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Deutsche Übersetzung des Artikels von John Earls "The Andes and the Evolution of Coordinated Environmental Control".

(durch StefanMatteikat - SMa)

Die Herausbildung koordinierter Umweltkontrolle in den Anden

Die Welt steuert heute auf eine Periode zu, welche auf das Eintreffen des „Peak Oil“ folgen wird. In dieser Periode werden wir gezwungen sein, zu lernen, wie sich das gesamte Umweltsystem unseres Planeten in effektiver Weise auf eine nachhaltige Art administrieren läßt, welche humane Koexistenz ermöglicht, jedoch nicht exklusiven humanen Interessen untergeordnet ist.

Die Biosphäre der Welt ist ein extrem komplexes System, und die Art und Weise ihrer Administration durch uns, welche auf der reichlich vorhandenen Energie billigen fossilen Öls basiert, sieht uns völlig unvorbereitet auf eine lebensfähige Teilhabe am Post-Peak-Öl-Zeitalter. Stattdessen hat das ökonomische System des Öl-Zeitalters die Bedingungen für eine außer Kontrolle geratene globale Erwärmung generiert, die bereits jetzt heftigen Streß in der uns erhaltenden Biosphäre verursacht. Das Post-Peak-Öl-Zeitalter wird auf Organisationsprinzipien basieren müssen, die mit dem Fließgleichgewicht des reifen Ökosystems korrespondieren. Howard Odum faßt das wie folgt zusammen:

„Während des Wachstums liegt der Schwerpunkt auf dem Wettbewerb und großen Unterschieden in der ökonomischen und energetischen Wohlfahrtsentwicklung; charakteristisch sind [...] Sozialistische Ideale der Verteilung kommen einem konsistenten Fließgleichgewicht näher als Wachstum.“ [Was im übrigen die Absurdität eines „wachstumsorientierten“ Sozialismus noch einmal begreifbar macht! SMa]

In Vorbereitung auf diese kommende Weltsituation wäre es wohl weise, zu evaluieren, wie Belastbarkeit (resilience – Unverwüstlichkeit) in Prä-Industriellen Gemeinschaften gehandhabt wurde, bevor diese in die sich entfaltende Euro-Zentrische globale Weltordnung gewaltsam eingemeindet wurden. Besonders der Fall der andinischen Gesellschaften ist interessant, da in diesem Fall die komplexe Bergumgebung eine Reihe von beachtlichen Herausforderungen stellte an die Entwicklung sich selbst erhaltender, großangelegter sozialer Systeme, welche in gewisser Weise vergleichbar sind mit den Herausforderungen, vor denen wir heute stehen. Ich behaupte, daß die Muster der sozio-ökonomischen Koordination, welche diese Gesellschaften kennzeichnen, das Management einer sehr breitbandigen Informationsverarbeitung mit sich bringen; und daß sie generelle Prinzipien offenbaren, welche für die Organisation nachhaltiger Organisationsformen innerhalb der Komplexität einer globalen Umgebung sinnvoll sind. Mittels der digitalen elektronischen Kommunikationstechnologien können Kopien von Nachrichten ohne Informationsverlust erstellt werden. Bei Kommunikation, welche lediglich über Menschen erfolgt, sind Fehler unvermeidlich und sie verbreiten sich leicht über ein soziales System, welches weiträumige Koordination nur sehr schwer widerspiegelt. Die Staaten der Anden gingen aus einer historischen Dynamik hervor, während der eine „Auslese“ eines immer weiter gespannten Kommunikationsnetzes erfolgte, welches die ökologische Umwelt, das soziale System und ein Universum von Symbolen umfaßte.

Ich argumentiere sichtlich nicht, daß die Staaten und Reiche der Anden als politisches Modell für das reife Weltsystem dienen sollen – sie waren eindeutig autoritäre Gesellschaften. Nichtsdestotrotz war eine exzessive Top-Down-Kontrolle gemildert durch die geographischen Beschränkungen, die aus der gewaltigen Bergumgebung resultieren. Das System war grundsätzlich selbstregulierend auf jedem seiner Niveaus und funktionierte durch eine Menge ausgeklügelter sozio-ökologischer Techniken der politischen und ökonomischen Koordination. Ich beginne mit der Beschreibung einiger grundlegender Organisationsprinzipien in der Andenumgebung. Dann gebe ich einen kurzen Überblick, wie sich in dieser Umgebung die autochtonen Gemeinschaften in effektiver Partizipation durch sukzessive sozio-technologische Innovationen zu größeren territorialen Einheiten entfalteten. Schließlich will ich die Grundlagen des sozialen Kommunikationsnetzwerkes skizzieren.

2.Ordnung und Komplexität in der Umgebung der Anden

Es gibt nur wenige Regionen auf dieser Welt, in denen man in einer Tagesreise mit dem Auto faktisch wasserlose Wüsten auf Höhe des Meeresspiegels durchquert, eine Höhe von 5000 Metern erklimmt bis zu einer kalten Region permanenten Eises (mit vielen Gipfeln von über 6000 m) und dann wieder herabsteigt zu heißen und dichten tropischen Regenwäldern. Um eine ähnliche ökoklimatische Diversität zu erfahren, sind in den meisten anderen Teilen der Welt viele Wochen Autofahrt über viele tausend Kilometer notwendig.

Ein sehr nützliches Maß der Umgebungskomplexität ist das Lebenszonenmodell von Leslie Holdridge (1947, 1979). Die Klassifizierung der Lebenszonen basiert auf der Korrespondenz natürlicher Pflanzenformationen mit Bereichen von Variablen, die durch die Intersektion von 3 Achsen definiert werden: der mittleren jährlichen Biotemperatur, wie sie durch Temperaturregister innerhalb des Bereiches von 0 bis 30 Grad C berechnet wird, dem mittleren Jahresniederschlag (in mm) sowie der jährlichen Evapotranspirationsrate (Verdunstung von Tier-und Pflanzenwelt sowie der Bodenoberfläche), welche sich aus der Division der jährlichen Niederschlagsmenge durch das mittlere Evapotranspirationspotential ergibt. Jede Lebenszone wird durch ein Sechseck, das durch diese Achsen gebildet wird, repräsentiert (Bild 1). Das Schema kann dank seiner Einfachheit leicht gemerkt werden. Hitze und Luftfeuchtigkeit werden als die fundamentalen Determinanten biologischer Aktivität angesehen. Das ermöglicht eine Darstellung zwischen latituden und altitudinalen Bereichen in Relation zu ihren equivalenten Biotemperaturen und Feuchtigkeitswerten. Die Zusammenhänge sind lediglich angenähert, besonders im Falle der Breitengrade und ebenso, allerdings in geringerem Maße, für die Höhenlage, sie sind jedoch grundlegend für die Verallgemeinerungen, welche über die gemeinsamen Eigenschaften räumlich auseinanderliegender Ökosysteme gemacht werden können. Alles in Allem identifiziert Holdridge 101 Lebenszonen auf der ganzen Welt.

