorf) notwendiger Bestandteil der demonstrativen Aktivitäten. Der Raum links der Donau ist aus mehreren Gründen interessant: einerseits entsteht hier im Gefolge der Wiener Stadterweiterung eine Fülle von neuen einschlägigen städtebaulichen Experimenten (autofreier Stadtteil, HomeWorker? etc), inmitten der Relikte verschiedener - auch experimentierfreudiger - Phasen des sozialen Wohnbaus. Andererseits handelt es sich um eine selbst noch im Kern "dörfliche" Umgebung. Akteursnetzwerke wie der arbeitsmarktpolitische Verbund sind hier auf fruchtbaren Boden gefallen. Gleichzeitig existiert in diesem Bereich auch die Enklave der internationalen Organisationen, und das neue Subzentrum an der Donau, sind Hochschulen angesiedelt worden, existieren Forschungsabteilungen und kollaborative Forschungszentren der Industrie und sollen weitere entstehen. Ein fast unvergleichliches Synergiepotential für nachhaltige Stadtentwicklung ist also gegeben, das aber in der Praxis kaum genutzt wird.Auch die drei (!!) bereits existierenden "Telezentren" in Floridsdorf könnten viel stärkere Wirkung entfalten.
GIVE
Die Emphase auf den ländlichen Raum, die in der Arbeit von GIVE Dafür wurden in der Vergangenheit viele Denkmodelle gesammelt, deren praktische Erprobung nun ansteht. Eine Wiederaufnahme des Kontaktes zu ökologischen und geomantischen Architekten und eine verstärkte Konzentration auf Europa sollen diese Erprobung erleichtern. Dennoch ist es weiterhin interessant, Ansätze wie die Archology von Paolo Soleri in Arizona auf einer räumlich kleineren Dimension umzusetzen, also das Insistieren auf der Notwendigkeit einer sehr dichten Siedlungsform, die die Potentiale von Diversität, Integration und Urbanität ausnützt und doch die Natur in ihr nur teilweise geschlossenes Raumgefüge einlädt, auch in grundlegend neue Raumkonzepte umzusetzen. Sollte uns das im "Landlabor" selber nicht gelingen, hoffen wir doch, daß das "Medienlabor" dazu beiträgt, daß es woanders geschieht.
Eine der Grundlagen der Arbeit von GIVE
Die Bemühungen im Gefolge der Nachhaltigkeitsdebatte, zu einer qualitativen Betrachtungsweise des Zusammenwirkens der verschiedenen Subsysteme im Umkreis der menschlichen Produktion zu gelangen, die Forderung des Club of Rome "mit der Natur zu rechnen". erscheint auch im Kontext von GIVE
GIVE
Der Vernetzungsbereich von GIVE
Es ist geplant, daß sich die Aktivitäten von GIVE
Die Kontonummer von GIVE
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