(Bild 1) Lebenszonen-Klassifizierung der Welt (Holdridge 1947:367)

Die Klassifizierungskriterien von Holdridge werden in Tabelle 1 wiedergegeben: zum Beispiel eine mittlere jährliche Biotemperatur von <1,5° korrespondiert abhängig vom Breitengrad mit der Polarregion oder der Nival-Höhenregion; von 6° bis 12°C zu kalten Regionen oder Montanen Regionen. Während ein annähernd numerischer Wert angegeben kann für die Höhenlage mit einem Durchschnittsgradienten von -6° je 1000 m, ist die Situation für Breitengrade komplexer wegen der irregulären Form und Verteilung der Landmassen.

(Tabelle 1)

Die globale Biometrie von Holdridge wurde für Peru von John Tossi (1976) adaptiert, um die Umgebung der peruanischen Anden zu beschreiben; diese wird generell von Anthropologen und anderen verwendet. Hat Tossi ursprünglich nur 35 der 101 Lebenszonen nach Holdridge festgestellt, so werden heute 84 in Peru nachgewiesen, was in Anbetracht von 0.86% der Landfläche der Welt einen Eindruck vermittelt von der wunderbaren Komplexität dieses Landes. Angenommen, alle 101 Zonen wären in gleich großen Einheiten homogen über das Festland der ganzen Welt von 148.939.063.133 km² (29,2% der Gesamtoberfläche) verteilt, dann hätte eine Lebenszone eine Fläche von 1.474.644 km². Perus gesamte Landoberfläche von 1.285.220 km² würde dann eigentlich nur 0.87 Lebenszonen enthalten, an Stelle von 84, und eine Durchschnittslebenszone hätte dann eine Ausdehnung von 15.300 km². Da indes nur etwa 30% des Territoriums in den Bergebieten der Anden liegt, in welchen die Mehrzahl der Lebenszonen nach Tossi vorkommen, wäre deren Durchschnittsausdehnung noch kleiner. Mehr noch, wie die Gebirge, die zerklüftet sind, sind auch die Lebenszonen nicht zusammenhängend. Selbst in der eher groben Einteilung von Tossi's ökologischer Karte ist jede der Gebirgslebenszonen wie ein Archipel über weite Flächen verteilt. Die Zonen verteilen sich diskontinuierlich und die Zahl der sichtbaren Zonen sowie deren Position hängen ab von der Feinheit der Einteilung, in welcher sie betrachtet werden. Unser Interesse gilt hier den sozialen und kognitiven Prozessen in der menschlichen Anpassung an diese Umgebung, da eine effektive Anpassung an eine Umgebung eine effektive Klassifizierung dieser Umgebung mit sich bringt.

Zu all dem kommt der Fakt, daß die Zunahme der Höhenlagen die mikroklimatische Vielfalt erhöht. Die Sonneneinstrahlung verstärkt sich, während der Luftdruck und der Wasserdampfdruck mit der Höhenlage nachlassen. Somit sind die Energiewechsel an der Oberfläche in den Bergen abrupter als auf Meereshöhe. Geringe Unterschiede hinsichtlich der Oberflächenstruktur, Farbe, des Bodenbelages, der Ausprägung usw. wirken sich als ausgesprochen verschiedene lokale Mikroklimata aus.

Nach Flannery, Marcus und Reynolds:

„Das Umweltgefälle zwischen schneebedeckten Berggipfeln und den Flußtälern sind so komplex, daß alle publizierten Beschreibungen Vereinfachungen sind. Der menschliche Geist reduziert typischerweise eine einschüchternde Masse an Umweltinformationen zu einem Satz von Modellen oder idealen Kategorien, und das trifft genauso auf die westlichen Ökologen zu, die die Anden studiert haben, wie auf die Indianer.“ (1989:11)

Flannery präsentiert letzlich eine sehr einfache, aber sinnvolle Diskussion der Probleme, die mit der Klassifizierung der Anden-Umgebung verbunden sind. Sie zitieren die Arbeiten von John Holland (1975, 1986) sowie eine persönliche Kommunikation mit Holland. Er argumentiert, daß „.. eine vereinfachende Klassifizierung einer der ersten Schritte zur Anpassung ist: eine Gruppe von Menschen erzeugt ein brauchbares grobkörniges Modell einer wesentlich feiner graduierten Umgebung.“ Sie zitieren Holland, daß er das Sozial-Umweltproblem visualisiert hätte als: „verschachtelte Menge von Markow-Prozessen mit progressiv vergröberter Struktur.“ An der oberen Grenze einer Auflösung wäre die „...am ehesten feinkörnige Struktur eine perfekt akkurate Charaktisierung der Umgebung, die nicht nur die Gradienten der Temperatur, Verdunstung und Regenfällen enthält, sondern auch den Ort jedes Felsens, jeder Pflanze und jedes Tieres.“ Ich interpretiere diese verschachtelte Menge so, daß es ein Niveau der Rekursion ist, welches respektive ein Niveau der Auflösung ist; der Markow-Prozess auf jedem Niveau würde über eine gleiche Menge von Übergangswahrscheinlichkeiten laufen mit weitgehend gleichartig stabilen Wahrscheinlichkeiten. Anders gesagt würde die Umgebung die selbstähnliche Struktur eines Fraktals aufweisen. Auf jeder sukzessiven Stufe der Auflösung würde sich eine neue Variante derselben fraktalen Struktur zeigen. Dieser fraktale Ansatz kann uns näher an das Verständnis der indigenen Art der Umgebungsklassifizierung heranführen.

Wie ersichtlich ist aus Bild 1, nutzen die Holdridge-Lebenszonen den Umstand, daß die Auswirkungen von Hitze und Feuchtigkeit auf biologische Aktivitäten eher logarithmisch als arithmetisch sind. Innerhalb ihrer Toleranzlimts tendieren Organismen dazu, in exponentiellen Mustern auf Änderungen in diesen genauso wie in anderen Faktoren zu reagieren. Zum Beispiel wächst die Transpiration einer Pflanze zu ihrer Blütezeit, und somit ihr Wasserbedarf, proportional zum Logarithmus des Wasserdefizites. Jedenfalls legen die logarithmischen Skalen der Achsen eine starke gesetzmäßige Relation zwischen den Temperatur- und Feuchtigkeitskomponenten und somit eine fraktale Organisation des Ökosystems der Gebirge selbst nahe. Das ist an sich nicht sehr überaschend, ausgehend von den Arbeiten Mandelbrots 1983, Bak 1996 und anderer über das Vorkommen von Fraktalen in der Natur und in der Tat in allen komplexen adaptiven Systemen. Interessant ist allerdings, daß diese fraktale Struktur aus Holdridges Modell herausgelesen werden kann, was bei keinem anderen Klassifizierungssystem der natürlichen Umwelt der Fall ist, das mir bekannt ist.

Ein einfaches Maß der Komplexität ist die Länge der prägnanten Beschreibung einer Menge der Gesetzmäßigkeiten der Entität. Demnach hat etwas, was vollkommen willkürlich ist ebenso wie etwas, was vollkommen geordnet ist, eine Komplexität nahe Null. Die Umgebung der Anden liegt irgendwo dazwischen; sie zeigt sehr viele Sorten Gesetzmäßigkeiten und deren Beschreibung wäre zwangsläufig sehr lang. Innerhalb eines annehmbaren Niveaus von Zulässigkeit kann gesagt werden, daß sich die globale Umgebungskomplexität in einer Region reproduziert, welche weniger als 1% der Landfläche der Erde einnimmt. Somit kann diese Region als ein Modell des globalen Systems betrachtet werden.

Im nächsten Abschnitt werde ich die generellen Muster der historischen Evolution des politischen Systems der Anden und der sozio-kulturellen Innovationen, die die Entwicklung einer humanen Koordination des Ökosystems in immer weiterem Umfang ermöglichten, kurz beschreiben. Im Einklang mit dem Lebenszonen-Modell von Holdridge drückt sich die Entwicklung dieser Koordination in den Anden deutlich aus in der Artikulation von Zonen entlang der vertikalen Raumachse.

3.Historische Konstruktion des Ökosystems der Andenstaaten

Die Entwicklung der Gesellschaft der Anden ist charakterisiert durch ein sich abwechselndes Muster kultureller Homogenisierung und Heterogenisierung. Anthropologen referieren dies üblicherweise als Perioden der Unifizierung und Diversifizierung. Die Perioden der Unifizierung sind charakterisiert durch die Ausbreitung eines Satzes weitgehend homogener kultureller Ausdrucksformen über ein großes Gebiet und deren Adaption durch viele verschiedene regionale Populationen und ethnische Gruppen. In Perioden der Diversifikation entwickeln diese Leute ausgeprägte lokale Kulturen, die ihren eigenen Weg gehen ohne große Einflüsse aus anderen Regionen. Der ganze Prozess drückt sich aus in der Evolution der Getreidearten und läßt sich im Fall des Mais klar ersehen. Qualitative Sprünge im Ertrag und in der Struktur neuer Sorten des Getreides und deren Verbreitung in der Region erfolgten in den Perioden der Vereinigung. Die Perioden der Diversifizierung lassen sich mit der Verbreitung von Mais in viele neue lokale Anpassungen in Zusammenhang bringen.

Ausgehend von der Umgebungskomplexität und den physikalischen Barrieren zwischen den Regionen sind Perioden der kulturellen Diversität zu erwarten. In den Begriffen der hier präsentierten Argumentation replizieren diese die mannigfaltige Diversität der menschlichen Kultur und der sozialen Evolution allgemein. Das Problem ist herauszufinden, was sich tun mußte bei der Herausbildung der großen Perioden der zentralen Vereinigung der Anden. Ich werde hier kurz die Entwicklung der landwirtschaftlichen Kultur in dieser Region verfolgen an Hand der Evolution des vertikalen Ackerbaus der Anden. Vertikaler Ackerbau wurde zuerst von John Murra (1972, 1975 ) als Schlüssel zum Verständnis der ökonomischen und politischen Artikulation der sozialen Einheiten der Anden identifiziert. Seine Entwicklung war offenbar kein langsamer, gradueller Prozess; die archäologischen Funde legen nahe, daß die Innovation und Konsolidierung der vertikalen Kontrolle ein Ergebnis der Perioden sozialer und ökonomischer Vereinigung war. Die letzten beiden dieser Perioden werden mit den großen imperialen Staaten der Wari und der Inka in Verbindung gebracht.

Unter generellen Aspekten wurde die Landwirtschaft unabhängig in verschiedenen Teilen der Zentralanden eingeführt, wenngleich sie vermutlich ihre Ursprünge in den tropischen Wäldern des Amazonastieflands vor mehr als 7000 Jahren hatte. Vor dieser Zeit basierte die Akquisition von Nahrungsmitteln auf Jagen und Sammeln in kleinen Gruppen. Die Anfänge der Landwirtschaft lagen in den tiefsten Teilen der Inter-Anden-Täler und den Flußtälern der Küste. Die grundlegenden Kulturpflanzen waren Mais, Kürbisse, Süßkartoffeln und Bohnen, wenngleich nicht alle zugleich in derselben lokalen Umgebung. Knollengewächse wie Kartoffeln wurden zuerst an den höheren Berghängen gepflanzt. Allgemein gesagt spezialisierte sich jede der frühen Landwirtschaftsgruppen auf die Produktionsmöglichkeiten einer partiellen Nische, dieweil sie Produkte anderer Nischen durch nichtseßhafte Jagd wilder Tiere, Fischfang, Sammeln von Früchten oder Wurzeln oder durch Handel erwarben. Transhumance (die Verlagerung des Standorts zur Subsistenz zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres, jedoch ohne Weiden einzuschließen) war eine verbreitete Praxis, um an Produkte verschiedener Regionen zu gelangen. In verschiedenen Teilen einer Region mit einer generellen Klasse von Umgebungsnischen tendierten die verschiedenen sozialen Gruppen dazu, verschiedene Arten von Kulturpflanzen anzubauen.

Im Einklang mit dem Holdridge-Modell steht die Verteilung von Klassen gleicher Nischen in direktem Zusammenhang mit der Höhenlage über einen Bereich von 13-14 Breitengraden, aber mit wachsendem Breitengrad nimmt die Zonenhöhe ab. Murra führte den Begriff piso ecologico ein, was sich übersetzen läßt als ökologisches „Stockwerk“, „Etage“ oder „Gürtel“, um Klassen von Nischen mit den gleichen generellen Charakteristika zu referieren. Für den Großteil des peruanischen Berglandes lassen sich jede Zeile von zwei hexagonalen Lebenszonen (rechts in Bild 1)einem piso ecologico zuordnen. Das Prämontane (oder Unter-subtropische) korrespondiert mit dem piso Yunga³ (500 bis 2500 Meter über Meereshöhe), das untere Montane zu Qechwa (2500-3500 m), das Montane zum Suni (3500-4100m) und das Subalpine (4100-4600m) zum piso Puna. Mit der Zeit wurde eine unglaubliche Vielfalt von Arten und Sorten entwickelt in und zwischen diesen pisos: Getreide (Mais) und Bohnen im Qechwa, Knollengewächse (Kartoffeln, mashwa, oka, ulluko) und einige andere Getreidearten (quinoa und canihua) im Suni, während das Puni hauptsächlich den Lama- und Alpaca-Herden überlassen bleibt.

In dieser frühen, initialen Periode unterscheiden sich die kulturellen Relikte dieser Gruppen (Heime, Werkzeuge und später Keramiken usw.) von Ort zu Ort, und wir können vermuten, daß sie verschiedene, unabhängige politische Systeme konstituiert haben. Die divergenten evolutionären Prozesse waren charakterisiert durch wachsende Effizienz im Mangement der partikulären Umgebungsnischen durch die ihnen zugeordneten Gruppen. In allen Zonen war die Landwirtschaft in den flacheren Teilen jeder lokalen Nische konzentriert. Dies waren keine geschlossenen Gruppen; sie hatten Kontakte und Handel über weite Strecken von der Frühzeit an, die sich mit der Zeit verstärkt zu haben scheinen.

Um 1500 vor Christi wurde der Diversifikationsprozess verdrängt durch einen profunden Prozess regionaler Integration, welcher in Nordperu mit der Kultur des Tempels von Chavin de Huantar assoziiert wird und im Süden mit Chiripa und Pucara. Die Periode ist für gewöhnlich als Formative bekannt, oder als der Frühe Horizont. Der Einfluß dieser Stätten breitete sich über das ganze moderne Peru und Bolivien aus und kann in Verbindung gebracht werden mit einer Intensivierung der Kontakte zwischen den Völkern. Diese Integration ist charakterisiert durch eine substantielle landwirtschaftliche Grundlage sowie, hinsichtlich der Intention dieses Artikels, durch das simultane und intensive Management von zwei oder mehr separierten ökoklimatischen Zonen wie in den Archipeln einer Inselgruppe. Dazu bedurfte es der Weiterentwicklung der früheren Organisation der Landwirtschaft. Sie ermöglichte die Akkumulation von Nahrungsüberschüssen. ________________________________________________________________________________ ³ Die Begriffe Yunga, Qechwa, Suni, Puna sind die von den Andenvölkern gemeinsam benutzten Begriffe zur Benennung der sukzessiven vertikalen ökologischen Flure Sie repräsentiert den Beginn koordinierten Mangements der Höhe (Vertikalität). Es erfolgte ebenso ein Sprung in der agrikulturellen Technologie vor allem in der Konstruktion großer Bewässerungssysteme mit Reservoiren für die geordnete Kontrolle der Wasserverteilung. Mais wurde in der Chavin-Zeit an der Nordküste angebaut und Kartoffeln in den höheren Lagen. Dennoch gibt es bis jetzt keinen Beweis für Landwirtschaft an den Gebirgshängen; die Kultivierung konzentrierte sich noch in den flacheren Teilen, wenngleich der extensive Anbau sowohl von Mais als auch von Kartoffeln ein guter Beweis ist für die Artikulierung der Produktion über verschiedene ökologische pisos.

In den flacheren Gegenden um den Titicacasee (vor allem Subalpin oder Suni) wurden wellenförmig strukturierte Felder (camellones) eingeführt zur Stabilisierung der Kultivierung im Angesicht des unregelmäßigen Wasserstandes des Sees und anderer klimatischer Unwägbarkeiten. Es gab ferner eine Reihe neuer Techniken für das Mangement des Abflusses von Oberflächenwasser. Alle diese Systeme dienten der substantiellen Reduktion des klimatischen Risikos.

Die politischen Systeme dieser Periode müssen weiter verfeinert gewesen sein und Siedlungen konzentrierten sich längs ausgeklügelter Tempelkonstruktionen, bildeten indes noch keine richtigen Städte. Der Konsens unter den Archäologen ist, das diese noch nicht repräsentativ sind für Staatssysteme. Es ist allgemein akzeptiert, daß das erste konsolidierte Staatssystem sich an der Nordküste Perus mit der neuen Welle regionaler Diversifizierung entwickelt hat, die zur Fragmentierung der kulturellen Hegemonie der Chavin führte – die Periode, die als die Frühe Zwischenperiode bekannt ist. Das Königreich der Moche war ein sehr komplexes System und beweist hohe agrikulturelle und politische Innovation. Ich werde es allerdings hier nicht beschreiben, weil sein Produktionsmanagement sich auf die homogene, flache Küstenumgebung konzentrierte. Der große Schritt zur koordinierten vertikalen Kontrolle erfolgte mit der Expansion und Konsolidierung des Wari-Reiches in Großteilen Perus. Diese Periode ist bekannt als der mittlere Horizont (oder die zweite Periode regionaler Integration); sie umfaßt das Wari-Reich und das Tiwanuku-Staatssystem um den Titicacasee.

Die Konsolidierung vertikaler Kontrolle in Zentralperu

Das Wari-Reich bildete sich in der Ayacucho-Region im Süden von Zentralperu. Ungeachtet der früheren Einflüsse der Chavin auf dieses Gebiet gibt es wenige Hinweise auf irgendwelche wichtigen soziokulturellen oder agrikulturellen Innovationen. Die Details seiner historischen Entwicklung während der Frühen Zwischenperiode sind noch immer nicht richtig verstanden, es war allerdings eindeutig von jeher eine Periode lokaler Entwicklung mit intensiven Kontakten mit dem Küstenperu und der Region um den Titicacasee. Was klar ist: die koordinierte Kontrolle des vertikalen Raumes hat sich in der Ayacucho-Region nach 500 u.Z. entwickelt und ging einher mit intensiver Urbanisierung, welche sich über die ganzen Zentralanden ausbreitete. Die Hauptstadt des Warireiches war in Huari (ich benutze diese Schreibweise um die Hauptstadt zu benennen, und die mehr linguistische Variante, Wari, für das Reich) nahe der modernen Stadt Ayacucho. Die imperiale Expansion von Wari erfolgte in zwei Wellen, die etwa hundert Jahre auseinanderlagen, und das gesamte Systeme brach um 800 u.Z. zusammen.

Dieweil die Details der Enstehung des Systems um die Stadt Huari etwas verworren sind, ist sein massiver Einfluß im Bassin des Pampaflusses einige hundert Kilometer südlich sehr klar. Vor der Wari-Expansion in dieses Flußtal war die landwirtschaftliche Tätigkeit der lokalen Einwohner begrenzt auf eine oder zwei räumlich getrennte pisos ecologicos.Es gibt keinen Beweis für eine konsistente Kultivierung der Talhänge, das Land zwischen den Talsohlen der Flüsse und den höhergelegenen Flachen Gebieten war weit mit Büschen bewachsen und wurde für die Jagd und zum Sammeln von Wildfrüchten und Beeren genutzt.

Um 600 u.Z. wurde das Pampagebiet in das Wari-Reich während der ersten Phase seiner Expansion eingegliedert. Die früheren zerstreuten Dörfer wurden weitgehend ausradiert und neue, geplante Städte gegründet. Ein gewaltiges Programm der Konstruktion agrikultureller Terassen wurde an den Hängen durchgeführt, welche dann mit der Viehzucht in den höheren punas artikuliert (?) wurde. Wenngleich sich die Details des Prozesses in den Becken der drei südlichen Nebenflüsse des Pampas um einiges unterscheiden, insbesondere unter Berücksichtigung der lokalen politischen Kontrolle, ist das Muster der vertikalen Integration doch gleich. Die verstreuten natürlichen pisos wurden umgewandelt in das, was Enrique Mayer Produktionszonen nennt. Etwa 80 Jahre später gab es eine weitere Expansion und Ausweitung des gesamten Systems.

Agrikulturelle Produktionszonen sind wie ein vertikales Feld horizontaler Gürtel an den Bebirgshängen analog den ökologischen pisos, sind aber mehr künstlich als natürlich und oft durch eine Mauer dazwischen getrennt. Jede Zone ist definiert durch eine partielle Fruchtassoziation, eine distinktive sozio-kulturelle Organisation und einen speziellen Arbeitskalender. Eine typische Zone erstreckt sich über eine Höhe von 500 m, es gibt allerdings eine Reihe von Variationen. In jeder von ihnen ist die Ökologie homogenisiert, und an den Hängen sind die Umweltparameter wie Sonneneinstrahlung, Temperatur, Feuchtigkeit usw., welche die Blütezeit und die Reife der Früchte beeinflussen, nach den vertikalen Gradienten geordnet, wodurch die klimatische Unsicherheit in sehr hohem Maße reduziert wird. Hunderte von natürlichen ökoklimatischen Nischen wurden wieder zusammengesetzt in einige wenige Zonen und deren Sektoren. Die Differenzen zwischen den verschiedenen Sektoren der gleichen Zone (vor allem mit unterschiedlicher topografischer Orientierung und solarer Exposition, verschiedenen Böden usw. ) folgen einem geordnetem Muster, welches in einen solaren Kalender kodiert werden konnte und aus diesem ausgelesen werden konnte. Das Management dieses Systems wurde ermöglicht durch die Entwicklung einer sehr effektiven sozialen Organisation, welche sich damit gleichsam artikuliert. Die Produktionszonen-Landwirtschaft war eine der großen Innovationen des Komplexitätsmanagements der Umwelt und sollte betrachtet werden als ein früher Schritt in den TechnoGarten? und die Adaption der Mosaik-Szenarien der Milleniums-Ökosystem-Bewertung.

Das Gebiet des Pampabeckens ist eines der am meisten topografisch „gefalteten“ Gebiete der Anden, und seine Transformation durch die Wari ermöglichte einen großen Sprung in der Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion. Zum ersten Mal wurde vertikale Landwirtschaft kohärent mit Tierhaltung verbunden. Die großangelegte Konstruktion der landwirtschaftlichen Terassen war begleitet von einem ausgeklügelten Bewässerungssystem sowohl für diese als auch für die Täler. Es wurden Silos zur Nahrungslagerung gebaut (qollqa) in den höheren Teilen der Flußtäler, um die kalten Temperaturen zu nutzen. Für unser Argument am meisten relevant ist, daß dieses neue System technologischer vertikaler Kontrolle die Koordinierung von Produktionsaktivitäten zwischen sozialen Gruppen in verstreuten geographischen Arealen ermöglichte. Khipus (aus geknoteten Stricken komponierte Informationsregister) wurden verwendet, und es gibt Beweise für einen komplexen astronomischen Kalender (Zuidema 1992), aber die Art und Weise der Anwendung dieser Mittel in dieser Periode muß aus der Inkazeit zurück-extrapoliert werden unter Berücksichtigung dessen, was die archäologischen Funde uns über die Besonderheiten des Wari-Staates aussagen. Im nächsten Abschnitt über das Kommunikationssystem der Anden stammen die meisten unserer Informationen aus unserer detaillierteren Kenntnis des Inkareiches, wenngleich die Argumente auch auf das Warireich zutreffen dürften.

4.Informationsverarbeitung in den Andenstaaten

Alle bekannten Zivilisationen, die ein bestimmtes hohes Niveau von Komplexität erreicht haben, haben irgendeine Art von Staatsapparat entwickelt für die Regulation der Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Menschen und den Dingen, zwischen Gruppen von Menschen mit Institutionen verschiedener Art und von all diesen mit dem Staat, zu dem die Leute und die Institutionen gehören, und von all diesen mit der Umwelt, mußten Mittel entwickeln zur Registrierung und zum Zugang zu der Information, die für ihre Regulationsaktivitäten notwendig sind. (Es ist wohlbekannt, daß das Wort Statistik vom Wort Staat kommt.) Seine Existenzberechtigung liegt im Management dieses Netzes von Kommunikationskanälen, was von den anderen Komponenten der Gesellschaft als Vorteil gesehen wird. Der Staat muß ferner in der Lage sein, das, was als begründeter Betrag anzusehen ist, von den Gütern abzuschöpfen, die von den anderen Komponenten erzeugt werden, um das System am Laufen zu halten. Um all dies zu tun, muß der Staat Akten halten mit allen nötigen Informationen zur Entscheidungsfindung, die kontinuierlich entstehen. Diese generellen Voraussetzungen gelten genauso für das Wari- und Inka-Reich, und idealerweise für jeden modernen Staat.

Die grundlegende Frage, die zu stellen ist, ist die: wie muß eine Gesellschaft organisiert sein, damit sie, wenn der Staat intervenieren musste, um eine Unausgewogenheit und Unausgeglichenheit zu korrigieren, dies mit einem Minimum an Aufwand und Zeitverzögerung erfolgen konnte? Der Staat musste wissen: wann, unter welchen Umständen, und in welcher Weise war ein Eingriff notwendig. Die moderne Kybernetik und Systemtheorie haben uns gezeigt, dass effektive Administration am wenigsten Aufwand und Energieverbrauch erfordert, wenn die Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung im ganzen System verteilt sind, idealerweise, indem sich das System selbst zu einer Hierarchie selbstähnlicher Schichten organisiert. Die sozialen Einheiten jeder Schicht oder jedes Knotens sollten artikuliert sein durch kombinierte Selbstregulation und Regulation in wechselseitigem Einvernehmen – so dass der Bedarf für Intervention durch höhere Schichten minimiert und die Zeit, die für großangelegte und langfristige Planung und Entwicklung zur Verfügung steht, maximiert werden kann (womit einer Art hyper-aktivem Selbst-Burn-Out vorgebeugt werden kann). Die Organisationsprinzipien, welche sich durch das ganze System ziehen, sollten auf so viele Weisen wie möglich klar formuliert sein und auf jedem Niveau repliziert werden, wie ich oben erwähnte. An anderen Stellen habe ich ausgeführt, dass dies im Tawantinsuyu Inkastaat der Fall war – die politische Organisation war generell konsistent nach diesen kybernetischen Prinzipien (Earls 1982a, 1989, 1998, 2005) (insbesondere, wenn man sie mit dem Chaos, das die spanische Kolonialadministration generierte, vergleicht).

Die Frage, was der Saat wissen musste, wird so zur Frage, in welchem Grad die selbstregulierenden Mechanismen effektiv operiert haben. Hierfür musste der Staat alle potentiellen Quellen von Instabilität kennen in jeder Schicht der Hierarchie: den Umfang der Aussaat auf der Landwirtschaftsfläche – wo wurde gesät, wann und welche Pflanzen – beginnende Trockenheit, Überschwemmungen, Pflanzenseuchen, Frostauftritt, exzessive Rivalitäten zwischen Menschen oder Gruppen, politische Unruhe und ihre Äußerung, die Lagerbestände in den Lebensmittellagern der staatlichen Silos (qollqa), Größe und Lage der staatlichen Lamaherden usw. Die Liste ist immens und die Werte ihrer Faktoren unterliegen konstantem Wechsel, wenngleich diese Werte zu speziellen Zeiten des Jahres auf den Khipus registriert werden konnten und jede unvorhergesehene drastische Änderungen in diesen Werten gelesen werden konnte als „da muß etwas getan werden“.

Systemmanagement und die soziale Software

Bis jetzt habe ich lediglich die ökologischen und sozialen Probleme erwogen, denen wir uns bei der Entwicklung der Artikulation des politischen Systems der Anden gegenüber sehen. Es ist offensichtlich, dass die Identifikation dessen, was der Staat wissen musste, und die generelle Natur der fraktalen Hierarchie uns noch nicht sagen, wie dieser Staat und die anderen Schichten der sozialen Hierarchie in der Lage waren zu kommunizieren, um die mit konstanter Bosheit auftretenden Instabilitäten zu beseitigen. Ich möchte das generelle Problem der Kommunikation des Wari- und des Inkareiches betrachten und den Weg, den man fand, um das Problem des Fehlens dessen, was wir als wahre Schrift bezeichnen, zu umgehen.

Alle Staaten bis auf die Andenstaaten – aber einschließlich der mittelamerikanischen Staaten der Azteken und Maya – kamen auf den Gebrauch von Tinte und Papier für ihr Informationsmanagement. Mit anderen Worten, man kann Ihnen den Gebrauch einer Schrift unterstellen – bis auf den Wari und Inkas. Das hilft uns allerdings auch nicht weiter, wenn wir die Informationsverarbeitung der Andenstaaten verstehen wollen. Eine fundamentale Eigenheit der Schrift, die sie mit der menschlichen Sprache gemein hat, ist die Abwesenheit jeglicher intrinsichen (inneren) Verbindung zwischen dem, was repräsentiert wird und den Symbolen, mit welchen dies geschieht. Die Bedeutung [der Schriftzeichen] ergibt sich aus einem sozialen Konsens darüber, was diese darstellen; symbolische Kommunikation ist ein Prozess, der kulturell geteilte [gemeinsame] Abstraktionen einschließt, aber diese Eigenschaft haben auch solche piktographischen Kommunikationssysteme, die keine Schrift sind. Der große Unterschied zwischen Schrift und piktographischen Systemen ist der: in voll entwickelten syllabischen und/oder ideographischen Schriften kann die Abstraktion selbst symbolisch repräsentiert und reflektiert werden durch weitere symbolische Repräsentation, so wie die Abstraktion der Abstraktion, und so weiter (die Eigenschaft rekursiver Reflexivität).

Im Weiteren beschreibe ich vier der am besten bekannten piktographischen Symbolesysteme der Anden; es sind dies keine voll reflexiven Kommunikationssysteme, sie wurden aber in einer Weise verwendet, dass sie die vitale Rolle einer breiten Kategoriendefinition im sozialen Informationssystem spielten. Darauffolgend werde ich einige relevante Eigenschaften des Khipu-Informatiosnssystems der Inka diskutieren – des Systems, welches nach Meinung der meisten Autoren einem wirklichen Schriftsystem am nächsten kommt.

Die Repräsentation der grundlegenden hierarchischen Struktur des Kosmos und des Platzes der Inka und des Restes der Menschheit in diesem Schema. Die bekannteste und am besten erforschte Instanz davon ist das Diagramm der Anordnung der Altare und Symbole der Komponenten der kosmischen Ordnung im Sonnentempel der Hauptstadt Cusco, wie sie der inigene Chronist Juan de Santa Cruz Pachacuti Yamque darstellt. Diese Ordnung wurde in vielfältiger Weise auf jedem Niveau der sozio-politischen Hierarchie repliziert. Es ist ein piktorielles Modell, wie soziale Beziehungen organisiert sein sollten und wie diese auf die vertikale Ordnung des Raumes der Anden Bezug nehmen. (Zuidema und Quispe, 1973, Earls und Silverblatt 1978, 1981). Es ist mit einiger Gewissheit präinkaischen Ursprunges. Wir können in der früheren Periode auf die komplexen Designs verweisen, die im „Eingang zur Sonne“ in Tiwanaku, Bolivien eingemeißelt sind, und zahlreich wiederholt in Keramiken und Textilien von Tiwanaku und Wari.

Das ceque – System war ein komplexes System heiliger Plätze, die in Linien (ceques), die wie die Speichen eines Rades wirken, aus dem Sonnentempel in Cusco hinausführen. Es drückt die Kalenderordnung der Inka aus und die hierarchische Ordnung der sozialen Gruppen, die die Inka-Hauptstadt bildeten, und auf diese Weise drückte sie die Pflichten jeder einzelnen Gruppe aus, ebenso wie die Termine im Laufe des Jahres, zu welchen diesen nachgekommen werden musste. Das System wurde ferner eingesetzt für die direkte Beobachtung der astronomischen Ereignisse, auf denen der Inka-Kalender selbst basierte. Unsere Kenntnis dieses System verdanken wir der lebenslangen Studie von Tom Zuidema (1964). Einige spanischen Chronisten bestätigen, dass einfacherere Versionen davon in Malereien in hunderten von Städten und Dörfern rund um Cusco repräsentiert wurden. Archäologische und ethnografische Studien sagen aus, das diese häufig in die Landschaft „verschlüsselt“ waren – eine symbolische Landschaftsarchitektur. Quellen legen nahe, dass diese während der gesamten Inka-Periode kontinuierlich entwickelt wurden (Earls 1976).

Von Malereien (qellqa) ist überliefert, dass diese gemacht wurden um wichtige Ereignisse der Inka-Geschichte sowie der anderer Staaten, die im Inkareich aufgegangen waren, festzuhalten. In einigen andinischen Gemeinschaften werden solche Informationen nach wie vor registriert als erweiterte Familiengeschichte, als soziale und ökonomische Verpflichtung, und andere Daten, die bis zum heutigen Tag auf lange Holz“tablas“ (Bretter von zwei Meter Länge und 30 cm Breite) gemalt werden. Die am besten bekannten sind die der Gemeinde Sarhua (Ayacucho), die Hilda Araujo studierte (1998).

Viel Information ist in verschiedenen Formen von Textilien kodiert. Die Chronisten berichten, dass zu jeder „Nation“, die das Reich bildete, eine eigene Form und ein eigenes Design der Kleidung gehörten. Teile der Kleidung beinhalteten piktographische Module in einer Art Schachbrett-Muster; diese hießen tocapo und werden meistens mit den Rängen des Inkaadels in Verbindung gebracht. Die Topaco-Designs sind sehr aufwändig und abstrakt, und deren Bedeutung in prähispanischer Zeit ist bis heute nicht klar verstanden worden. Es scheint offensichtlich zu sein, dass die topacos die Identität, Attribute, und Funktion ihres Trägers beschrieben, aber wie diese zu deuten sind, ist für uns nach wie vor unbekannt. Es ist möglich, dass einige der topacu-Designs Zahlen repräsentieren, was wahrscheinlich ist, bedenkt man den hohen Stellenwert, den Zahlen bei den Inkas spielten. Die modularen Designs in den gewebten Gürteln (chumpi), die bis zum heutigen Tage gewebt werden, sind piktographische Repräsentationen wichtiger geographischer und himmlischer Objekte und Ereignisse, können als Topacus betrachtet werden. In den Ponchos vieler Gemeinschaften, welche von Männern gewebt werden, und in den lliqlla (verzierte Schals), die von Frauen gewebt werden, sind topacu-artige Designs eingewebt. Einige Textilien der Wari und Tiwanaku-Staaten drücken die Kalenderordnung aus (Zuidema 1992, Cook 1996).

Die Anzahl der Informations-Kodierungsarten ist zu groß, um hier alle aufzulisten. Das Wichtige dabei ist, dass die kodierten Informationen die Organisationsprinzipien widerspiegelten, die das soziale Leben verwalteten, den Platz, Rang und die Funktion der Personen und Gruppen in der sozialen und natürlichen Ordnung. In Begriffen der Informationstheorie waren diese Informationen in hohem Maße redundant. Man kann das in der Praxis so verstehen, dass der gleiche Sachverhalt auf sehr vielen Wegen kodiert wurde, so dass die Nachricht so klar wie möglich war für so viele Leute wie möglich. Es gab ein großes Bestreben, die soziale und Kalenderordnung auf so vielfältige Weise wie möglich auszudrücken mit dem Ziel, jegliche Zweideutigkeit und mögliche Missinterpretation zu eliminieren: kein Staat kann es akzeptieren, dass irgendein Individuum oder irgendeine Gruppe nicht zu seiner Arbeit kommt mit der Entschuldigung: „wir wussten das Datum nicht“; oder „wir dachten, diesen Tag ist Gruppe-X dran.“ Zwar sind die Formen einfacher, aber diese Basismuster gehören bis heute zu den Quechua und Aymara-Gemeinschaften.

Das Khipu

Das Khipu ist ein Gerät zur Aufzeichnung von Informationen in grundlegend numerischer Form. Es besteht aus einer primären Schnur, von der, wenn diese straff gespannt ist, eine Reihe von anliegenden sekundären Schnüren (pendants) herunterhängen. Dies Pendante waren normalerweise in einer Anzahl von Untergruppen angeordnet, die durch Leerräume, Farbmuster, Fadenstil und andere Markierungen auf der Primärschnur getrennt waren. Die Zahlen selbst wurden durch Knoten repräsentiert. In groben Zügen gesagt bezeichneten die nicht-numerischen Gruppenmarkierungen die Kategorie, zu welcher die Zahlen gehörten. Oft war jede Gruppe von Pendants mit einer Oberkette, die angehängt war, assoziiert, so dass sie in eine opposite Position zu den Pendants kam. Die Oberketten repräsentierten häufig eine Zahl, die mit der Summe der Zahlen, die in der dazugehörigen Untergruppe repräsentiert waren, korrespondierte. Häufig waren sowohl an die Pendante, als auch an die Oberketten andere Zweigketten angehängt, an diese Unter-Zweigketten und so weiter. Ein sehr einfaches Khipu zeigt Bild 2, es zeigt, wie die Anzahl der Schlaufen in einem Knoten und deren Anordnung an den Pendants herab Zahlen repräsentieren. Der Gebrauch der Khipus beinhaltete nicht nur die vier arithmetischen Grundrechenarten, sondern kompliziertere mathematische Strukturen, wie Matrizen und Hierarchien. (Ascher and Ascher 1981). An anderer Stelle (Earls ms) argumentiere ich, dass letzlich die Khipu-Strukturen zur Inkazeit ein Entwicklungsstadium erreicht haben, dass auch selbstreferentielle Abstraktionen darin kodiert werden konnten. Wenn das der Fall war, dann konnten räumlich verstreut agierende Khipu-Manager (khipukamayod) sie verwendet haben, um Informationen darüber auszutauschen, wie Informationen kodiert waren, und so den gemachten Änderungen zustimmen. Das wäre notwendig gewesen für eine Standardisierung von Khipu-Strukturen und für Kommunikation über die weiten Strecken, auf die sich die staatliche Kontrolle erstreckte. In diesem Zusammenhang ist es von Belang, dass Urton und Brezine (2005) in der Lage waren, nachzuweisen, dass die Organisation der Khipus des Inkareiches die Hierarchie dieses Staates ausdrückte.

Gleichwohl: ausgehend von der Tatsache, dass diese Andenstaaten (und in der Tat alle präindustriellen Gesellschaften) Systeme mit begrenztem Zugang zu Energie waren – und auch die verfügbare hauptsächlich in menschlicher Arbeizskraft bestand – musste man Top-Down-Interventionen vermeiden. Im Idealfall musste der Staat lediglich dann auf einer niedrigeren Stufe der Hierarchie eingreifen, wenn auf diesem Niveau die Selbstregulation versagte. (Und auf jeden Fall gab es nicht viele Leute, die für den Gebrauch von Khipus ausgebildet waren). Es ist interessant, dass Khipus auf lokaler Ebene nach wie vor in Gebrauch sind in manchen modernen Gemeinschaften als Beglaubigung der Information im Sinne von Rappaport (1971, 1979): der Kompromiss der Leute, um die konsensuell vereinbarten Arbeitsprogramme für das Jahr zu erfüllen, wird durch das rituelle Ablegen eines Khipus dort, wo der Kompromiß erfolgt, besiegelt (Salamon 2004). Das heißt, Khipus dienten und dienen als ein zusätzlicher Kommunikationsmechanismus zu den oben erwähnten piktographischen Schemen. Die modernen Gemeinschaften wenden einige sehr ausgeklügelte soziale Organisationsmechanismen an, um Fehler zu minimieren und einen Konsens zu konstruieren , um die notwendige Koordination der agropastoralen Aktivitäten über verschiedene Produktionszonen und ökologische Pisos zu sichern (Earls 1996: 297-320). Einige davon haben ihre Ursprünge im Warireich, oder letzten Endes in den Stufen, die zu diesem führten, andere wurden im Inkanat entwickelt und wieder andere in der Kolonialzeit und in der Moderne, als die weitreichende Koordination im Interesse freien Unternehmertums zerstört wurde.

Schlußbemerkungen über das System der Anden

Allgemein gesagt sind diese Andensysteme das, was Isbell Energiedurchschnitts-Systeme nennt. Um ein hohes Niveau der Produktivität zu sichern für die Einheiten auf den unteren Knoten der Hierarchie musste es eine sozio-technologische Organisation geben, die selbstorganisierte Produktionsaktivitäten in diesen Knoten ermöglichte. Ich argumentiere, dass ausgehend von der zerklüfteten Komplexität der peruanischen Anden-Umgebung, Steigerungen der Produktivität in solchen Schritten erfolgen, die durch Innovationen in der Koordinierung der benachbarten Agro-Ökosysteme markiert werden im Laufe der Geschichte: zuerst in der initialen Periode durch die Artikulation ökologischer pisos und später in der Wari-Zeit durch die Produktionszonen. Die großflächige politische Artikulation des Systems verlor sich mit dem Fall des Wari-Reiches gegen 800 u.Z., aber auf den niedrigeren Ebenen, die in etwa äquivalent sind mit modernen Gemeinschaften, wurden deren grundlegenden Muster beibehalten bis zur Zeit der Inka-Expansion etwa 500 Jahre später und funktionieren bis zum heutigen Tag. Die Inkas verfeinerten das System und weiteten es aus bis zu einer Skale von 30° Breitengraden und führten solche Innovationen ein, wie das oben erwähnte ceque-System und das landwirtschaftliche Kontrollsystem von Moray. Da der Raum hier begrenzt ist, kann ich das hier nicht ausführen; Details finden sich in der zitierten Literatur.

5. Einige Anmerkungen hinsichtlich unserer heutigen Welt

Die landwirtschaftliche Ordnung unserer heutigen Welt basiert auf dem Zugang zu reichlich vorhandenem und billigem fossilen Öl. Ein hohes Produktionsniveau wird mit einem Minimum an horizontaler Koordination aufrechterhalten. Es ist das, was Tainter, Allen, Little und Hoekstra (2003) ein hochgradiges System nennen. Ein Maß der Energiequalität kann in Begriffen ausgedrückt werden, die den Betrag der gewonnenen Energie dividieren durch die direkt oder indirekt investierte Energie, die für die Lokalisierung, Förderung und Raffinerie des Öls aufgewendet wurde. Die Magnitude des Verhältnisses – Energiegewinn durch aufgewendete Energie, (EROEI, EROI oder Körnung) – für eine bestimtme Energieform sagt einiges aus über die Funktionsweise der Gesellschaft, die von dieser Energie abhängig ist. Eine hochgradige Gesellschaft agiert in anderer Weise, als eine niedriggradige. Die industrielle kapitalistische Gesellschaft basiert auf der leichten Verfügbarkeit von Öl – ein Stoff von sehr hoher Energiedichte. Wie Tainter (2003) bemerkt: „Die Auswirkungen der Energiegewinnung gehen weit über die Buchhaltung hinaus. Sie beeinflusst die Struktur und Organisation der Lebenssysteme fundamental, auch die der menschlichen Gesellschaften.“ Eine Gesellschaft, welche auf der Verfügbarkeit von hochgradigem Öl basiert, kann als hochgradige Gesellschaft bezeichnet werden, und eine, welche auf niedriggradiger Energie basiert, wie etwa menschlicher Kraft, kann als niedriggradige Gesellschaft bezeichnet werden. Ein hochgradiges System kommt zu höherer Komplexität mittels Ausweitung der vertikalen Hierarchie der Kontrollschichten. Das Problem der Fehlerausbreitung trifft auf intensive Nachrichtenreplikation und Hochgeschwindigkeitsübertragung. Koordination wird zu einem grundlegend statistischen Prozess – so lange, wie es eine ausreichende Korrelation gibt zwischen genügend Komponenten des Systems und überreichlich vorhandener hochqualitativer Energie, lassen sich „die Dinge irgendwie am Laufen halten“.

In der post-peak-Öl-Übergangsperiode zu einer niedriggradigen Welt wird weitreichende Koordination abhängen von der Übernahme solcher niedriggradiger Organisationstechnologien, wie sie hier beschrieben wurden. Diese Technologien wurden in den Anden entwickelt über einen Zeitraum von mehreren Jahrtausenden; wenngleich historische Dynamiken heutzutage sehr viel schneller wirken, können die Dinge nach wie vor nicht über Nacht entwickelt werden. Ich hoffe gezeigt haben zu können, dass wir das Rad nicht neu erfinden müssen.